Medina-Report im Europaparlament abgeschossen

Ich hatte es schon in dem Posting von NetzpolitikTV 062 kurz geschrieben, aber scheinbar ist das kaum aufgenommen worden (Heise, Futurezone & Co haben es noch nicht berichtet): Der Medina-Report ist im Europaparlament abgeschossen worden. Der “Bericht zur “Harmonisierung des Urheberrechts” , benannt nach dem sozialdemokratischen spanischen EU-Abgeordneten Manuel Medina Ortega, ist von Seiten der PSE (Sozialdemokraten im EP) zurückgezogen worden. Bis Donnerstag sah es so aus, als würde der Bericht mit den Stimmen der Konservativen und Sozialdemokraten demnächst ohne Abstimmung beschlossen. Während wir noch mitten im Lobbying im Europaparlament in Brüssel waren, bekamen wir die ersten Signale von uns wohlgesonnenen sozialdemokratischen Abgeordneten aus Frankreich.

Geplant waren Empfehlungen an den EU-Ministerrat, die es in sich hatten: Dort fanden sich Passagen, die die Filterung des Internet-Verkehrs voraussetzen und natürlich war auch das Thema Internetsperrungen dabei. Also das halbe Horrorkabinett, was von Seiten der Medienindustrie gerade aktuell gefordert wird, um die Offenheit des Internets zu bekämpfen.

Damit steht es gerade 3:0 im Kampf gegen die Graduate Response (3 Strikes and you’re out) – Strategie der Medienindustrie, diese Massnahmen auf EU-Ebene einzuführen. Den ersten Erfolg gab es knapp im Kulturausschuss Anfang des vergangenen Jahres, als recht knapp die Pläne gescheitert sind. Der zweite Erfolg war in der ersten Lesung zum Telekom-Paket, als eine überwältigende Mehrheit im Europaparlament die Grundrechte der Internetnutzer als wichtiger empfand als die Partikularinteressen der Medienindustrie. Und nun wurde der Bericht vor der Abstimmung zurückgezogen. Das ist ein großer Erfolg für unsere Grassroots-Kampagne für mehr digitale Bürgerrechte auf europäischer Ebene, an der viele Menschen und Organisationen beteiligt sind und wo La Quadrature du Net der zentrale Knotenpunkt ist.

Jeremie Zimmermann kommentiert in einer Pressemitteilung von La Quadrature du Net den Erfolg:
Copyright dogmatism temporarily kicked out of European Parliament

„This text will remain for a long time a perfect example of the complete absurdity of how entertainment industries want to use copyright to fight against digital technologies and their customers. Its rejection gives great hope for a constructive future where copyright will instead be used to help authors benefiting from the incredible potential an open internet offers for them and for culture.“

Es gibt vor allem einen Grund, warum die Sozialdemokraten im Europaparlament ihren eigenen Abgeordneten zurückgezogen haben: Massive Proteste von Internetnutzern in ganz Europa, die sich bei ihren Abgeordneten dafür eingesetzt haben, dass die geplanten Regelungen nicht akzeptabel ist. Und vermutlich Angst vor der nahenden Europawahl. Das ist ein schönes und motivierendes Zeichen. Jetzt gilt es noch, digitale Bürgerrechte in der zweiten Lesung zum Telekom-Paket im EU-Parlament durchzusetzen. Der Zeitpunkt der Abstimmung ist noch unklar, aber die meisten gehen von einem Termin im April aus. Die Zeit scheint günstig für uns zu sein, die Netzwerke stehen. Die bevorstehende Europawahl dürfte zudem passend sein, weil die Parlamentarierer mehr auf die Bürger, also uns hören.

Und wir können jetzt gemeinsam europa-weit über soziale Medien vernetzt unsere digitalen Rechte durchsetzen und die Offenheit des Internets verteidigen.

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