Protokoll der „Arbeitsgruppe Access Blocking“

Am Freitag hat sich im Bundesfamilienministerium die „Arbeitsgruppe Access Blocking“ getroffen, um Möglichkeiten der Internet-Zensur in Deutschland zu diskutieren. Alvar Freude hat von einem Teilnehmer ein Protokoll zugeschickt bekommen:

Am Freitag hat im Bundesfamilienministerium wieder die „Arbeitsgruppe ‚Access Blocking'“ getagt. Auf der Agenda stand die Diskussion über den Entwurf einer „freiwilligen“ Vereinbarung, den das BMFSFJ am Mittwoch Abend verteilt hatte und der am Freitag vom CCC veröffentlicht wurde (und übrigens a) als Entwurf und b) nicht als vertraulich gekennzeichnet war).

Als Providervertreter zu Beginn des Termins den potenziellen Eingriff in das Grundrecht des Telekommunikationsheimnisses ansprachen, versuchte die in der AG federführende Vertreterin des BMFSFJ, Frau Dr. Annette Niederfranke, eine entsprechende Diskussion zu unterbinden, was die Provider ablehnten. Der Vertreter des Referats Grundsatzfragen des Bundesministeriums des Inneren vertrat die Rechtsauffassung, dass der Abruf von Webseiten generell nicht dem Grundrecht des Telekommunikationsheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes unterliege. Demzufolge sei auch § 88 TKG nicht einschlägig. Anwesende bezeichneten diese Ausführungen als „unterirdisch“.

Als Ergebnis erteilte die Arbeitsgruppe dem BMI den Auftrag, ein Gutachten zu erstellen, das sowohl einen möglichen Eingriff in das TK-Geheimnis durch entsprechende Maßnahmen als auch dessen Abdingabrkeit durch AGB-Änderungen evaluieren soll.

In der anschließenden Diskussion äußerten die Provider Kritik an nahezu allen Punkten des vorliegenden Vertragsentwurfs. Besonders kritisch wurde der Vorschlag angesehen, Mittels einer AGB-Änderung das Telekommunikationsgeheimnis einzuschränken (gleichzeitig wunderten sich Provider, warum denn eine solche Regelung notwendig sei, wenn doch laut BMI das Fernmeldegeheimnis nicht berührt sei…). Als weiteres Problem in diesem Zusammenhang wurde angesprochen, dass eine AGB-Änderung für Bestandskunden zustimmungspflichtig wäre. Im Falle eines Widerspruchs müssten die Provider entweder für beide Kundengruppen getrennte DNS-Infrastrukturen vorhalten, oder aber die „widerspenstigen“ Kunden kündigen – eine Variante, für die sich nur Vodafone klar aussprach.

Schließlich wurde heftig über den geplanten „Stopp-Server“ diskutiert. Auf diesen Web-Server sollen per DNS-Umleitung alle Anfragen umgeleitet werden, die auf Domains, die Bestandteil der „Sperrliste“ des BKA sind, zielen. Die Provider würden diesen Server am liebsten beim Bundeskriminalamt sehen, das in jedem Fall für die inhaltliche Gestaltung verantwortlich sein soll. Das BKA sieht hierbei jedoch ein „Akzeptanzproblem“: Das Amt möchte explizit keine Logfiles (und damit Referrer oder IP-Adressen von Nutzern) speichern (und gäbe damit natürlich eine Möglichkeit zur Täterermittlung und Strafverfolgung aus der Hand). Nun wird nach einem „vertrauenswürdigen Dritten“ gesucht, der eine solche Seite betreuen könnte. Vodafone beteiligte sich an der Diskussion nicht, wollte sich aber die Möglichkeit von „individuellen Zusatzvereinbarungen“ zu einem entsprechenden Vertrag offen halten.

Aufgrund der Vielzahl der geäußerten Bedenken bat das BMFSFJ die Provider, nun den Vertragsentwurf in einer eigenen Arbeitsgruppe bis kommenden Donnerstag zu überarbeiten und dann mit einem neuen Entwurf in das nächste Meeting der AG Access Blocking am kommenden Freitag, 20.02. zu gehen.

Alvar berichtet auch, dass von Providerseite nur Vodafone / Arcor ein Befürworter der Filter-Massnahmen ist:

Vodafone/Arcor ist (nach meinem Kenntnisstand) der einzige Provider, der die Pläne von Ursula von der Leyen offen unterstützt – nach entsprechenden Berichten hat sich deren Direktor Unternehmenskommunikation und Politik Thomas Ellerbeck für die Pläne aus dem Familienmonisterium eingesetzt. Dabei ist interessant, dass er durchaus mit der Politik verdrahtet ist – als ehemaliger Leiter der Pressestelle der Staatskanzlei von Mecklenburg-Vorpommern und stellvertrenender Sprecher von Roman Herzog gibt es hier sicherlich diverse Kontakte.

