Frau Krogmann und das wilde Kasachstan

Kasachstan. Kennen wir ja alle. Zumindest aus dem „Borat“-Film. Den fanden viele Kasachen allerdings nur bedingt witzig. Was man ja durchaus nachvollziehen kann. Gänzlich unwitzig dürften die Kasachen wohl auch eine Äusserung der parlamentarischen Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Martina Krogmann heute Morgen bei radioeins (RBB) finden:

„Uns geht es um die pornographischen Inhalte in Ländern in denen Kinderpornographie eben nicht geächtet ist und auch nicht konsequent bestraft wird und deshalb auch nicht gelöscht wird. […] weil wir eben für Dinge, die auf einem Server beispielsweise in Kasachstan liegen, da haben wir keinen Zugriff drauf.“

(Die Passage stammt übrigens aus einem recht hörenswerten Streitgespräch mit Alvar Freude vom AK Zensur).

Ich habe der kasachsatanischen Botschaft mal ein Fax mit der Frage geschickt, wie es um die Rechtstaatlichkeit und die Verfolgung von Kinderpornographie in ihrem Land bestellt ist:

Sprecherin der CDU-/CSU-Fraktion bezweifelt Rechtsstaatlichkeit in Kasachstan

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie evtl. wissen, diskutiert die deutsche Regierung zur Zeit ein Gesetz gegen die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet. Als Begründung, warum dieses Gesetz notwendig sei, wird dabei immer wieder Kasachstan genannt:

„Uns geht es um die pornographischen Inhalte in Ländern in denen Kinderpornographie eben nicht geächtet ist und auch nicht konsequent bestraft wird und deshalb auch nicht gelöscht wird. […] weil wir eben für Dinge, die auf einem Server beispielsweise in Kasachstan liegen, da haben wir keinen Zugriff drauf.“

So die Worte der parlamentarischen Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Martina Krogmann heute Morgen in einem Radio-Interview mit dem Berliner Sender Radioeins, zu hören unter: http://www.radioeins.de/programm/programmbeitraege/20090616/schutz_und_zensur.html

Ich kann und mag das nicht glauben. Schließlich hatte Bundespräsident Horst Köhler erst kürzlich anläßlich des Kasachstan-Jahres in Deutschland betont, dass Kasachstan, ich zitiere, „nicht nur seiner internationalen Verantwortung gerecht werde, sondern auch national den Werten der OSZE, nämlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, Geltung verschaffe.“

Daher meine Frage: Gibt es in Kasachstan Gesetze gegen die Verbreitung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie? Geht die kasachstanische Justiz gegen entsprechende Inhalte und ihre Verbreitung im Internet vor? Oder ist es tatsächlich so, wie die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion behauptet?

Mit freundlichen Grüßen

Jörg-Olaf Schäfers, netzpolitik.org

PS: Auf den vom Alvar Freude/dem AK Zensur ausgewerteten Filterlisten aus Skandinavien und Australien fand sich keine einzige Seite aus Kasachstan. Folgendes SQL-Query schickte Alvar mir vorhin per Mail:

netz_sperren=# SELECT * FROM all_host_ips WHERE country = 'KZ';
hostname | host_id | ip | reverse | country | whois | abuse_email
----------+---------+----+---------+---------+-------+-------+-------------
(0 rows)

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50 Ergänzungen

  1. Sehr richtig, die kasachische (nicht: kasachstanische) Botschaft über diese Aussage von Frau Krogmann zu informieren!

  2. Sehr schön! Ich hatte schon überlegt, sowas auch mal an die russische Botschaft zu schicken, weil Russland auch schon ein paar Mal als Problemland in diesem Zusammenhang genannt wurde (z. B. bei der öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss, wenn ich mich recht entsinne).

  3. Kasachstan hat das „Fakultativprotokoll vom 25. Mai 2000 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie“ am 24.08.2001 ratifiziert, und in Kraft getreten ist es dort am 18.01.2002.

    Quelle

  4. Habe gerade per mail der Kasachischen Botschaft folgenden Text geschickt:

    Sehr geehrte Damen und Herren!
    Wie Sie vielleicht wissen, gibt es in Deutschland im Augenblick eine Diskussion über geplante Internetsperren gegen Kinderpornographie. Dabei führte in einem Radiointerview die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Frau Dr. Martina Krogmann Kasachstan als Beispiel eines Staates an, der Kinderpornographie nicht bekämpft. Ich und viele andere vermuten dagegen, daß Kasachstan sehr wohl Gesetze gegen Kinderpornographie hat und diese auch angewendet werden. Ich rege deshalb an, daß Sie vielleicht diese falschen Unterstellungen zu Lasten Kasachstans in der Presse richtigstellen.
    Ein Link: http://netzpolitik.org/2009/frau-krogmann-und-das-wilde-kasachstan/

    Mit freundlichem Gruß

    Diplomatischer Druck kommt immer gut, kein Land läßt sich gern ungerechtfertigterweise als Eldorado der Kinderpornographie bezeichnen.

