+++ EIL +++ Beschluss des SPD-Parteivorstandes zum „Zensursula“-Gesetz

Der ein oder andere mag es bereits via Twitter mitbekommen haben: Der „Initiativantrag gegen Internet-Sperren“ von Bjoern Boehing, Franziska Drohsel und Jan Moenikes für den SPD-Bundespartei morgen in Berlin, wurde heute vom SPD-Parteivorstand diskutiert und in der ursprünglich Form abgelehnt.

Stattdessen hat der Parteivorstand einen eigenen Beschluss (PDF) gefasst. Dieser basiert im Wesentlichen auf dem schon bekannten Paper der SPD-Fraktion vom 28.05., das, wenn ich das richtig sehe, in der letzten Woche zumindest teilweise bereits den Verhandlungen im federführenden Wirtschaftsausschuss zum Opfer gefallen war.

Nach dem Klick gibt es die entscheidenden Forderungen, hier gibt es das PDF im Original.

Beschluss des SPD-Parteivorstandes vom 13. Juni 2009

Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet muss effizient geführt werden und rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen: Löschen vor Sperren


[…]

Nötig sind folgende Änderungen:

1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips: Löschen vor Sperren

Das BKA muss bei Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verpflichtet werden, zunächst die Dienstanbieter zu kontaktieren, damit die Seiten gelöscht werden. Erst wenn das erfolglos bleibt, wenn der Provider beispielsweise seinen Sitz im Ausland hat und die dort zuständigen Behörden nicht unmittelbar dagegen vorgehen, soll die Seite auf eine Sperrliste gesetzt werden dürfen. Es muss im Grundsatz immer löschen vor sperren durchgesetzt werden.

2. Kontrolle der BKA-Liste

Es soll ein unabhängiges Gremium auch unter Einbeziehung der Datenschutzbeauftragten eingerichtet werden, das die BKA-Liste und die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips jederzeit kontrollieren und korrigieren kann. Die Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener sind zu gewährleisten.

3. Datenschutz

Das Gesetzesvorhaben dient ausschließlich der Prävention. Es darf nicht als Anlass dafür dienen, das Surfverhalten sämtlicher Nutzer zu überwachen oder zu protokollieren. Es ist klarzustellen, dass die auf der geplanten Stopp-Seite anfallenden Daten nicht der Vorratsdatenspeicherung unterliegen und daher nicht zu anderen Zwecken genutzt werden können. Damit ist auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgelenkte Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt oder die Daten zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche genutzt werden können.

4. Spezialgesetzliche Regelung mit Befristung

Zur eindeutigen Klarstellung, dass nur eine Sperrung von Internet-Seiten mit Kinderpornografie beabsichtigt ist, nicht jedoch von anderen Inhalten, ist ein Spezialgesetz statt der bislang vorgesehenen Regelung im Telemediengesetz unabdingbar. Außerdem soll das Gesetz auf drei Jahre befristet werden, um nach der vorgesehene Evaluation endgültig zu entscheiden. Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion auf, bei den Verhandlungen mit der Union konsequent die entsprechenden Änderungen im Gesetzentwurf durchzusetzen.

PS: Wie bei Twitter ebenfalls zu lesen ist, geht dieser Beschluss den Initiatoren nicht weit genug. Ziel ist weiterhin, das Gesetz zu kippen.

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34 Ergänzungen

  1. Egal was man macht, sollte man nicht vor einem irgendwie gearteten Beschluss erstmal Fakten sammeln, damit man wenigstens ein bisschen erahnen kann, ob solch ein Beschluss eigentlich irgendetwas bringt?

    Die Bundesregierung hat ja dargelegt, dass sie eigentlich gar keine Fakten hat. Also sollte man doch vielleicht erstmal beschliessen, diese zu sammeln. Danach kann man dann immer noch über irgendwelche Gesetze beraten, nur mit dem Unterschied, dass man es dann auf einer fundierten Grundlage tut.

    Das wäre dann Problemlösung, alles andere ist nur billiger Wahlkampf auf Kosten der Demokratie.

    1. Das sehe ich genau so, Christian.

      Für mich ist die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der FDP ein riesen Skandal.
      Aber nirgends wird darauf eingegangen.

      Ich frage mich wie tief der berüchtigte „Fraktionszwang“ sitzen muss.

  2. Was genau heißt „abgelehnt“? Ist das eine Beschlussempfehlung des Vorstandes oder etwas Verpflichtendes? Ist der Antrag in dieser Form jetzt vom Tisch oder wird er dennoch dem Parteitag vorgelegt?

