Netzpolitische Fragen an die designierten EU-Kommissare?

Im Januar wird die neue EU-Kommission gewählt. Vorher laufen die Anhörungen in den Ausschüssen, die vom Europäischen Parlament dazu genutzt werden, die Kandidaten auf den Prüfstand zu stellen. Leider müssen die Fragen dafür vorher schriftlich eingereicht werden. Nächste Woche entscheiden die Ausschüsse über ihre Fragen.

Für unsere Themengebiete sind folgende Kommissionsposten interessant:

  • Michel Barnier: Binnenmarkt und Dienstleistungen
  • Neelie Kroes: Digitale Agenda
  • Viviane Reding: Justiz, Grundrechte und EU-Bürgerschaft
  • Cecilia Malmström: Inneres
  • John Dalli: Gesundheit und Verbraucherschutz
  • Maire GeogheganQuinn: Forschung und Innovation
  • Androulla Vassilou: Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend.

Jetzt die Frage an euch:

Welche Fragen habt ihr an die neue Kommission?

Man könnte z.B. Viviane Reding fragen, wie sie sicherstellen will, dass bei der Sanktionierung von Urheberrechtsverletzungen keine Grundrechte beschnitten werden. Oder man fragt Nellie Kroes, wie sie sich für freie und offene Standards und Software einsetzen will. Oder man fragt Maire GeogheganQuinn, wie sie sicherstellen will, dass Forschungsgelder der EU nicht für grundrechtsbeschränkende „Sicherheits“-Forschung ausgegeben werden. Und so weiter. Je präziser, desto besser, und wenn man die Frage kurz mit Verweis auf bestehende Rechtsakte, Ausgaben, Präzedenzfälle oder ähnliches einleitet, ist das auch immer sehr hilfreich.

Stellt die Fragen hier in den Kommentaren oder schickt uns hierher einen Trackback. Wir werden dann gemeinsam mit EDRi, wo gerade intern auch an einer solchen Frageliste gearbeitet wird, dafür sorgen, dass sie Anfang der Woche ins EP eingespeist werden.

Disclaimer: Ich arbeite als Assistent des grünen Abgeordneten Jan Philipp Albrecht im EP und werde diese Funktion natürlich auch dafür nutzen, dass die Fragen auch ankommen.

Update: Bitte schreibt falls möglich auch dazu, an welchen Kandidat / welche Kandidatin die Frage gestellt werden soll. Und bitte bitte unterlasst wenigstens hier mal ein allgemeines EU-Bashing. Dieses Blog ist eh nicht wirklich der richtige Ort dafür (hier geht es um Netzpolitik, nicht um politische Institutionenlehre), und euer konstruktiver Input ist leichter zu handlen, wenn ich mich nicht durch tonnenweise Kommentare von Euroskeptikern und Lobbyyistenfeinden durchwühlen muss. Vieles davon ist ja richtig, aber es hilft uns hier gerade nicht weiter. Danke!

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19 Ergänzungen

  1. Wird die Kommission bei den Verhandlungen zu ACTA strikt dabei bleiben, dass nichts vereinbart wird, was über den Acquis hinausgeht? Das noch nicht in Kraft getretene Telecoms Package mit eingeschlossen?

  2. EU-Kommisare? Etwa die von der EU-Kommision? Etwa die die unsere Daten für lau an die USA verteilen und diese dann an die ganze Welt?

    Fragen stellen schön und gut, aber ich denke ganz ehrlich das die Politiker das tun was sie sonst auch tun: Sie werden den Bürgern direkt ins Gesicht lügen.

    Ich persönlich habe keine Erwartungen (mehr) an die EU und alles was dazu gehört. Solange von den Lobbys zuviel Geld kommt wird sich erstmal nix ändern, leider.

  3. Netzneutralität: Durch welche aktuelle Entwicklung sehen Sie die Netzneutralität am meisten gefährdet und was werden Sie dagegen unternehmen?

  4. Mich interessiert welche Pläne N. Kroes hat eine „Digitale Unabhängigkeit“ Europas herzustellen, strategische Abhängigkeiten europäischer Verbraucher und Betriebe von Software und Standards zu überwinden und bessere Interoperabilität durchzusetzen.

  5. Frage an Viviane Reding: Justiz, Grundrechte und EU-Bürgerschaft

    Sind die Grundrechte der EU-Bürger weniger wert als ein gutes Verhältnis zu den USA?

