Verwerterlobby trommelt für Urheberrechtsverschärfung

Bei Spiegel-Online findet sich ein Artikel über die Forderungen der Verwerter-Lobby in der Urheberrechtsdiskussion. Würde der Artikel nicht auf den aktuellen Kino-Füller Avatar eingehen, könnte er auch aus einem Zeitloch aufgetaucht sein, wenn man folgendes liest:

In Berlin stellte „Respect Copyrights“ eine Initiative vor, um diese Form des unlizenzierten Mediengenusses „nach dem Vorbild anderer europäischer Länder zu bekämpfen“: Internetnutzer sollen beim ersten Mal auf ihre Urheberrechtsverletzung hingewiesen werden. Zugleich sollen ihnen legale Online-Angebote als Alternative aufgezeigt werden. Im Wiederholungsfall sollen sie einen Warnhinweis mit den möglichen rechtlichen Konsequenzen erhalten. Bei abermaligem Verstoß soll nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sanktioniert werden. Als Strafe ist zunächst die Sperrung des Zugangs zu einzelnen illegalen Seiten denkbar oder die vorübergehende Drosselung der Bandbreite des Internetzugangs, um die weitere Nutzung illegaler Angebote zu erschweren. Zudem müssen Urheberrechtsverletzer mit weiteren zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Klingt neu, ist es aber nicht. Diese Initiative wurde Anfang September 2008 von GVU und Raubkopierer sind Verbrecher in Berlin vorgestellt: Three strikes and you’re slow? Wir haben damals zahlreiche Argumente dagegen gesammelt, die immer noch aktuell sind:

Hier wird eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung gefordert, ohne jegliche Überprüfung auf Rechtsstaatlichkeit und mit Umgehung jeglicher rechtsstaatlicher Instanzen.
Die von den privaten Ermittlern übermittelte IP-Adresse muss nicht unbedingt die richtige sein.
Viele Provider-Kunden lesen nicht unbedingt die Mails ihrer Provider, die in der Regel Werbemüll enthalten.
Die Eskalation setzt sich fort, ohne das Problem zu lösen. Der Schritt zu Internetsperrungen ist nur noch ein sehr kleiner, wenn dieses Modell eingeführt ist.
Es ist ein unverhältnissmässiger Eingriff, den Internetzugang zu drosseln und die Netzneutralität wird dabei verletzt. Die Sanktion trifft den Anschlussinhaber und nicht unbedingt den Rechtsverletzter.
Die Eskalationstufe trägt nicht dazu bei, dass die Frage gelöst wird, wie Kreative im digitalen Zeitalter vergütet werden können.
Es gibt bereits strafrechtliche und zivilrechtliche Ansprüche für Rechteinhaber. Ohne jegliche Evaluation der neuen Massnahmen soll jetzt sofort noch mehr durchgesetzt werden.
Kunden verlieren das Vertrauen in ihre Provider. Provider werden zur Verantwortung gezogen und sollen als Kontrollinstanz agieren.
Was ist bei Irrtümern? Falsche Zuordnungen von IP-Adressen zu Anschlussinhabern kommen vor, Zahlendreher passieren. Wer haftet? Wer ist Ansprechpartner?

Gut möglich, dass „Raubkopierer sind Verbrecher“ mit ihren zahlreichen Lobbyinitiativen wie Respectcopyrights.de und anderem nun wieder die alten Forderungen rauskramen, um Schwarz-Gelb daran zu erinnern, was im Koalitionsvertrag steht und die öffentliche Debatte vorzubereiten.

Im Koalitionsvertrag ist die Rede von „wirksame Durchsetzung des Urheberrechts gewährleisten“, „Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein“, „bessere und wirksame Instrumente zur konsequenten Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet schaffen“ und „Selbstregulierung von unter Beteiligung von Rechteinhabern und ISPs fördern“. Klingt doch wie oben zitiert. Der Schlußsatz mit „keine Initiative für gesetzliche Internetsperrungen“ klingt im Koalitionsvertrag wie ein Ablenkungsmanöver.

Bleibt zu hoffen, dass die Provider da nicht mitspielen. Darauf verlassen sollte man sich nicht, wie schon die Zensursula-Debatte gezeigt hat. Öffentlicher Druck wird wohl notwendig sein.

