Rücknahme von Zensursula-Gesetz theoretisch möglich?

Die Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt über die Frage, ob die FDP in den Koalitionsverhandlungen die Rücknahme des Zensursula-Gesetz durchsetzen kann: Keine Einwände gegen Internetsperren. Allerdings sieht die FAZ keine Chancen. Zwar gibt es die theoretische Möglichkeit, aber für eine Rücknahme oder Verbesserung sei es schon zu spät.

„Ministerien sind verpflichtet, beschlossene Gesetze weiterzureichen“, sagte Anna Leisner-Egensperger, Lehrstuhlinhaberin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Sonst würde die Verwaltung das Parlament blockieren können.“ Zwar lässt der verfassungsrechtliche Grundsatz der „Diskontinuität“ Gesetzesvorhaben verfallen, wenn sich ein neuer Bundestag gebildet hat. Das neue Parlament soll nämlich nicht mit der liegengebliebenen Arbeit des Vorgängers belastet werden. „Das betrifft jedoch nur Gesetzesvorlagen“, sagte die Staatsrechtlerin Leisner-Egensperger. In diesem Falle allerdings ist das Beschlussverfahren schon abgeschlossen. Das Ministerium ist also demnach lediglich ein notwendiger Bote auf dem Weg zum Staatsoberhaupt.

Abgesehen davon gibt es einen zweiten Punkt, den man beachten sollte: Die großen Provider haben in den letzten Monaten schon massiv in die Zensurinfrastruktur investiert, die in den kommenden Tagen womöglich auf Basis der Verträge mit der Bundesregierung eingesetzt wird. Diese Maschine rollt.

Trotzdem: Schön wäre es. Ansonsten warten wir auf das Bundesverfassungsgericht.

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21 Ergänzungen

  1. Dann wartet man halt, bis das Ganze in Kraft tritt und macht eben nicht jetzt, sondern 3 Monate später damit Schluss.
    Genau das kann man doch in den Koalitionvertrag reinschreiben? Heißt ja nicht, dass alles, was dort steht, am 9. November beschlossen wird.
    Komische Argumentation von der FAZ.
    Die FDP hat schon alle Macht, das Gesetz zu kippen. Wird sich nur zeigen, was ihr wichtiger ist: Senkung des Spitzensteuersatzes/Erbschaftssteuer oder die Reparatur der Demokratie.
    Hoffen wir das Letztere.

  2. Ich habe die Befürchtung, dass das Bundesverfassungsgericht auch hier wieder eingreifen muss – und zudem befürchte ich, dass das Rumreißen des Ruders durch das BVG auf Dauer nicht gut gehen wird. Irgendwann kriegen sie die auch noch…

    captcha
    :it’s harthill:

  3. Wo ist das Gesetz noch? ist es noch in Brüssel oder bei Köhler. Ist es in Wirschaftsministerium, wäre es doch möglich das es auf grund dieses Gesetzes verfällt. Das sehe ich so nach den kurzen Überfliegen. Ist es bei Köhler sieht die sache anders aus. Dann kann der das Verfassungsgericht anrufen. Unterschrieben ist es eh noch nicht.

    Bis dann
    LG von Richter169

    1. @Richter 169 (3):
      Nein. Der Sinn der Diskontinuität ist – wie oben im Zitat zu lesen – dass ein neuer Bundestag nicht noch Restarbeit des vorhergehenden abwickeln muss. Mit dem Beschluss in der dritten Lesung ist der Gesetzentwurf aber komplett durch den Bundestag; das Parlament hat mit dem weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens nichts mehr zu tun. Es ist also völlig egal, ob das Ding gerade im BMWi, in Brüssel oder beim BP liegt – entscheidend ist allein, dass der BT seinen Anteil am gesamten Verfahren zuende gebracht hat.

  4. Wenn die FDP das Gesetz zurückziehen will und das in den Koalitionsvertrag schreibt, wäre eine erneute Abstimmung des Bundestags das Weg zum Ziel. Der kann ohne weiteres Gesetze zurücknehmen.

    Das wird die FDP aber nicht durchsetzen können – hieße es doch, dass die CDU-Abgeordneten gegen ihr eigenes Gesetz stimmen müssten.

