Großbritannien plant Internetsperrungen

Sueddeutsche.de berichtet über Konkretisierungen bei den Plänen der britischen Regierung, Internetsperrungen bei Urheberrechtsverstößen nach dem 3-Strikes-Modell einzuführen. Dabei plant Großbritannien explizit einen nicht-staatlichen Weg, im Gegensatz zu Frankreich. Das ist insofern interessant, als dass die Schwarz-Gelbe Koalition aktuell im Koalitionsvertrag Initiativen für „gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen“ abgelehnt hat. Wir haben hier schon vermutet, dass man den britischen Weg nehmen wird, der ebenso auf „gesetzliche Internetsperren“ verzichtet.

Sueddeutsche.de beschreibt diesen:

Besonders brisant ist, dass über die Sperrung des Netzzugangs nicht wie in Frankreich von einem Gericht entschieden werden soll. Stattdessen wird ein „Tribunal“ eingerichtet, das der unabhängigen Telekom-Regulierungsbehörde Ofcom untersteht. Dem Guardian zufolge ist folgendes Procedere geplant (pdf hier): Ermittler der Rechteinhaber machen Filesharer ausfindig und geben die gesammelten Informationen an den Internetanbieter weiter, der wiederum einen Warnbrief an den Betroffenen verschicken kann. Bei weiteren Verstößen können auch Maßnahmen wie das Drosseln der Internet-Geschwindigkeit oder die Beschränkung des Datenvolumens für den verdächtigen Nutzer eingeleitet werden. Am Ende droht eine Sperre, gegen die der Verdächtige zweimal Einspruch erheben kann.

Mehr dazu auch bei der BBC: Net pirates to be ‚disconnected‘.

Ich wette, dass wir mit Schwarz-Gelb genau diese Diskussion in den nächsten Monaten und Jahren bekommen werden!

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14 Ergänzungen

  1. Ob privat oder staatlich gesperrt würde: Die Grundrechte des Betroffenen gelten in jedem Fall (Drittwirkung der Grundrechte). Die Maßstäbe, an denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen zu messen wären, sind also in beiden Fällen dieselben.

  2. Du vergisst, dass das Wasser auf den Mühlen der Verbände und Kreise ist, die sich auf diesem Eilande dagegen wenden. Der Koalitionsvertrag ist hierzulande schon ein Ausdruck dieser Verschiebung, der reaktionären Haltung des Netzes gegenüber den Sperrplänen. Es wird viel gewettert und am Ende ändert sich die Großwetterlage.

    Die Überwachungskultur im Vereinigten Königreich scheint fast eine Parodie. Keine Gasse ohne Kamera. Da ist es nur konsequent auch auf der Datenautobahn Kameras aufzustellen. Irgendwann ist der Bogen überspannt.

    Meine Erfahrung im Lobbybereich sagt mir, dass ein Campaigner soviel schafft wie 20 klassische Lobbyisten. Und die Initiativen sprießen zur Zeit wie Pilze aus dem Boden dank der neuen Pläne. Es bleibt spannend.

    Übrigens gibt es einen ähnlichen Ansatz in Italien, da wurde das schon vor einiger Zeit verfolgt ohne große öffentliche Aufmerksamkeit.

  3. Das ist gemein. Man wettet nicht um etwas bei dem der Ausgang schon klar ist ;)

    Das Problem mit „privaten“ Aktionen ist der fehlende Rechtsschutz (bzw. Rechtssicherheit).
    Man sieht ja an Abmahnungen ziemlich gut wie schnell sich etwas verselbständigt – und da gibt es noch einigermassen „klare“ Rechtsgrundlagen.

    Nach dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen traue ich der FDP auch keine bremsende Wirkung mehr zu :-/

  4. Ich weiß nicht ob es ein Effekt vom Binge-Drinking oder vielleicht BSE sein könnte, aber England erscheint mir langsam so unheimlich wie im Zombie-Film „28 Days Later“.

