Medienhack: DPA fällt auf falsche Pressemeldung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung herein

Die Presseagentur DPA hat heute unter dem Titel „Stiftung will Einfluss von Vertriebenen schmälern“ über Pläne der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung berichtet, den Stiftungsrat um drei Personen mit aktuellem Flüchtlingshintergrund zu erweitern. Die zugrundeliegende Pressemitteilung ist allerdings nicht echt, sondern wurde von Aktivisten ausgesandt:

Erweiterte Struktur des Stiftungsrates vorgeschlagen

Berlin, 08.12.2009 – Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung wird den vom Stiftungsrat um Prof. Dr. Hans Ottomeyer gefassten Beschluss zur Umstrukturierung der Stiftung in eine Interessenvertretung für die von Flucht und Vertreibung betroffenen Menschen in aller Welt rasch umsetzen.

Bundespräsident Horst Köhler hatte bereits am vergangenen Mittwoch angemahnt “die Stiftung nicht zu einem Schaustück der Ignoranz verkommen zu lassen, sondern die historische Chance zu nutzen, etwas für die weltweit über 20 Millionen Flüchtlinge zu tun.“

Der Stiftungsrat nimmt diese Aufforderung ernst und hat der Bundesregierung vorgeschlagen, den neu zu strukturierenden Stiftungsrat um drei Personen mit aktuellem Flüchtlingshintergrund zu erweitern, um so die Handlungs-, Kompetenz- und Glaubwürdigkeitschancen der Stiftung weiter zu erhöhen.

Diese Idee war bereits in der Vorbereitungsgruppe im Gespräch, die vor der Ernennung von Prof. Manfred Kittel zum Stiftungsdirektor im Juli 2009 getagt hatte.
Weil Deutschland aus den eigenen Erfahrungen mit Vertreibung gelernt hat, ist der Stiftungsrat überzeugt davon, dass es angemessen und zeitgemäß ist, so Anteilnahme am Schicksal von Flüchtlingen in aller Welt zu zeigen. Diese Entscheidung bringt ein weiteres Vorhaben der Stiftung erfolgreich zum Abschluss. „Im Geist der Versöhnung wollen wir nicht nur in Berlin ein sichtbares Zeichen setzen, um an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibung international für immer zu ächten“ so Bernd Neumann, Staatsminister im Bundeskanzleramt, BKM.

Hinter dem Medienhack steht das „Zentrum für politische Schönheit“, laut Eigenbeschreibung „ein politikberatender Thinktank des Aktionskünstlers und Menschenrechtlers Philipp Ruch“. Die Initiatoren des Medienhacks versuchen nach eigenen Angaben,

den politischen Druck für eine Öffnung der Stiftung zu erzeugen, der die Stiftung mit dem unrühmlichen Kulturstaatsminister Bernd Neumann aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückkatapultiert, wo es um die Anteilnahme am gegenwärtigen Schicksal von Millionen dezidiert nicht-deutscher Flüchtlinge geht.

Der Vorschlag, drei Menschen mit eigenen, aktuellen Fluchterfahrungen in den Stiftungsrat aufzunehmen, ist also durchaus als ernst gemeint zu verstehen. Man habe sich in Deutschland „etwas zu sehr daran gewöhnt, dass Vergangenheitsbewältigung nie etwas mit der gegenwärtigen politischen Lage zu tun hat und haben darf.“

Offenbar hat die DPA die Pressemeldung der Stiftung ungeprüft übernommen. Dabei hätte man, wenn schon nicht über die Idee, über die angebliche Aussage des Bundespräsidenten stolpern können. Dass dieser eine Bundesstiftung als „Schaustück der Ignoranz“ bezeichnet, wäre schließlich eine nie dagewesene Deutlichkeit für Horst Köhler.

Nach Angaben von Ruch sind die Onlineangebote von FAZ, T-Online und Financial Times auf die Aussendung der DPA hereingefallen. Nachdem die Presseagentur auf seinen Hinweis hin eine Korrektur verschickte, sind die entsprechende Artikel allerdings schnell wieder verschwunden.

Update: In Polen scheint die Aktion gut angekommen zu sein, wenn man der Pressemeldung des „Zentrums für politische Schönheit“ glauben Schenken darf. Die falsche Pressemeldung der Stiftung hat es dort sogar bis in die Printmedien geschafft: „Mit Begeisterung hat die polnische Tageszeitung „Rzeczpospolita“ den Vorschlag der vom Zentrum für Politische Schönheit initiierten Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in seiner heutigen Berichterstattung aufgegriffen.“

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15 Ergänzungen

  1. Ein weiteres mal zeigt sich, wie viel der hochgelobte „professionelle Journalismus“ noch wert ist.

    Der DPA verzeihe ich das ehrlich gesagt ja, da sie eh nur ein Aggregator für Meldungen sind. Da kann so etwas schon mal passieren.

    Bei den klassischen Ablegern der Printmedien wird allerdings erneut deutlich, dass Recherche oder Verifikation von Quellen offensichtlich einen geringen Stellenwert haben. Google News offenbart ja auch oft, dass die Tickermeldungen direkt übernommen werden oder nur minimal umformuliert werden.

  2. „… aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückkatapultiert …“ Den Satz lasse ich mir rahmen.

  3. Wie amüsant. Die dpa hat nichts, aber auch GAR NICHTS aus dem Bluewater-Debakel gelernt. Und das liegt gerade ein Vierteljahr zurück…

  4. Meine Güte, mal ehrlich: Wenn man JEDE Pressemitteilung, die man bekommt, und die vom Layout her echt aussieht, prüfen würde und die Organisation anrufen würde („Entschuldigung, aber die Pressemitteilung der Kanzlerin, die eben versendet wurde, ist die wirklich echt?“), dann würde man es sich mit ziemlich allen Versendern von Pressemitteilungen verscherzen. Für andere ist es immer einfach, nachher draufzuhauen. 99% der selben Leute hätten aber wohl genau das gleiche getan.
    Also mal schön den Ball flach halten…

    1. Dann hast Du den Sinn von Pressemeldungen aber nicht verstanden: zwar wird dort auch davon berichtet, daß XY in CD ein UV eingeweiht/eröffnet/betreten/verflucht hat, aber auch, daß man gern für weitere Infos per Direktkontakt offen ist.

  5. @Daniel
    Ich bin mir sicher, wenn es dabei um Sie ginge, dächten Sie da anders. Und die von dieser Fälschung betroffenen Personen haben aus ihrer Sicht ein Interesse daran, eben in keinem für sie kontraproduktiven Zusammenhang gestellt zu werden. Denn vergessen wir nicht: Im Bereich Medien ist die Zahnpaste höchstens relativ in die Tube zurückzudrücken.

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