  5. Bin ja mal gespannt was sie dir antworten, eine echt geniale idee und wohl möglich auch die lezte möglichkeit unserer Regierung druck zumachen.

  6. Ob der deutsche Botschafter in Kasachstan einbestellt wird? Das wär‘ was – ernsthafte diplomatische Verstimmungen wegen diesem Schnellschuss :-))))))

  7. Ich will ja nicht der Spielverderber sein, möchte aber trotzdem wissen, was denn in diesen Auslassungspünktchen gesagt wurde. Beim ersten Lesen hatte ich eher den Eindruck, hier werden zwei verschiedene Sachverhalte behandelt (KiPo in manchen Ländern nicht verboten vs. keinen Zugriff auf Server im Ausland haben)

  8. @Jörg-Olaf:
    „kasachsatanischen Botschaft“ – ja, ohne inhärentem „satan“ sieht das Wort viel besser aus … ;-)

    Halt uns bitte auf dem Laufenden, wie die Botschaft reagiert.

  9. Man sollte ALLE Botschaften von entsprechenden „Problemländern“ mit dieser fragwürdigen Äußerung konfrontieren. Und natürlich auch Rückfragen stellen lassen. :)

    Geile Idee, das mit dem Fax.

  10. @Jeriko:

    „Uns geht es um die pornographischen Inhalte in Ländern in denen Kinderpornographie eben nicht geächtet ist und auch nicht konsequent bestraft wird und deshalb auch nicht gelöscht wird. Und deshalb zielt unser Gesetz darauf ab Zufallsnutzer, die über einen Link oder eine Spam-Mail dann auf solche Angebote kommen, als Präventionsmaßnahme davon abzuhalten, weil wir eben für Dinge, die auf einem Server beispielsweise in Kasachstan liegen, da haben wir keinen Zugriff drauf.“

  11. Unglaublich gute Idee.
    Ich denke, genauso muss man mit den Aussagen von Leuten wie Frau Krogmann umgehen.

  12. >>Wir sind das Volk<<

    ja, ja, das mag wohl sein.

    aber als solches sind wir für diese Herren und Damen?¿? nur noch ein OBJEKT, das es zu regieren und dirigieren oder zu knechten gilt, und nicht ein SUBJEKT (oder eine Menge von Subjekten), die es zu Vertreten und zu schützen gilt.

  13. Ganz so einfach ist es nicht. Zwar ist Kasachstan wie auch Kirgisistan dem Protokoll beigetreten, trotzdem sieht die Praxis leider oft anders aus. In beiden Ländern wird z.B. die „Tradition“ der Brautentführung nicht entschlossen genug bekämpft. Junge Mädchen werden gegen ihren Willen wochenlang festgehalten, bis sie sich entweder den ständigen Heiratsanträgen beugen oder sich immer wieder verweigern und letztendlich wieder freigelassen werden. Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass sie nach der Freilassung als beschmutzt und entehrt gelten und daher der Zwangsheirat einwilligen. Obwohl Brautentführung in der Sowjet-Ära abgeschafft wurde, ist sie nach wie vor ein wesentlicher Teil der Kultur.

    Frau Krogmann hat recht, wenn sie bestimmten Staaten vorwirft, Kinderrechte zu missachten und Misshandlungen nicht nachzugehen. Im Zusammenhang mit Kipo-Server mag das jedoch eine falsche Beschuldigung zu sein.

    Nebenbei: Krogmanns Ehemann ist Sportchef und stellvrtr. Chefredakteur bei BILD.

  14. Weiß einer, was mit dem radioeins Stream los ist? Der Link gibt bei mir nen 404 aus… =(
    Würd mir das Gespräch mit Alvar gerne mal anhören.

    Gruß.
    bearmann

  15. der Radioeins-Stream geht bei mir auch nicht mehr. Würde mich auch freuen, wenn es das noch irgendwo gibt.

    Lg

    fidelfisch

  16. Das mit dem Link auf den Radio eins Beitrag liegt wahrscheinlich daran, dass der Beitrag älter als eine Woche ist, und damit von einem öffentlich rechtlichen Sender nicht mehr im Internet angeboten werden darf – auch ne Möglichkeit zu zensieren, wenn ihr mich fragt. Hat jemand noch ne Kopie?

  17. der link zu der sendung bei rbb ist nichtmehr gültig
    schade , nichtnur russland , bzw kassachstan müssen als beispiel herhalten auch iran wird oft genannt (gut da gibt es wirklich kein explizites gesetz gegen kipo aber dort sind pornos ,erotikbilder jeglicher art verboten ,dort kann man durchaus schon mit nem playboyheft richtig probleme bekommen)

  18. auf welche Erfahrung oder persönliche Erkenntniss basiert die Aussage von Fr. Krogmann? wäre da nicht eine offizielle Entschuldigung fällig?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.