    Sind die Grundrechte der EU-Bürger weniger wert als die Interessen von Verwertungsgesellschaften?

    Wie stehen Sie zu dem Problem das immer neue Gesetze insbesondere gegen Filesharer OHNE Richterbeschluss auskommen sollen?

  6. Die Frage müßte wahrscheinlich an John Dalli gehen:

    Was ist davon zu halten, den Verkauf von süchtigmachenden Tabakprodukten innerhalb der EU zu verbieten? Eine Problemquelle in der Nichtraucherschutzdebatte scheint die Abhängigkeit der Zigarettenraucher zu sein. Wenn weiter geraucht würde, die Zigaretten aber nicht mehr süchtig machen würden, könnte evtl. die Brisanz des Rauchens in Gaststätten abnehmen, weil dort der Konsum zurückgehen könnte.

    Zugegeben, sehr konjunktiv.

    An Androulla Vassilou:

    Was halten Sie von der Idee, als Beitrag zur Lernmittelfreiheit, Bildungseinrichtungen (z.B. Hochschulen) dazu anzuhalten, Lehrmaterial, in erster Linie Literatur, in digitaler Form zu erstellen, aktuell zu halten und allen Bildungseinrichtungen sowie Lernenden (unabhängig voneinander) unter einer CC-Lizenz (oder ähnlichem) kostenfrei zur Verfügung zu stellen? Vielleicht sogar online, sodaß jeder Zugang zu Fachliteratur hat. Diese Literatur könnte man parallel dazu in Papierform (ordentliche Bücher) zum Kauf anbieten.

    Zweite Frage: Was halten Sie davon, wissenschaftliche Publikationen, jedem kostenfrei zugänglich zu machen (Open Access)?

  7. Viviane Reding:
    Gibt es eine Möglichkeit, die Verwendung biometrischer Ausweispapiere zu verweigern (zu umgehen, zu vermeiden)?

    Wie stellt sich die EU zur verdachtsunabhängigen Vorratsdatenerfassung? Welche Rechtsmittel für Bürger sind vorgesehen?

    Gibt es konkrete Pläne für Regelungen analog zu Three-Strikes? Falls ja, beinhalten diese Pläne einen Richtervorbehalt?

    Gibt es direkt bei der EU einen Petitionsausschuss (ePetitionen), unabhängig vom jeweiligen EU-Abgeordneten?

    Kostenfreien und zeitnahen Zugang zu Publikationen finde ich auch wichtig.

    Ich wünsche mir ausserdem von der EU, dass ich Informationen leichter finde, nicht alles hinter Kürzeln wie GASP versteckt wird, man nicht alle .pdfs aufmachen muss, um den Inhalt zu erfahren. Eine aussagefähige Betreffzeile in UTF-8 wäre toll (hab ich Jan-Philipp schon mit genervt, wüsste aber gerne, wer denn für so’n Kram wirklich zuständig ist).

  8. Viviane Reding bekommt ja die ehemaligen Aufgaben der Kommissarin for Kommunikation, Margot Wallström.

    Eine Frage an sie wäre daher, ob und wie sie vorhat, die Transparenz und Zugänglichkeit der Institutionen (zunächst mal der Kommission) durch alle Portfolios hindurch voranzutreiben, nicht zuletzt durch Web 2.0 Strategien und eine stärkere Öffnung der Institutionen nach außen (etwa indem man Mitarbeiter/innen der Kommission ermuntert im Web 2.0 – durch Blogs, Twitter etc. – aktiv zu interagieren).

    Die EU Institutionen kranken meiner Ansicht nach daran, dass man das Gefühl hat, dass niemand weiß, was in ihrem Inneren vorgeht und dass sich drinnen niemand darum kümmert, was außerhalb passiert, und Redings Aufgabe, in Fortsetzung ihrer nur mäßig erfolgreichen Vorgängerin, müsste sein, hier im Rahmen ihres Portfolios zum Wandel beizutragen.

    Bislang habe ich nämlich das Gefühl, dass „Digitale Agenda“ vor allem die Nutzung von IKT für Wirtschaftswachstum im Blick hat, was eine ziemlich enge Sicht wäre.

