SWIFT: Bundesregierung ist umgekippt

Was wir gestern schon angekündigt hatten, ist jetzt wohl Realität geworden: Die Bundesregierung ist auf Druck der USA bei SWIFT umgekippt und wird sich bei der Abstimmung im EU-Rat der Stimme enthalten. Damit kann das SWIFT-Abkommen noch vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages beschlossen werden. Das ist kein guter Tag für unsere Bürgerrechte. Schade, dass die FDP ausgerechnet bei ihrem Kern-Bürgerrechtsthema „Kontodaten“ umgekippt ist. Da hätte man ruhig mal Krach in der Koalition organisieren können.

Das Handelsblatt berichtet über die letzten Entwicklungen: Berlin macht Weg für Swift frei.

Das Handelsblatt zitiert auch ausführlich den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar:

„Ich würde es sehr bedauern, wenn das Abkommen so zustande käme. Die rechtlichen Einwände gegen Inhalt und Prozedere sind nicht ausgeräumt“ sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Das Zustandekommen des Abkommens ist höchst intransparent und entspricht nicht unserer demokratischen Rechtsordnung, die dem Parlament ein Mitspracherecht und eine öffentliche Diskussion garantiert“, kritisierte er. In einer Art „Geheimgesetz“ würden die Bürgerrechte ausgeschaltet werden, sagte Schaar.

Passend zum Thema ist auch dieser Artikel bei Zeit-Online: Warum Europas Bankdaten für die USA tabu sein sollten.

Das wäre tragisch. Denn der Streit um das sogenannte Swift-Abkommen lässt sich auf eine einzige Frage reduzieren – die gleiche, die sich in den vergangenen Jahren immer stellte, wenn es um Terrorismus ging: Wollen wir für seine Bekämpfung wirklich alle rechtsstaatlichen Grundsätze opfern, die sich Demokratien mühsam errungen haben?

Update: Justizministerium weist Bericht über Einigung bei SWIFT zurück.

Bleibt es spannend?

Interessanterweise hat das Handelsblatt die Aussagen von Alexander Alvaro zurückgezogen. Dieser wurde u.a. so zitiert:

Die FDP hatte sich bis zuletzt gegen das Abkommen gestemmt. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger habe sich jedoch nicht gegen Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) durchsetzen können, sagte der liberale Europaabgeordnete Alexander Alvaro dem Handelsblatt.

Update: Jetzt rebelliert die CSU-Landesgruppe im Bundestag: CSU gegen SWIFT-Abkommen – „Die Entscheidung muss verschoben werden“.

Nun protestiert in Berlin nach der FDP auch der zweite kleine Regierungspartner, die CSU: „Das ist ein Affront gegenüber den Beteiligungsrechten der Parlamente“, sagte Hans-Peter Friedrich, der CSU-Landesgruppenchef, dem „Münchener Merkur“. „Eine parlamentarische Beteiligung ist gerade im grundrechtssensiblen Bereich des Datenschutzes unverzichtbar. Die Entscheidung in Brüssel muss deshalb verschoben werden.“

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37 Ergänzungen

  1. War ja klar.

    Nur womit haben die USA denn bitte Druck gemacht? Atomkrieg? Schmollen für 2 Jahre?

    Achso, die USA haben natürlich Frau Merkels Vertrauen, mehr wird dazu nicht gesagt. Oder irre ich mich? ;)

  2. Na, da hat die „Bürgerrechtspartei“ ja ganze Arebeit geleistet! Mir graut vor den kommenden 4 Jahren…

  3. Leider fehlt hier der Hintergrund, wer genau von der FDP umgekippt ist: nämlich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die sich 2007 auf Abgeordnetenwatch vehement gegen SWIFT ausgesprochen hat. Wie will sie das jetzt nur verkaufen? Vielleicht damit, dass man noch ein paar Forderungen der DEHOGA oder von Haus+Grund durchboxen muss, damit die Spendenkasse stimmt.

    1. @sa7yr: Namentlich ist Leutheusser-Schnarrenberger ebenso umgefallen wie Guido Westerwelle als Aussenminister. Aber ach dei FDP-Fraktion und Parteiführung hätte hier deutlicher Bürgerrechte vertreten können.

  4. Wer hat auch ernsthaft geglaubt was Politiker vor einer Wahl von sich geben… So lange leeres Gerede keine schmerzhaften Folgen hat, lassen sich damit ganze Karrieren verbringen…

  5. Wieso wird hier immer von einem Umfallen der FDP gesprochen? Ist ja nicht so also ob sie jemals ehrlich gestanden haetten.