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10 Ergänzungen

  1. WTF!?!? Anstatt immer wieder nach neuen und schärferen Gesetzen zu schreien sollten die sich lieber mal auf Ihren Ar*** setzen und sich überlegen, warum es so viele Raubkopierer gibt! Wahrscheinlich dürfte ein mieserables Preis-Leistungsverhältnis bzw. die Quantität-statt-Qualität-Mentalität der Musikindustrie (um die dürfte es ja wohl hauptsächlich gehen) nicht ganz unschuldig an der aktuellen Problematik. Aber dann müsste man ja eigene Fehler eingestehen. Also doch lieber die Schuld auf die Raubkopierer schieben und nach ganz laut schärferen Gesetzen schreien. Ich könnt kotzen!

  2. Die Provider werden wohl (erstmal) mitspielen, aber wenn die ersten Fehler passierten, die Kunden weglaufen und es richtig ins Geld geht, dann werden die sich das auch 2x überlegen was sie tun.

    Ich denke solange die CDU an der Macht ist wird den Verwertern sowieso aus der Hand gefressen und brav alles gemacht was diese verlangen. Auch wenn diese (in Kanada) selbst die Künstler bescheissen und somit genau das tun, was sie verurteilen.

    Es sieht doch derzeit so aus (bitte korrigiert mich wenn ich irre): Die Verwerter wollen gegen Fileshare vorgeher, weil die (angeblich) illegal Daten tauschen. (angeblich weil meist nur der Anschlussinhaber angeklagt wird, nicht jedoch der „echte“ Täter) Gleichzeitig vertreiten die Verwerter jedoch z.B. Musikstücke, entlohnen aber NICHT die Künstler, wodurch sie eigentlich überhaupt keinen Anspruch auf Schadensersatz für besagte Musikstücke haben.

    Davon ab brauchen sich die Verwerter nicht wundern das soviele Menschen NICHT deren Kunde sein wollen. Im Kino wird den Kunden gezeigt wie böse sie sind, denn immerhin ist ja jeder Kinogänger ein Raubkopierer, ansonsten müsste man ja die Warn-Filme nicht zeigen. Bei DVDs doch das Gleiche. Da ich nicht kriminell sein möchte enthalte ich mich des Kaufs, bzw. des Kinos und bleibe lieber ehrlich.

  3. Ich frage mich manchmal, ob so manche Lobbyisten mit ihren Aussagen nicht ihre demokratische Glaubwürdigkeit verwirken.

    Da gibt es einen demokratie-zersetzenden Anarchokapitalismus, mit einer Kontentindustrie, die mit aller Härte die absolute Kontrolle über ihren geistigen Dünnschieß anstrebt. Ohne Anpassungswillen an den Internet.

    Das ist weder soziale, noch freie Marktwirtschaft, das ist eine diktatorische Marktwirtschaft die weder eine Existenzberechtigung in Deutschland, Europa, noch auf dem gesamtem Globus hat.

    Die eigentliche Stärke der freien Marktwirtschaft ist, dass sie auf dem darwinschen Prinzip der Selektion und Anpassung herrührt. Industrien und Branchen welche sich nicht dem Zeitgeist, bzw. den Bedürfnissen der Kunden anpassen gehen kaputt.

    Im Internetzeitalter ist allerdings eine Perversion in der Marktwirtschaft eingetreten. Die Kontentindustrien verweigern jegliche Anpassungsprozesse und versuchen stattdessen den marktwirtschaftlichen Anpassungsprozess durch forcierte Veränderungen der Spielregeln zu umgehen. Also Einflussnahme auf den Staat und Schaffung neuer Gesetzeslagen.

    Das ist eine äußerst bedenkliche Entwicklung, welche es aufzuhalten gilt. Sollte dies uns nicht gelingen, so kann ein x-beliebiger Staat Deutschland legitim als „Wirtschaftsdiktatur“ labeln. Dies wäre nur ein weiterer Schritt, der unsere Glaubwürdigkeit bzgl. freiheitlichen und demokratischen Grundsätzen in Frage stellt.

  4. Kann man nicht einfach ein Stopschild vor die inkrimierten Seiten stellen? Wenn es Kinder vor Mißbrauch schützt, sollte es doch auch gegen Raubmordkopierterroristen nützen.

  5. Wobei ein wenig Aufklärung darüber, was passieren kann, wenn man Bilder/Filme/Musik aus dem Netz für eigene Publikationen verwendet, meiner Meinung nach nuicht schadet.

    Ich höre immer wieder von Leuten aus Agenturen, die ihre Kunden darüber aufklären müssen, dass ein Foto von Flickr&Co nicht ohne weiteres frei verwendet werden darf. Die gehen davon aus, dass alles was im Internet steht Gemeingut ist.

    Diesen Irrtum aufzuklären, fände ich schon sinnvoll.

    (Über die Praktiken der Abmahnindustrie, brauchen wir nicht zu streiten, die halte ich für falsch.)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.