    Julien Frisch, Euroblogger und Redakteur der Euroblogplattform Bloggingportal.eu

  9. an Androulla Vassilou
    thema eSports:
    Wie ist Ihre Einstellung zum eSports? Was halten sie von dem Verbot sogenannter „Killerspiele“? Denken Sie die EU könnte dort Richtlinien schaffen, die einen offeneren Umgang mit diesem Thema erlauben/ermöglichen?

    eSports gehört zweifellos zur Jugendkultur, was gedenken sie für diese Szene zu tun?

  10. An Androulla Vassilou:

    Haben Sie vor, Bildung weiterhin unter das Primat der „Bildung für die Wirtschaft“ zu stellen (damit meine ich den aktuellen Fokus auf Wettbewerb, Produktivität und Mobilität sowie eine weitere Beschleunigung, Standardisierung und Spezialisierung der Ausbildung) oder soll auch wieder die „Bildung für die Menschlichkeit“ wichtig werden (damit meine ich einen veränderten Fokus auf Nachdenklichkeit, gesellschaftliche Verantwortung und Nachhaltigkeit, einhergehend mit einer Entschleunigung zur Verbesserung echter Kreativität und Schaffung lebenswerter humanistischer Gedankenwelten) ?

    Welche konkreten Schritte planen Sie zur
    Umsetzung der Antwort auf die obige Frage ?

    John Dalli: Die EU verbessert den Verbraucherschutz immer mehr. Die andere Seite des Verbraucherschutzes ist aber die Bevormundung. Wie denken Sie über einen Verbraucherschutz nach dem Modell „Transparenz“, der dem Bürger Informationen über mögliche Gefahren gibt, ohne ihm durch Verbote von Produkten die individuelle Wahlmöglichkeit zu nehmen ?

    Neelie Kroes: Viele Entscheidungen der EU zur digitalen Agenda lassen Fachleute befürchten, daß auf Arbeitsebene kein ausreichendes Verständnis für die echten Chancen, Möglichkeiten und Gefahren der digitalen Technologie vorliegt. (Bsp: Cookie-Regulierung, Software-Patente, Datenweitergabe usw.) Wie wollen Sie die offenkundigen fachlichen Defizite in Ihrer Behörde verbessern ?

    Der digitale Bereich wird zwar zunehmend reguliert, entwickelt sich aber trotzdem (oder deshalb ?) mehr und mehr zu einer Bürgerrechts- und Grundrechtsfreien Zone. Wie wollen Sie die in der EU verlorengegangenen digitalen Bürgerrechte wieder einführen ?

    Und last but not least @Ralf: Super, daß Du das machst. GOOD Work. Aber: Glaubst Du wirklich, daß es auch nur eine einzige wirklich wichtge Frage bis zu den Politikern schafft? Glaubst Du wirklich, daß Du durch Deine politische Arbeit (Mitarbeit bei einem grünen Abgeordneten) auch nur ein Ding änderst?

  11. @ Michel Barnier: Binnenmarkt und Dienstleistungen

    Wieso ist ein Gemeinschaftspatent angedacht aber keine vorherige Harmonisierung des materiellen Patentrecht in Europa durch EU-Gesetzgebung? Wie kann der Gesetzgeber die Missbräuche beim Europäischen Patentamt abstellen und kontrollieren, wenn er keine legislative Korrektur kann und das Europäische Patentamt ausserhalb des EU-Rechtsrahmens steht?

    @ Reding:
    Wie wehren sie in ihrem Ressort eine Beeinflussung durch Akteure aus Drittstaaten ab, die sich in die inneren Angelegenheiten der Europäischen Union einmischen?

  12. Themen: Vorratsdatenspeicherung, Geistiges Eigentum, Initiativrecht

    @Barnier (evtl. auch Malström):
    Sind sie gewillt, die Kompetenz der Europäischen Union für Rechtsakte zur Verwirklichung des Binnenmarktes (Art. 114 AEUV; ex-Art. 95 EG) darauf zu stützen, dass Unterschiede zwischen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten geeignet sind, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen oder Wettbewerbsverzerrungen zu verursachen und sich auf diese Weise unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts auszuwirken, sofern diese Unterschiede daraus resultieren, dass einzelne Mitgliedstaaten beim Schutz von Grundrechten (etwa Schutz personenbezogener Daten, vgl. Art. 8 Abs. 1 EU-Grundrechtscharta) ein besonders hohes Niveau gewährleisten?