    Wie kann ein Volk das alles hinnehmen? Sprechende Überwachungskameras, endlose Datenschutzskandale, Vetting and Barring Scheme (wo ein Viertel der Bevölkerung jetzt beweisen dass man nicht pädophil ist), und jetzt also auch noch Internetsperren in privater Hand.

    Was geht in deren Köpfen vor, dass sowas möglich ist? Der einzige schwache Lichtblick, der neulich in den Nachrichten aus England kam waren die Proteste gegen die BNP. Ansonsten scheinen Land und Leute seit Jahren in einer klaren Abwärtsspirale zu stecken.

  5. Wenn das Ganze aber nicht gesetzlich ist, würde sich dann nicht mindestens ein Anbieter finden, der daran nicht teilnimmt und somit die ganzen IT-Freaks als Kunden gewinnt? Und wenn man es verbindlich machen will, hat man ein Gesetz und kommt damit in den Bereich des BVerfG.

  6. Wie sollen \Internetsperren\ funktionieren?
    Im Betrieb oder zuhause oder im Internetcafé werden Internetadressen gemeinsam genutzt. Soll eine gesperrte Adresse einen Betrieb, einen Haushalt oder das Internetcafé lahmlegen? Wenn man ein Handy hat und dies nicht mehr nutzen kann, weil tatsächlich oder möglicherweise verbotene Daten abgerufen wurden, muss man dann noch zahlen? Kann es in Zukunft noch Prepaidkarten geben? Muss man in Zukunft seinen Ausweis vorlegen, bevor man den Internetzugang vom MacDonalds betreten darf?

  7. Diese Websperren werden ausländische Internetanbieter einen Markt öffnen. Die Technologien über Satelliten einen DSL Anschluss zu betreiben existieren. Jetzt brauchen die Russen oder Chinesen nur einen Satelliten über Europa positionieren und die Anschlüsse verkaufen.
    Der Markt wird sich öffnen.

  8. Mir sind verblendete Dschihadisten und Möchtegern-Kommunisten irgendwie lieber als so manch frei rumlaufende Anarchokapitalisten.

    Naja, ich hoffe mal die FDP hält eisern ihr Versprechen, ohne irgendwelche Tricks oder sonstige Spielereien zu erlauben oder fördern. Was im innereuropäischen Ausland diskutiert wird, schwappt ja bekanntlich schnell auf Deutschland über.

  9. „Ich wette, dass wir mit Schwarz-Gelb genau diese Diskussion in den nächsten Monaten und Jahren bekommen werden!“ – Genau das dachte ich auch Markus!!!!!! Genau das.

    Wenn man den Stimmen im Hintergrund glauben schenken darf, dann wird Merkel wohl auch noch die Legislaturperiode nach 2013 im Amt bleiben…
    Grosser Gott, hilf schnell…

    Ich könnte mich mit dem Gedanken von Bruno anfreunden, da wir überlegen sollten, ein eigenes, verschlüsseltes und demokratisches Netzwerk zu errichten welches Basis ausländischer Satelliten ist. Damit entzieht man sich vielleicht der Zensur und kann organisieren und allgemein kommunizieren.

    Andersrum frag ich mich nur, ob wir den Chinesen und Russen so einfach vertrauen sollten?

  10. „Ich wette, dass wir mit Schwarz-Gelb genau diese Diskussion in den nächsten Monaten und Jahren bekommen werden!“

    Kämen sie damit durch? Hier sprach jemand von Drittwirkung der Grundrechte. Kann der Staat die Grundrechte einfach auf diese Weise aushebeln= Das würde diese ad absurdum führen. Wenn sie das machen, muss es dafür irgendeine gesetzliche Grundlage geben, und die wäre dann über die Grundrechte (Informationsfreiheit, rechtsverfahren, etc.) wieder angreifbar. Oder nicht?

  11. Ich weiß nicht ob Schwarz/Gelb wirklich die nächsten 3 Jahre Netzsperren einführen will.
    Ich glaub wir werden da ganz gut weg kommen, bis es EU weit eine Regelung geben wird.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.