  6. @markus / 5: Westerwelle ist ein Kasper und wird von niemandem ernst genommen. Alle Hoffnung „ruhte“ auf Schnarrenberger. Das hat sich wohl spätestens jetzt nachweislich erledigt. Nicht dass ich das nicht schon vorher gesagt hätte, an vielen Stellen, als Entgegnung auf die unkritischen Jubelschreie über die neue Bürgerrechts-Ministerin von der FDP, rofl. Und ehe mich jemand über die Tücken des politischen Allagsgeschäfts belehren möchte: es gibt Positionen, die nicht verhandelbar sind. Punkt.

  7. Kann man gegen dieses Abkommen Verfassungsbeschwerde einlegen?
    Sprich: Kann Karlsruhe hier ein Veto einlegen und das Ganze auf diesem Weg kippen?

  8. Ich kanns mir grade vorstellen.

    FDP: „Entweder Sie stoppen dieses unsägliche, bürgerrechtsfeindliche Monstrum der Transaktionsdatenweitergabe an die USA unverzüglich, ich wiederhole: UN-VER-ZÜG-LICH und kämpfen für eine eine bürgernahe, demokratische Lösung…“

    Union: „Oder?“

    FDP: „…oder auch nicht.“

  9. Hrmf. Wenn ich das richtig sehe, sind vom neuen Abkommen auch innerdeutsche Überweisungen betroffen? Vielleicht sollte ich doch die Lastschriftermächtigung dem Fiskus ggü. kündigen und das Geld bar hintragen?

  10. Mit Guido Westerwelle stimmt es wirklich das Er so ein Kasper ist.So wird Guido Westerwelle von niemandem ernst genommen wird . Alle Hoffnung “ruhte” auf Sabine Schnarrenberger.Die FDP-Fraktion und die Parteiführung hätte hier deutlicher die Bürgerrechte vertreten können.
    Mir graut es jetzt schon vor den nächsten kommenden 4 Jahren…

  11. Damit hat die FDP spätestens jetzt den Lackmustest nicht bestanden. Den Denkzettel wird sie zuerst bei der NRW-Wahl bekommen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Printmedien dieses Thema auch auf ihrer ersten Seite berichten, damit der Bürger auch etwas zum Nachdenken hat, wie mit seinen Daten umgegangen wird.

    Im übrigen empfinde ich die Enthaltung als Landesverrat. Mal sehen, wer klagt (hoffentlich)

  12. Hallo Marcus,

    kannst du nicht mal deine Bekanntheit nutzen, und eine Stellungnahme von Frau L.-Schnarrenberger einholen?

    Für mich ist der Vorgang einfach unglaublich und unverständlich! Ich schließe mich in meiner Fassungslosigkeit den vorangegangenen Kommentatoren an und Frage mich, was zum Teufel die USA in der Hand haben, dass sie das durchdrücken können?!

  13. Wieder ein Problem der EU-Entscheidungswege: die Legislativen (die der Länder wie der EU werden nicht einbezogen), eine kleine Gruppe aus Regierungsvertreten mit einer neokonservativen Mehrheit beschließen eine massive Einschränkung der Bürgerrechte.
    Und ich will meine Daten wirklich als so gut wie aller letztes bei den amerikanischen Geheimdiensten.

  14. @ 12 GustavMahler:
    Ich bin da ja skeptisch bezüglich der Medien. Und warte erstmal ab, was nach der NRW-Lbanks andtagswahl alles kommen wird. Kopfpauschale, Stufensteuertarif und bestimmt noch mehr „Überraschungen“ …

  15. Das schlimme daran, ist die Hilflosigkeit, mit der man diesem Treiben unserer „demokratisch“ gewählten Regierung zusehen muß.
    Die USA kommen jetzt nebenbei ganz legal an Informationen zur Finanzlage der deutschen Firmen, die man sonst nur unter dem Tatbestand der Wirtschaftsspionage hätte beschaffen können.

  16. Und am Ende stimmen Sie doch zu…

    Das übliche Terror-Gelaber, blabla, so gefährlich, unbedingt notwendig, blabla, darum auch schnell und heimlich beschließen, bevor man es diskutieren müsste.

    Und die wundern sich das viele Menschen kein Interesse an Politik oder der EU haben und so dagegen sind?

    Liebe CDU, auch eure schwarzen Konten sind betroffen! Da kann auch ein Finanzminister nicht mehr die 100.000 DM vergessen, die ihm jemand gab.

  17. Unglaublich was da passiert. Kann mir absolut keinen Grund vorstellen, was jemand mit meinen Kontenverläufen anfangen sollte. Schon hier in Germanien nicht, noch weniger in den USA. Glaubt jemand ernsthaft, dass Terroristen ihre Mittel im Zweifelsfall überweisen, gar \Sprengstoff\ in die Betreffzeile schreiben??
    Da werden also unbegründet Grundrechte weggeschnitten und Daten in ein Land gegeben was nicht einmal Datenschutzvorschriften besitzt??! Wozu?? Also mir reicht es wenn hierzulande meine Adressdaten unter Werbefirmen verhökert werden. Da müssen nicht noch meine Kontodaten in die Finger von Kriminellen weltweit gelangen!!

