Schäubles Wunschliste? „Vorbereitung Koalitionspapier“ (Update)

Der Süddeutschen Zeitung ist eine Wunschliste aus dem Bundesinnenministerium für mögliche Koalitionsverhandlungen zugeschickt worden. Das „Vorbereitung Koalitionspapier“ enthält u.a. die folgenden Forderungen, die das Imazineblog zusammenfasst:

* Zugang des Verfassungsschutzes zu den Datensätzen der Vorratsdatenspeicherung
* Der Verfassungsschutz soll auch Online-Durchsuchungen durchführen dürfen
* Der Verfassungsschutz soll heimliche Späh- und Lauschangriffe auf Privatwohnungen durchführen dürfen
* Die Einführung des genetischen Fingerabdrucks als erkennungsdienstliche Standardmaßnahme
* Straffreiheit für verdeckte Ermittler, die Straftaten begehen, die zum szenetypischen Verhalten gehören

Das Ziel ist ganz klar: Der Verfassungsschutz soll immer mehr zur Polizei werden.

Das Bundesinnenministerium spielt erfahrungsgemäss das Papier herunter, wie die SZ berichtet:

Bruno Kahl, der Büroleiter von Minister Schäuble, erklärte auf Anfrage, es handele sich um ein Papier, das bisher nicht zur Leitungsebene des Hauses gelangt sei. Es gehe um eine Art Wunschzettel der Referate des Ministeriums am Ende der Legislaturperiode. Das Papier sei kein Koalitionsverhandlungs-Papier, sondern ein „Ministeriums-Internum“. Es sei nur im Auftrag von Referatsleitern aufgeschrieben worden, was man in der laufenden Legislaturperiode nicht geschafft habe, was also nun für die nächste Legislaturperiode noch auf dem Tisch liege.

Es ist gut möglich, dass mit einer gezielten Veröffentlichung des Papieres kurz vor der Wahl Verhandlungsmasse für Koalitionsverhandlungen mit der FDP geschaffen werden soll. Indem man einfach ein paar Forderungen stellt, die dann die FDP auf keinen Fall haben will, kann man durch geschicktes taktieren dafür sorgen, dass bestehendes gar nicht erst abgeschafft wird. Und alle glücklich aus den Koalitionsverhandlungen gehen. Wie man so hört, scheinen auch Einige ganz glücklich damit zu sein, was die Große Koalition in den letzten vier Jahren geschafft hat. Das werden auch andere Koalitionen nicht zurückbauen. Weitere vier Jahre Große Koalition bieten aber noch weitere Gelegenheit, an den Bürgerrechten Raubbau zu betreiben.

Im Falle einer weiteren großen Koalition kann man auf jeden Fall davon ausgehen, dass man von den Forderungen wieder hören wird.

Update: Die Taz hat das Papier gebloggt. Hier ist das PDF.

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28 Ergänzungen

  1. Alles klar, Leute? Wenn man sich die Rasanz der „Sicherheits“-Entwicklung anschaut, dann MUSS man übermorgen an der Wahlurne stehen und Zeichen setzen. Ich muss nicht wirklich sagen, wer hier nicht mehr ans Ruder darf. Muss ich doch nicht, oder?!

  2. Diese Wunschliste macht Angst. Da wird mir langsam aber sicher richtig unheimlich.

    Ich kann mich meinem Vorredner nur anschließen: die Union bzw. die Große Koalition muss abgewählt werden! Die Frage ist nur: wie? Die Meinungen sind da geteilt. Schaut mal hier:
    http://www.blogfuerst.de/2009/09/vds-burgerrechtler-wirbt-fur-cdufdp/

    Ich selber bin ja eher für die Wahl einer kleinen Partei (Grün, aus taktischen Gründen). Außerdem kann ich nur jedem dringend raten, die Erststimmenkampagne der Union zu unterlaufen: Wählt mit der Erststimme den Direktkandidaten der SPD. Direktmandate gehen nämlich entweder an Union oder SPD, die kleinen gehen bis auf seltenste Ausnahmen leer aus. Und die Union hofft auf viele Direktmandate, um so ihre Mehrheit über Überhangmandate zu sichern.

  3. Warum Verhandlungsmasse aufbauen? Die FDP fällt doch ohnehin um wie man in Sachsen gesehen hat. Und allerspätestens wenn man nochmal den Spitzensteuersatz senkt, stimmt die FDP allem zu.

  4. Der Verfassungsschutz ist von der CDU unterwandert und soll jetzt von dieser noch mehr rechte bekommen….
    Woher ich weiß, dass sie unterwandert sind? Ganz einfach: Die CDU wird von ihnen trotz mehrmaligen Verfassungsbrüchen und Plänen die Verfassung zu demontieren nicht beobachtet.

    Wenn schon nicht die NPD verboten wird, dann doch bitte die CDU.

