Hausdurchsuchung bei Blogger, der dänische Kinderporno-Sperrliste verlinkt

Die auf Wikileaks aufgetauchte Sperrliste von kinderpornographischen Websites der dänischen Behörden ist nun [Korrektur: einem Blogger, der einen Beitrag des Blogs schutzalter verlinkte, welcher auf die Sperrliste verlinkte] in Form einer Hausdurchsuchung am vergangenen Freitag zum Verhängnis geworden.

Laut Begründung der Hausdurchsuchung (PDF) ist durch ihr/sein Posting „davon auszugehen, dass der Beschuldigte vor Verlinkung des Artikels dessen Informationsgehalt zu Eigen gemacht hat,“ und ferner ist es „ebenso wahrscheinlich, dass er sich durch diesen Vorgang die Informationen der Internetseite und somit auch kinderpornographisches Material zumindest im Cache seines/ihres Computers gespeichert hat“ – das wäre natürlich strafbar als Besitz kinderpornographischer Schriften gemäß §184b. Udo Vetter hält diese Begründung im Durchsuchungsbeschluss gegen den Weblog-Verlinker für „bemerkenswert“.

Annika Kremer schreibt dazu auf gulli.com:

Die auf Wikileaks verlinkte Kopie der Liste ist, wie es Blogger und Rechtsanwalt Udo Vetter in seinem lawblog ausdrückt „für die deutschen Ermittlungsbehörden ein willkommener Anlass, Ermittlungsverfahren einzuleiten und Hausdurchsuchungen vorzunehmen. Und zwar gegen deutsche Seitenbetreiber, die sich lediglich an der Diskussion über Internetsperren beteiligen und hierbei direkt oder indirekt auch auf die Sperrliste verlinken.“ Indirekte Links bedeutet in diesem Fall, dass auch der Link auf eine Seite, die wiederum die Sperrliste verlinkt, unter Umständen schon ein gewisses Risiko bedeutet. Was das in einem vernetzten Medium wie dem Internet bedeutet, kann sich jeder halbwegs erfahrene Nutzer desselben vorstellen.

Im Blog des Betroffenen ist nun zu erfahren, dass auch der Vorwurf der Verbreitung von kinderpornographischen Material erhoben wird:

Wie ich vorgestern durch eine polizeiliche Vorladung erfahren habe, wird nun auch gegen mich ermittelt, und war sogar wegen „Verbreitung von Kinderpornografie“. […]
Ich muss sagen, dass ich dem Ausgang dieser Sache recht gelassen entgegen sehe. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass ich mich durch meinen Artikel strafbar gemacht haben könnte. Schlimm genug finde ich es allerdings, dass dieser Vorwurf überhaupt ernsthaft erhoben wird und im Raum steht. […]
Bemerkenswert ist es übrigens, dass ich bis jetzt noch keinen Appel oder gar eine Aufforderung erhalten habe, diese behauptete Verbreitung von Kinderpornografie einzustellen. Ich meine, einem Irren, der mit einem Messer andere Leute verletzt, würde man doch auch erstmal zurufen „hör auf damit“, ihm zureden, ihm drohen oder Gewalt gegen ihn einsetzen. Oder würde man ihn zu einer Anhörung einladen und ansonsten gewähren lassen?

via @Annika_K

20 Ergänzungen

  1. Eine sehr wichtige Info fehlt in meinen Augen, nämlich dass der blogger durch einen Link _auf_ http://schutzalter.twoday.net/ zu „seiner“ Hausdurchsuchung kam. Und nicht durch den Link auf wikileaks selbst. Das ist ja grade in dem Fall das bemerkenswerteste. Mal ganz abgesehen davon, dass die ganze Sache natürlich selbst eine Farce ist.

    „Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“
    – Karl Marx

    http://www.netreaper.net/2009/03/02/internetzensurdebatte-bringt-polizei-auf-den-plan/

  2. So weit ich dass verstanden habe ist nicht der „schutzalter“-blogger durchsucht worden, sondern ein Dritter, der auf schutzalter verlinkt hatte.