    Die Art und Weise wie hier an Information gespart wird setzt der Sache das Sahnehäubchen auf. EU goes Diktatur und BRD geht mit?

    Da haben wir eine der besten Demokratien mit Vernunft, Tod und Gloria erkämpft in der BRD und werfen jetzt unsere gewonnene Freiheit wegen künstl. implementierter Angst über Bord.

    Für das mehr an Freiheit was ich jetzt habe, riskiere ich gerne bei einem Terroranschlag draufzugehen. Denn Freiheit muss offenbar nicht nur erreicht sondern auch verteidigt werden. Achja..der wievielte Anschlag wär das jetzt in Deutschland?? Weiß es jmd??

  18. Keine Ahnung, ob das schon irgendwo angesprochen wurde: es war immer die Rede davon, dass die USA Zugriff auf unsere Daten bekommen. Was bekommen wir eigentlich im Gegenzug? Dass die USA die Server von SWIFT nach Europa umziehen lassen? Zugriff auf die Daten der Amerikaner? Wär mir jetzt neu.
    Wie kann es angehen, dass angeblich (!) legitimierte Institutionen unsere Interessen verschachern, ohne dass wir nachvollziehen können, was wir im Gegenzug bekommen? Vielleicht sind die am Ende alle erpresst oder gekauft? Warum wird mir nicht die Möglichkeit gegeben, das nachzuvollziehen? Ich dachte das wär hier eine Demokratie? War das ein Missverständnis? Geht es am Ende immer nur um Macht? Dann soll mir auch keiner übel nehmen, wenn ich Steine schmeiße.

  19. Tja, die bereiten wohl schon so langsam ihr Weltwährungsmonitoring als neue Waffe vor, damit sie nicht mehr in so dreckige Kriege ziehen müssen. Man kann ja auch mit paar faulen Krediten ein Land fertig machen. Hier paar Buchungen und da paar Kreditrisikoeinschätzungen, das ganze als Brief an Oma verkauft… zack wieder einen Staat übernommen. Die sind nicht dof die Amerikaner, alles kann man ihnen vorwerfen, aber keinesfalls Dummheit!

  20. Sähe denn das Abkommen wenigstens vor, dass die EU (oder deren Mitgliedsstaaten) auch Einsicht in alle US-Bankdaten bekommen würden? Wir brauchen das nämlich um … ääh für … ääh … naja irgendwas mit Terror halt.

  21. @23/sa7yr: Die EU ist keine Demokratie. Und zum Erpressen braucht man Druckmittel. Daher denke ich eher das eventuell einige Entscheider… Entscheidungshilfen bekamen, natürlich in bar.

    Aber immerhin zeigen die Politiker der entsprechenden Länder wie wertvoll eine Demokratie ist. Das Volk der Herrscher und es hat die totale Einsicht in alle wichtigen Dinge die das Volk direkt betreffen. Herrlich.

  22. auf die gefahr hin, mich mit der CSU gemein zu machen (schauder) ist das durchpauken des abkommens noch schnell bevor das parlament zustimmen muss ein ideales beispiel für die dringende notwendigkeit des so viel gescholtenen lissabon-vertrags. hätte sich die bekannten blockierer nicht so lange quer gestellt wäre der nämlich längst in kraft und das EU-parlament müsste zustimmen (nicht dass das notwendigerweise irgendwas verhindert hätte, aber die hürde wäre zumindest höher gewesen)

  23. Leute macht Druck beim Innenministerium! Das ist der entscheidende Punkt! http://bit.ly/4J918i
    Das Thema steht wirklich auf der Kippe, je mehr die FDP Rückendeckung bekommt und je mehr die Union merkt, dass die Öffentlichkeit ihr böses Spiel mitbekommt, umso größer sind unsere Chancen, dass die Sache ins EU-Parlament kommt und dann mit weiterem öffentlichen Druck zu Fall gebracht werden kann!

  24. Hat noch niemand bemerkt, dass die Scheiß Yankees nur immer ihre eigenen Interessen vertreten, in Kriege ziehen, wo es für sich lohnt, andere mit hineinziehen und alles unter dem Deckmäntelchen ihrer sog. Demokratie und Freiheit ? Hier werden gezielt nur einseitig wirtschaftl. und politische Interessen vertreten. Und wenn es jemand nicht paßt, wird es passend gemacht. Nichts anderes ist das SWIFT-Verfahren. Deshalb sind die Amis auch so beliebt in der Welt und bekommen des öfteren eines auf die Schnauze (siehe 2001) Es ist nur eine Frage der Zeit, wann so was wieder passiert. Die sollten endlich mal von ihrem hohen Roß herunterkommen, sonst werden sie irgendwann einmal so eine Pleite erleben, dass ich ihnen nicht helfen werde und sie ihrem Schicksal überlasse.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.