Deutscher Ärztetag für Zensursula?

Die Deutsche Kinderhilfe macht mal wieder Zensursula-Propaganda und will nach eigenen Angaben den Deutschen Ärztetag dazu bekommen haben, in einem Entschließungsantrag die Zensursula-Pläne zu unterstützen. Das wurde in einer Pressemitteilung an Bundestagsabgeordnete kommuniziert. Interessant ist mal wieder die Formulierung des Entschließungsantrages:

Der deutsche Ärztetag möge folgende Entschließung fassen:

Die deutsche Ärzteschaft unterstützt ausdrücklich die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur „Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“. Sie fordert den Bundesgesetzgeber auf, Kindern und Jugendlichen einen umfassenden Schutz vor sexueller Ausbeutung zu sichern.

Begründung:

Unter Federführung des Bundesfamilienministeriums hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur „Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“ in das Parlament eingebracht. Gegen diesen Gesetzentwurf sammelt eine Initiative „Internet – Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ in einer Online-Petition Unterschriften, weil die Unterstützer dieser Interessengruppen im besagten Gesetz einen unzumutbaren Eingriff in die Medienfreiheit sehen. Kinderpornographie stellt eines der grausamsten Verbrechen an Kindern und Jugendlichen dar. Das Internet ist einer der Hauptverbreitungswege für kinderpornographische Bilder und Filme.

Die Logik ist mal wieder dieselbe, wie in der üblichen Propaganda der Deutschen Kinderhilfe: Die Unterstützer der Online-Petition gegen Netz-Zensur wollen Kinderpornographie nicht verhindern. Im Kampf gegen Kinderpornographie sollen Grundrechte keine Rolle spielen. Und man müsse jetzt die Zensursula-Pläne unterstützen, weil es keine Alternative gäbe, um Kinderpornographie zu bekämpfen. Dazu ist das Internet noch irgendwie böse. Dabei sagen wir deutlich: Löschen statt sperren ist die sinnvollere Strategie! Ansonsten wirkt der Entschließungsantrag etwas wirr formuliert.

Interessant ist heute, dass die Süddeutsche Zeitung auf Seite 12 in „Nachrichten aus dem Netz“ über die Deutsche Kinderhilfe berichtet. Der Artikel wird eingeleitet mit dem Beispiel von angeblich überparteilichen Familienvereinigungen in den USA, die zu einem Netzwerk erzkonservativer Pressure Groups gehören. In Deutschland kann man davon ausgehen, dass die Deutsche Kinderhilfe nach solchen Vorbildern aufgebaut wurde und eingesetzt wird. Ausgehend davon wird beschrieben, wie deutsche Blogs sich das Thema angenommen haben und dass die Deutsche Kinderhilfe sich in den Blogs den „falschen Sparringspartner“ ausgesucht habe. Die Süddeutsche Zeitung kommt zu dem Fazit:

Die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Kinderhilfe liegt in tausend Scherben. Des Hackerangriffs, der in der vergangenen Woche ihre Webseite lahmlegte, hätte es da gar nicht mehr bedurft. Um die Kampagnenfähigkeit der oft für leichtgewichtig befundene politische Bloggerszene in Deutschland ist es im Wahljahr so schlecht offenbar nicht bestellt.

Der Artikel ist leider nicht online zu finden. Schade auch, da schreibt die Süddeutsche Zeitung mal positiv über deutsche Blogs und kann nicht mal Lob durch Links einsammeln.

Wie man so hört, will Zensursula von der Leyen morgen einem großen Online-Medium ein exklusives Interview geben. Der Zeitpunkt dafür ist bewusst gewählt, um vor der Anhörung nochmal in die Kommunikationsoffensive zu gehen. Ihr könnt Euren Protest gegen ihre Netz-Zensur Pläne äussern, indem Ihr mithelft, bis Mittwoch 100.000er Mitzeichner für die Zensursula-ePetition zu gewinnen: 72 Stunden Countdown für Zensursula-ePetition!

Die 2. und 3. Lesung im Bundestag ist nach Angaben der SPD-Fraktion wohl auf den 18. oder 19 Juni 2009 terminiert. Bis dahin könnt Ihr Euch auch nochmal an die SPD-Fraktion wenden und Eure Ansichten zu den Zensursula-Plänen artikulieren. Hier steht, wie das geht: Kleines How-To: Kontaktiere einen Abgeordneten.

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22 Ergänzungen

  1. Warum beachtet eigentlich niemand den wirklichen Mitzeichnerstand der Petition? Die angegebene Zahl auf der Übersichtsseite(akutell 94589 Mitzeichner) ist nur die Anzahl der „neuen“ Mitzeichner. In Wirklichkeit steht die Petition akutell schon bei 97139 Mitzeichner. Eine (fragwürdige?) Erklärung findet sich auch rechts oben auf der Petetionsübersicht.(„Warum gib es unterschiedliche Mitzeichnerzahlen?“)

    1. Tatsache von squip. Sollte man wirklich mal mehr Leuten erklären, wusste ich bis eben auch noch nicht.

  2. Ich habe soeben bei einem im Bekanntenkreis vorhandenen Kinderarzt angerufen und ihn gefragt ob er bereits irgendwas darüber wissen würde und ob er die aktuelle Problematik um dieses Thema kennt.
    Er ist selbst Mitzeichner der Petition gegen Netzsperren und spricht sich klar gegen den Gesetzesvorschlag aus.

