Zensur-Kausalkette: Zur Sicherheit in die Täterdatenbank

In brainburg’s Blog lese ich gerade, dass Vodafone die – zur Zeit noch – freiwillige Teilnahme an den leyenhaften Zensurbemühungen mit dem Schutz seiner Kunden argumentiert:

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass der Zensur von Internetseiten auch zu Ihrer Sicherheit zugestimmt wurde.

Der Witz ist, dass man als Kunde durch die Zensur (Ja, das Vodafone-WebTeam benutzt das Wort selber) gerade nicht geschützt, sondern ohne Not einer möglichen Strafverfolgung ausgeliefert wird.

Um in den Fokus der Ermittlungsbehörden zu gelangen, muss man sich schließlich nicht einmal für Kinderpornographie interessieren. Es reicht völlig, wenn man durch Klicken eines scherzhaft oder in böswilliger Absicht gestreuten Links auf die angeblich harmlose Stopp-Seite geleitet wird. Wer in Zukunft noch Linkverkürzer wie shorl.com, is.gd, oder bit.ly nutzt oder fremde Links anklickt, steht praktisch schon mit einem Bein im Gefängnis.

Moment, Moment! Angeblich drohe doch nur solchen Websurfern Strafverfolgung, denen sowas öfter „passiert“ (Rickrolling, anyone?)? Sagt zumindest Ursula:

Während Staudigl heise online am gestrigen Freitag Abend diese Klarstellung zukommen ließ, erklärte Familienministerin von der Leyen im Interview mit dem Berliner Sender radioeins die Folgen ihrer Gesetzesinitiative gänzlich anders: „Der zufällige Versuch, da machen Sie sich nicht strafbar. Sonst müsste jeder, der eine Spam-Mail bekommt oder etwas Falsches eingibt, sich sofort strafbar machen.“ (Heise Online, 25.04.09)

Nun denn, selbst wenn man das glauben möchte, stellt sich da doch spontan die Frage, wie die Ermittlungsbehörden bitte feststellen sollen, ob jemand nun zufällig oder mehrfach und gezielt gestoppt wurde? Schließlich  

[…] wird regelmäßig erst durch die sich daran anschließenden strafrechtlichen Ermittlungen geklärt werden können […]

… ob und wer sich durch den Aufruf der Stoppseite strafbar gemacht hat. (Justizministeriums-Pressesprecher Staudigl, Heise Online, 25.04.09)

Faktisch geht das nur durch eine Providerauskunft bzw. Ermittlung des Teilnehmers nach jedem Aufruf/Treffer und Abgleich mit einer entsprechenden Datenbank potentieller Verdächtiger (anders ließen sich mehrfache Aufrufe von „Wiederholungstätern“ nicht dokumentieren …). Gibt es für diesen Wahnsinn eigentlich eine gesetzliche Grundlage? Der in Diskussion stehende Entwurf gibt das meiner Meinung nicht her (Aber ok, ich bin ja auch kein Jurist).

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10 Ergänzungen

  1. Dazu passt auch prima die Formulierung vom Ur-Stoppschild (sinng.) „Das BKA speichert keine IP-Adressdaten“ … wozu auch … die hat ja der Provider in seiner gesetzlichen verbrieften Schnittstelle abgelegt.

    Das ist so als würde ich über einem Metzger wohnen und sagen ich sei Vegetarier DENN „Ich hab nie Fleisch im Haus“ … wozu auch … ich kann ja problemlos nebenan drauf zugreifen sobald ich welches brauche und das ist dann auch sofort weg wenn ich es zubereitet habe.

  2. Leider scheint mein Kommentar bei brainbug’s Blog nicht veröffentlicht zu werden, daher an dieser Stelle nochmal:

    1. Vodafone unterschreibt Absichtserklärung bei #Zensursula
    2. Vodafone ändert seine AGBs
    3. Vodafone muss Bestandskunden über die Änderungen der AGB informieren
    4. Der Vertragspartner (Kunde) hat 14 Tage Zeit, den geänderten AGBs zu widersprechen. Ansonsten wird stillschweigende Annahme der AGBs vorausgesetzt.
    5. Der Vertragsparter ‚Kunde‘ widersprichst den ABG-Änderungen
    6a. entweder: Vodafone respektiert den Widerspruch (bis zum Vertragsende)
    6b. oder: Vodafone kündigt dem Vertragspartner den Vertrag vorab.

    So wurde mir der Sachverhalt erläutert. Ich werde in jedem Fall den Änderungen meiner AGBs widersprechen! Und das Vodafone tatsächlich so offen den Begriff Zensur verwendet, zeigt was Sache ist…

    MfG, Mensch2.0

  3. Mensch 2.0: IANAL, aber wenn die Provider warten bis das Gesetz durch ist, wird wohl kein Sonderkündigungsrecht möglich ein.

  4. Hm, wenn jetzt ein paar Spaßvögel automatisiert die Stopp-Seite mit Klicks bombardieren, müßten die ständigen Ermittlungensversuche der realen Adresse alle Kapazitäten sprengen.

    Ernsthafte Frage: Was wäre dann eigentlich der nächste Schritt für Zensursula? Aufgeben würde sie mMn nicht. Was käme dann? Feste IP und DSL-Vertrag äquivalent Handy-Vertrag? Gibt es da schon Erkenntnisse?

  5. @4 (matthias):

    und erst die pornrolls in deiner/meiner/zensursulas email-inbox!

    ich glaube, so sind auch die sperr-ausnahmen zu verstehen.

    stoprolling wird noch ein interessanter netztrend. viren schicken war gestern. heute schickt man bka.

    .~.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.