    Hintergrund: Auffassung der Kommission in EuGH, 10.02.2009. C-301/06, Irland/Rat – Vorratsdatenspeicherung, RdNr. 40 sowie EwG. 5 und 6 der RL 2006/24 (VorratsdatenspeicherungsRL)

    @Kroes, Reding, Malström:
    Befürworten Sie den Erlass von Rechtsakten zur Angleichung strafrechtlicher Sanktionen auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts (vgl. Art. 83 Abs. 2 AEUV)?

    @Kroes, Reding, Malmström:
    Welche Schritte gedenkt die Kommission zu unternehmen, um Nutzer von Rechten des geistigen Eigentums künftig weitergehend zu schützen? Wird die Kommission auch in Zukunft Regelungen unterstützen, die einseitig nur ein höheres Schutzniveau für Rechteinhaber zulassen (vgl. Art. 2 Abs. 1 RL 2004/48 (Enforcement-RL))?

    @Reding:
    Welche sekundärrechtlichen Regelungen sind für eine Ausgestaltung des Initiativrechts der Unionsbürger gemäß Art. 11 Abs. 4 EUV geplant? Wie soll eine möglichst breite Beteiligung an der Inanspruchnahme dieses Rechts sichergestellt werden?

  13. Digitale Agenda, Neelie Kroes:
    Wie soll IP.v6 und Recht auf Anonymität im Netz, sprich Datenschutz, realisiert werden ?
    Der Umstieg ist zwingend, bereits jetzt eher zu spät.
    Die eindeutige Nummernzuordnung das Ende jeder Privatheit im Netz.
    Einfach verbieten geht nicht.

    An die Netzpolitik.org Gemeinde: Gute Ideen sind gefragt, reichen die Ansätze zum „privacy enhancen“ ?

  14. @Androulla Vassilou: Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend.

    Was kann von der Kommission unternommen werden, damit eParticipationsplattformen in allen Arbeitssprachen zur Verfügung stehen. Gibt es Untersuchungen zur sprachlichen Verfügbarkeit von elektronischen Plattformen der EU?

  15. @ Ralf, Re 10, 11:

    Ok. Muß ich als Deine Antwort so akzeptieren. Auch wenn ich selber mittlerweile überzeugt bin, daß alle diese Maßnahmen (Fragestunde, Anhörungen, Parlament) nur als Turnhalle dienen, in dem politisch Aktive sich auslaufen und sich die Hörner abstoßen können.

  16. @Name (pflicht)

    Stimmt nicht. Dort laufen viele politisch aktive eben nicht. Das ist genau das Problem. Man kann sehr viel erreichen, man muss es nur tun.

    Nehmen wir mal deine Frage:
    „Neelie Kroes: Viele Entscheidungen der EU zur digitalen Agenda lassen Fachleute befürchten, daß auf Arbeitsebene kein ausreichendes Verständnis…vorliegt. … Wie wollen Sie die offenkundigen fachlichen Defizite in Ihrer Behörde verbessern ?“

    So etwas ist nicht nur peinlich, sondern es hat auch keinen Erfolg. Du hast einen Dissenz in der Sache, und fragst: Was tun sie gegen die Dummheit ihrer Beamten? Das kann man sich auch sparen.

    Das Problem ist nicht ein Mangel an Anhörungen, sondern ein zu viel der Anhörungen. Die EU-Kommission sollte vielleicht einmal ihre Anhörungen dezentralisieren, damit da auch ein paar normale Menschen vorbei schauen.

    Überhaupt finde ich versagen die EU-Informationszentren, auch in Deutschland. Die halten die Bürger eher von Europa ab, statt Deliberation zu beflügeln. Meiner Ansicht nach sollte es zu jedem Gesetzgebungsverfahren der EU auch eine Anhörung hier in Deutschland geben. Das könnten die EU-Informationszentren logistisch leisten, wenn die nicht total nutzlose Aufgaben erfüllen würden.

  17. Da man die Fragen vorher einreichen muss, haben die Befragten leider im Vorfeld ausreichend Zeit, sich die üblichen, nichtssagenden Textbaustein-Antwort-Sprechblasen zurechtzulegen. Mit solchen Fragen müsste man die Herrschaften mal völlig unvorbereitet konfrontieren können, das wäre mal was.

    Ich gehe auch kaum davon aus, dass unbequeme Fragen wirklich zufriedenstellend und ehrlich (wenn denn überhaupt) beantwortet werden.

    Bin aber mal gespannt.

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