  5. Wie unser (Ex-)Innenminister schon anmerkte, gibt es kein Gesetz, das man nicht ändern könnte. Insofern denke/hoffe ich, dass – sollte die FDP sich durchsetzen – das Zensur-Gesetz einfach durch einen neuen Beschluss des Bundestages aufgehoben wird. Das dürfte in diesem Fall doch der einfachste Weg sein, oder?

    Aber um ehrlich zu sein, stelle ich mich auch auf eine neue durch »Karlsruhe Tours« u.A. organisierte Reise zum BVerfG ein.

    Grüße,
    Drizzt

  6. Ich bitte um Unterstützung: Im Rahmen meiner Diplomarbeit an der Fachhochschule Wien führe ich eine Umfrage über den Online-Wahlkampf der deutschen Parteien vor der Bundestagswahl 2009 durch. Hier der Link zum Online-Fragebogen: http://www.unipark.de/uc/UNIQUE_alexander_lehner/673f/
    Die Beantwortung der Fragen wird in etwa 10 Minuten in Anspruch nehmen. Die Angaben werden absolut vertraulich und anonym behandelt. Danke für Ihre Teilnahme!

  7. @ Thorsten (5) Wir spekulieren heftig: Ich kann mir auch nicht so einfach vorstellen, dass die Unionsfraktion gegen ihr eigenes Gesetz stimmt, andererseits wäre zum Beispiel ein Handel nach dem Motto Lauschangriff gegen Aufhebung Netzsperren denkbar. Wer weiß…
    Eine Koalitionsarbeitsgruppe könnte auch einen Kompromiß erarbeiten, der das Gesetz an sich bestehen läßt, aber die von Schäuble erwähnten „handwerklichen Fehler“ beseitigt, also z. B. einen Richtervorbehalt einfügt.
    Ich bin gespannt!

  8. Die FDP hat ihre Wählerstimmen für Ihre Kontra-Haltung bekommen. Der Rest wird ihr jetzt ziemlich wurscht sein und diese Anti-Haltung wird lediglich als Verhandlungsmasse benutzt werden. Mehr Geld den \Leistungsträgern\ (Reichen) und mehr Rechte den Unternehmern (auf Kosten der Arbeitnehmer)…

    Prima hinbekommen, Jungs!

  9. Die FDP-Bürgerrechtler werden aus ihrer Arbeitsgruppe die Signale „no go“ an die FDP-Spitze senden. Sprich wenn Merkel und Co. nicht auf höchster Ebene anordnen, dass die Union bei den Bürgerrechten nachzugeben habe, dann wird es keine bürgerliche Koalition geben. Nur mal so zur Info.

    1. wo hast du das denn her ? Die FDP wird wohl nicht die Koalition wegen solch einer „Lappalie“ platzen lassen. Dafür sind die doch auch viel zu machtgeil. Das Ganze wird unter „Wir konnten uns in den Koalitionsverhandlungen leider nicht durchsetzen, aber…“ abgehakt.

  10. Ich glaube kaum,dass es zu einer Rücknahme kommen wird.
    Vielleicht kann die FDP zumindest für die nächsten 4 Jahre eine Ausweitung der Sperrungen verhindern und für mehr Kontrolle des BKA sorgen.
    Mehr traue ich denen in dieser Koalition aber leider nicht zu.

  11. Eine Frage: in was sollen die angeblich massiven Investitionen denn geflossen sein? In einem DNS-Server beispielsweise 1000 falsche Einträge zu cachen, sollte nicht einmal 1MB an Speicher verbrauchen. Zusätzlicher Resourcenbedarf ist für mich nicht sichtbar.

  12. @markus: ich weis – ich halte es aber für eine grandiose Übertreibung, deshalb würde ich mich für die einzelnen Posten interessieren.

    Bei der zu erwarteten Größe der Listen von sagen wir mal bis zu 5000 Einträgen wird bei einem normalen DNS-Server weder der Speicherverbrauch noch der Performanceverlust nennenswert ins Gewicht fallen. Laut bind9-Source benötigt ein einzelner Cache-Eintrag geschätzte 256 Bytes.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.