  3. Naja, der Parteivorstand empfiehlt offensichtlich den Antrag von Bjoern abzulehnen. Der Empfehlung wird der Parteitag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit folgen. Schliesslich stürzen sich sonst wieder die Medien darauf und zerfleischen den Vorstand mit Schlagzeilen:

    Mögliche Schlagzeile 1: „Steinmeier geht geschwächt aus dem Parteitag hervor“

    Mögliche Schlagzeile 2: „Müntefering nach Parteitag eine lame duck, Andrea Nahles als Nachfolgerin im Gespräch“

  4. Dieser sog. „Beschluss“ des SPD-Parteivorstands ist ein fauler und nicht akzeptabel!

    Allein ein Aspekt stellt eine Verbesserung der momentanen Situation dar, nämlich der Passus:
    „ist ein Spezialgesetz statt der bislang vorgesehenen Regelung im Telemediengesetz unabdingbar“
    Das würde bedeuten, dass ein Spezialgesetz, sprich ein separater Gesetzesentwurf, vom Bundesrat abgesegnet werden müsste. Dort bestünde dann die Chance, dass FDP/Grüne, sofern sie in den Länderparlamenten sitzen, sich verweigern und damit die notwendige Mehrheit nicht zu Stande kommt.

    Am besten wäre es natürlich, die SPD zeigen Rückgrat und sagen schlicht und ergreifend: „Mit uns ist das nicht zu machen“.
    Basta!

  5. Irgendwie kapiere ich nicht was die da schreiben:

    „Es ist klarzustellen, dass die auf der geplanten Stopp-Seite anfallenden Daten nicht der Vorratsdatenspeicherung unterliegen und
    daher nicht zu anderen Zwecken genutzt werden können.“
    Die Daten fallen nicht unter die Vorratsdatenspeicherung, soweit ok, aber genau deswegen KÖNNEN sie doch verwendet werden, oder sehe ich das falsch?

  6. http://bit.ly/16PNZz <- mehr kann ich dazu nicht sagen. Die SPD macht mal wieder nix Halbes und nix Ganzes und genau deshalb wählt sie auch keiner mehr. Und das zu Recht. Projekt 18- in vollem Gange.

    Bisher ist es nicht mal möglich von Europol ne Rückantwort zu bekommen, wenn eine Seite gemeldet wird – und jetzt sollen die das verfolgen und erst dann sperren … als nächsten kommen dann die Naziseiten, die Pro Ana Seiten, Wikileaks, Killerspiele oder was sonst noch stört. Ihr müsst Bedenken, das Gesetz ist nur dann erfolgreich, wenn viele Seite gesperrt werden. Ob die evil sind oder nicht ist völlig unerheblich.

    Ich erinnere nochmal an Bankgeheimnis, Mautdaten, VDS usw. Wer einmal lügt …

  7. „Dort können rechtswidrige Inhalte
    besonders schnell verbreitet und anonym sowie ohne soziale Kontrolle abgerufen
    werden“

    Wo bitte besteht heute im Internet noch eine ECHTE Anonymität? Die SPD scheint sich nichtmal mehr ANSATZWEISE in den Überwachungsmöglichkeiten des Internets zurechtzufinden.

  8. Zur Info: Auf Phoenix wird der SPD-Parteitag live übertragen. Die ganz Ungeduldigen können ja den Parteitag verfolgen und auf die Zensursula-Debatte warten.

  9. Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde der Antrag des Parteivorstands ohne Gegenrede angenommen.

  10. @Frei aber glücklich

    Was da noch bleibt? Die Linkspartei zu wählen, um ganz sicher zu sein, dass es für solche Dinge wie Zensur keine Mehrheit gibt. Den Grünen würde ich auch noch über den Weg trauen, jedenfall Abgeordneten wie Ströbele o.a., aber deren Führung keineswegs. Jede Stimme für die Piratenpartei, wenn sie denn antritt, ist direkte Unterstützung für die CDU.

    Fest steht halt eines: die SPD-Führung ist entschlossen von der Leyen weiterzuhelfen beim Aufbau einer Zensur-Infrastruktur. Deshalb ist für Jeden, der Zensur nicht will, ab jetzt die SPD ein Gegner. Davon mal abgesehen: warum soll man eine Partei wählen die gar nicht gewinnen will? Was gehen uns, erst recht in dieser Krise, die Posten des SPD-Personals an?

  11. Zum einen haben Parteitage aller Parteien schon immer alles mögliche beschlossen, ohne dass die zugehörigen Fraktionen irgenwie beeindruckt hätte.
    Zum anderen finde ich sehr bemerkenswert, dass in der Beschlußvorlage des Parteivorstands plötzlich von „Kindern und Jugendlichen“ die Rede ist. So weit geht nicht mal Frau von der Leyen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.