    Siehe diesen Beitrag: http://schutzalter.twoday.net/stories/5544030/

    Einige Tage später schreibt der „schutzalter“-blogger, er sei nun selbst mit einer polizeilichen Vorladung konfrontiert. Von einer Hausdurchsuchung bei ihm lese ich allerdings nichts.

    Artikel dazu: http://schutzalter.twoday.net/stories/5551874/

  3. Ich hab den Link auch recht früh bekommen, aber nach einigem Überlegen mich entschieden, das nicht z bloggen. Dafür gab es mehrere Gründe:

    1) Ich konnte die Story nicht verifizieren, bzw hatte keine Zeit, um die Hintergründe zu recherchieren.

    2) Eine Formulierung hat mich etwas stutzen lassen, so dass ich eher vorsichtig war:

    „[Der/Die] Beschuldigte betreibt die […] Plattform […] und ist einschlägig vorbestraft.“

    Mag sein, dass sich das „einschlägig vorbestraft“ auf was anderes bezieht. In diesem Zusammenhang klang es aber etwas komisch.

  4. Wo sind wir nur hingekommen? Da sieht man mal wieder die Auswüchse, die im Sicherheitswahn entstehen…
    Man sollte sich weniger darauf konzentrieren, die Verbreitung von Kinderpornographie unmöglich zu machen, sondern eher darauf, deren Entstehung frühzeitig zu verhindern. Verbreitungseinschränkung löscht schließlich nicht das Trauma aus, das beim Kind entstanden ist, sondern nur die offensichtlichsten Spuren des eigentlichen Verbrechens…

  5. @Floh: Aus irgendeinem Grund haben Politker wie von der Leyen daran aber kein Interesse. Oder hast du von der schon einmal etwas in Richtung Prävention gehört?
    Für mich ein Indiz, dass es bei der ganzen Sache überhaupt nicht um das Verhindern von KiPo geht, sondern vielmehr um das Durchsetzen von anderen Interessen. Rechteinhaber lassen grüßen.

    In dem Zusammenhang unbedingt auch den Link von capisto lesen! Ist zwar sehr lang, aber schon aus technischer Sicht extrem aufschlussreich.

  6. Ich bin mal gespannt wann der „Bundestrojaner“ auf diese Art die ersten unliebsamen politischen Gegner abserviert in der er im hintergrund mal ein paar Bilder runterlädt und an obskuren Stellen ablegt.

    Danach kann er auch gleich eine eMail ans BKA schicken und i.A. die Verbindungsdaten vom Provider anfragen…

  7. Das ist hoffentlich keine Farce, sondern einmal konsequentes Handeln des Rechtstaates, der ausnahmslos jeden, der nur im Geruch steht, mit diesen Perversitäten (wie trickreich und tief verlinkt/versteckt auch immer) in entferntester Verbindung zu stehen, strafrechtlich zur Verantwortung zieht.

    Stoppt Kinderschänder und ihre Unterstützer im Netz!

  8. @markus: „Mag sein, dass sich das “einschlägig vorbestraft” auf was anderes bezieht. In diesem Zusammenhang klang es aber etwas komisch.“

    Also, die Formulierung stammt ja nicht vor mir, sondern ist aus dem Durchsuchungsbeschluss und ich weiß über die Vorstrafe tatsächlich auch nichts konkretes. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass man „einschlägig“ schreiben würde, wenn die Vorstrafe gar keine Beziehung zu dem neuen Verdacht hätte.

    Das wird vermutlich den Unterschied gemacht haben, dass man mich zwar das eigentlich stärkeren Deliktes, nämlich der Verbreitung von Kinderpornografie, verdächtig, andererseits aber keinen Besitz vermutet und daher bei mir, bisher jedenfalls, keine Hausdurchsuchung durchgeführt hat.

    Gruß
    Donald

  9. Donald, das vermute ich auch. Denn bei kam bisher auch niemand mit Hausdruchsuchung vorbei.

    Und mir war schon klar, dass Du nur darüber bloggst und nicht vorbestraft bist.

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