Vielleicht liegt der Einsatz für Filter bei Vodafone aber auch daran, dass man den in Großbritannien genutzten Filter weiterverkaufen möchte? In Tschechien ist er schon im Einsatz: dort filtert Vodafone das, was sie als Kinderpornografie ansehen. Wieso aber nicht nur vollkommen unverdächtige Technik-Webseiten und Tipps wie Studenten bei Vodafone Geld sparen können auf den Sperrlichen landet, das bleibt wohl das Geheimnis von Vodafone …

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24 Ergänzungen

  1. Danke für das Protokoll. So kommt etwas Leben und Licht in die „anonymen“ Treffen. Das was man in den Massenmedienließt ist ja eher lächerlich.

  2. Sehr interessant das Vodafone so ganz alleine dasteht, die Verbindung in die Politik ist recht offensichtlich, sowie die Eigeninteressen… unliebsame Inhalte zu sperren. Ich wußte gar nicht das Vodafone so zu PR-GAUe neigt. ;O)

    1. Vodafone/Arcor – die kennt man doch schon als Netzsperrer – man erinnere sich an die Geschichte mit Youp***.

  3. Ich finde es eine sehr gute Entwicklung das solche Protokolle an die Öffentlichkeit gelangen. Bitte immer weiter so, es kann nicht gut sein wenn in einer Demokratie Entscheidungen hinter verschlossenen Türen gefällt werden.
    Die Politiker müssen lernen das sich die Welt ändert. Plötzlich zählen die Politiker Meinungen nicht mehr viel, weil sich jeder Bürger selbst informieren und eine eigene Meinung bilden kann.
    Auf Dauer wird es zu mehr direkter Einbindung der Bevölkerung kommen müssen wenn die Politiker keinen Aufstand provozieren wollen.
    Sehr begrüßenswert. Danke.

  4. Vodafone/Arcor = pro Zensur

    Ich hoffe die widerspenstigen Kunden warten nicht bis sie rausgeworfen werden sonder verlassen diesen Mistladen sofort!

  5. Man könnte denken, dass Frau von der Leyen nicht aus Niedersachsen kommt (Tochter des früheren Ministerpräsidenten Albrecht, früher Sprengel), sondern direkt und ohne fast 20-jährige Pause aus der DDR. Das Verhältnis dieses Ministeriums zu der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ der BRD und zu deren Grundgesetz ist genauso gestört wie das des Innenministeriums. Deutschland wäre dann nicht besser als China, über dessen Medien- und Informationspolitik im vergangenen Jahr die deutsche Presse Krokodilstränen verloren hat. Wo sind Spiegel, Stern, Zeit, Süddeutsche und so weiter?
    Es ist interessant, dass ein solcher Eingriff insgeheim mit den technisch für die Informationsvermittlung verantwortlichen Firmen diskutiert wird und nicht in der Öffentlichkeit.
    Diese Politiker sind lichtscheues Gesindel und gehören öffentlich gebrandmarkt und abgewählt.

  6. Hinter verschlossenen Türen… war ja mal wieder klar. Ich denke, dass wir heute in einer Zeit angekommen sind, in der man das Demokratieprinzip neu entdecken sollte. Ich denke da an liveübertragene(als text im Inet) Bundestags-, -rats- und sonstige politische Sitzungen, in denen die „Zuschauer“ den Politikern im Nachhinein ihre Fragen und Meinungen zukommenlassen können… Technisch möglich wärs auf jeden Fall und sicherheitstechnisch vermutlich unbedenklich. Außerdem würde es Kritikern erleichtern vernünftige Gegenargumente zu formulieren und insgesamt die Demokratie fördern…

    Gibt es eigentlich eine Liste, welche Provider anwesend waren?

  7. Ich vertehe das technisch nicht, gibt es dann einen Zwang den Anbieter-DNS zu nutzen? Und wenn ja, was ist dann mit anderen DNS-basierten Diensten wie den AntiSpam Blacklists, gehen Anfragen dahin dann nichtmehr?

    Jan

    1. du weißt doch, wie reißen uns doch alle nur den Arsch auf, damit das gro der Bevölkerung noch halbwegs seine Rechte zugesichert bekommt. Nen DNS Zwang gibbets bestimmt nicht.
      Also wird es eigentlich kein Problem sein das zu umgehen.

      Alle, die das Theme Internetsperren kritisch betrachten kommen doch auch in China an alle Inhalte ran.
      Der ganze Scheiß ist Symbolpolitik von Politikern, die keinen Schimmer haben und damit vermutlich bei einen Großteil der Bevölkerung Punkte sammeln können, weil die ebenfalls keinen Schimmer haben.
      Da hilft eigentlich nur Aufklärung, damit diese Ignoranz unsere Demokratie nicht kaputt macht.

      Ansonsten würd ich die einfach ihre Porno-Liste implementieren lassen, da gibts dann bestimmt ne Sicherheitslücke und dann fügt man da einfach mal die Seite von Amnesty-International dazu und von ein paar Oppositionsparteien und geht dann damit an die Presse. Das sollte nen ordentlichen Aufschrei geben und das ganze Projekt vom Tisch fegen.

  8. ich brauche mal hillfe ich habe ein neues hendy aber ich brauche denn netzsperre cood weiß benn jemand ich weiß denn leider nicht der mir hilft denn kann ich auch immer helfen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.