  5. Das ließt sich ja wie die Büchse der Pandora … wir brauchen ein Wunder dass, das Innenministerium nach der Wahl wieder seinen Pflichten nachkommt und unsere Verfassung und die Bürgerrechte schützt.
    A propos „Straffreiheit für verdeckte Ermittler“ … da ist ja wirklich der Alptraum für jeden Bürger … dann können nämlich endlich die Agent Provokateur bei Demonstrationen so richtig in die Gewaltkiste greifen und endlich auch mal ein Molotov-Cocktail werfen … mir schaudert vor einer solchen Zukunft.
    Oder beim nächsten rechtsradikalen Aufmarsch können die V-Männer endlich ne richtige Menschenhatz veranstalten – alles nur „szenetypisch“.

    Fehlt nur noch, dass sich das Innenministerium in Ministerium für Staatssicherheit umbenennt.

  6. Was ich wirklich eklig finde, ist die Umschreibung „was man nicht geschafft“ habe.

    „Hey, auch wir, Schäuble und seine Freunde, können eine Demokratie nicht in einer Legislaturperiode komplett an die Wand klatschen.“

  7. naja, das passt ja genau zu den plänen der cdu, die brd sukzessive in eine wirtschaftsdiktatur zu verwandeln. zur „inoffiziellen“ geschichte dieser partei und zu ihren zielen habe ich vor einigen tagen ein dokument verfasst und auf meiner webseite http://www.ruhren.de veröffentlicht. wer lust hat, kann es sich ja mal anschauen. das dokument heißt: „politische reflexionen zur wahl“ und steht direkt auf der startseite. bis die tage, udo :-)

  8. ein ungeheuerliches papier! warum werden die verfassungsfeinde schäuble, schindler und co. nicht sofort aus dem innenministerium entfernt und wegen versuchter beseitigung der freiheitlichen demokratischen grundordnung verhaftet?!

    eines ist klar – am sonntag gilt es eine schwarz-gelbe mehrheit zu verhindern!

  9. Das ist schon dickes Ding, dass die Herren des Stasiministeriums da präsentieren. Auf ZDnet las ich dies heute auch.
    Auch interessant: Wikileaks berichtete in ähnlicher Richtung von einem internen Censorship Paper über Sperrlisten von Lycos Deutschland. Seiten wie z. B. über Themen zu Entlassungen und Arbeitsrecht allgemein sollen gesperrt worden sein ( wohl eher Blogeinträge u. ä. ) Da scheint wohl noch mehr zu kommen als nur KiPo und Filesharing….

    Am Sonntag wird meine Stimme den Piraten gehören – auch wenn’s Steini, Angie und UvdL, Zypris und Westerwelle nicht passt. Diese Angstprediger bekommen meine Stimme nicht.

    Deren System gehört klar abgewählt. Basta.

  10. Jetzt geht Schäuble wirklich zu weit! Ich habe mich nun dazu entschlossen die Piratenpartei zu wählen, denn langsam reicht es…

  11. Kriegt die taz nicht ziemlichen Ärger, wenn sie so etwas öffentlich macht? Normalerweise macht das doch kein Medium, spricht doch dafür, dass die grünen gezielt versuchen über ihr parteiorgan die CDU anzuschießen

    1. @Frenzel: Warum sollte die Taz Ärger bekommen? Vielmehr ist es doch lobenswert, wenn Journalisten endlich mal Original-Quellen für alle sichtbar machen.

  12. Ich weiß nicht, wie gut die Kenntnisse von Arbeitsabläufen in Ministerien hier ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass selbst in kleinen Landesministerien viele Dinge laufen, von denen die jeweilige Hausleitung nicht den blassesten Schimmer hat. Wenn sich dann die zuständigen Referenten und Führungskräfte unterhalb der politischen Ebene geeinigt haben, wird das Papier nach oben gespielt. In der Regel ist es dann auf eine Weise formuliert, welche die Entscheidung des Ministers schon stark in eine Richtung beeinflusst. Wird so ein Papier dann von interessierten Personen vorzeitig nach außen durchgestochen, kann man zum Teil sogar wirklich davon ausgehen, dass der Minister davon nix wusste.
    Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich traue Schäuble so ziemlich jede Schweinerei zu, aber dennoch ist seine Erklärung nicht unglaubwürdig.
    Für mich illustriert der Wunschzettel eher das Problem, dass man in Ministerien jede Menge Leute finden kann, die ihre eigene Vorstellung davon haben, wie die Dinge richtig zu laufen haben. Und da diese Personen gleichzeitig in der Regel wichtige Zuarbeiter der politischen Ebene sind, wirkt sich das zwangsläufig auch auf die Politik der jeweiligen Amtsträger aus. Einem gut aufgestellten Abteilungsleiter ist es egal, wer unter ihm Minister ist.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.