    Falls es dazu kommen sollte, dass er Listen erhalten würde der sogenannten Kinder“hilfe“, würde er sie nicht auslegen und stattdessen auf die ePetition hinweisen.

    Ebenfalls will er Kollegen darauf hinweisen und sucht nun einen Flyer der sachlich kurz und prägnant die Problematik erläutert und der auf die Online-Petition hinweist, den er selbst in schwarz-weiß drucken könnte und so den Eltern seiner Patienten zur Auslage bereitstellt.

    Anrufdauer: 10 Minuten

    Zur Nachahmung im Bekanntenkreis dringend empfohlen.

  3. @Squip: Die unterschiedlichen Zahlen sind klar, aber was im ersten Eindruck zählt, ist die Zahl auf der Startseite. Alles andere bedeutet zuviel erklären, was medial wahrscheinlich nicht gut funktioniert. In der Praxis rennt ja ein Journalist mit Zeitdruck auf die Webseite, sieht nur die Zahl auf der Startseite und denkt sich, dass wir falsche Zahlen verkünden. aber ich thematisiere das nochmal.

    Die Petitionsplattform ist leider technisch ein Wrack. Würde mich ja freuen, wenn das mal korrigiert würde.

  4. Abgesehen davon ist die Zahl in der letzte Nummer in der Mitzeichnerliste auch nicht unbedingt die genaue Zahl der Mitzeichner. Schließlich kann man sich auch wieder austragen (wenn man sich wiederfindet). Das erklärt die enorme Differenz zwischen der Liste und der Zahl auf der Startseite. Schaut mal nach…

  5. ich muss wonch leider recht geben.

    übersichtsseite 94691
    einzelauflistung 97248
    zahl der zeilen in downloadbaren csv 94534

    leider lässt sich jetzt garnicht mehr ersehen welche zahl die richtige ist. am genausten ist wohl noch die niedrigste mit 94534 und damit die anzahl der zeilen im csv.

  6. Folgende Mail habe ich denen mal geschrieben:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    mit einiger Bestürzung habe ich zur Kenntniss genommen, das der
    Ärztetag eine Enschließung verabschiedet hat, in der sie den Kurs
    des Familienministeriums zur Sperrung der Kinderpornographie
    unterstützt.

    Da die Entschließung wörtlich mit dem gewünschten
    Entschließungsvorschlag der deutschen Kinderhilfe übereinstimmt, und
    ich mir vorstelle, das solche Entschließungen auf so großen
    Veranstaltungen wie dem Ärztetag vermutlich recht zügig und im
    Formalteil der Veranstaltung abgehandelt werden. Möchte ich sie
    gerne auf einige Tatsachen aufmerksam machen, die die deutsche
    Kinderhilfe gerne Verschweigt, wenn sie auf Stimmenfang für Ihr
    Vorhaben geht.

    Den Wortlaut habe ich am Ende dieser Mail nochmal wiederholt.

    Sie erwähnen dort, das eine Initiative „Internet – Keine Indizierung
    und Sperrung von Internetseiten“ Stimmen sammelt. Die Bezeichnung
    mit ebendieser Interpunktion ist allerdings lediglich der Titel
    einer öffentlichen Petition an den Deutschen Bundestag. Eine
    Gruppierung mit dem Namen existiert nicht. An dieser Petition haben
    bisher knapp 100.000 Bürger mit vollständiger Angabe Ihres Namens
    und der Anschrift teilgenommen, Also eher das Gegenteil, als was man
    sich unter einem Befürworter von Kinderpornographie vorstellt.

    Soweit sich Stimmen der Unterzeichner im Internet verfolgen lassen,
    sind sie sich in 2 Punkten weitgehend einig:

    1. Die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Sperrung von
    Kinderpornographie geht den meisten Unterzeichner nicht weit genug,
    da die Seiten lediglich gesperrt, aber nicht aus dem Internet
    gelöscht werden sollen. Die Sperre der Webseiten hindert absolut
    niemanden daran sich die Seiten im Internet auch weiterhin
    anzusehen. Es soll lediglich ein Hinweis eingeblendet werden.

    2. Das Instrumentarium, dass die Bundesregierung dazu bemüht ist,
    dank Ausschaltung aller Kontrollmechanismen wie Richtervorbehalt,
    oder Kontrollausschuss, zwar zur Verhinderung von Kinderpornographie
    im Netz völlig ungeeignet (Das attestieren übrigens selbst die
    technischen Berater der Regierung) dafür aber ein hervorragendes
    Instrumentarium zur Zensur beliebiger misliebiger Meinungen.

    Leider sind Sie nicht die ersten, denen die deutsche Kinderhilfe
    diese Information vorenthält, und ich muß zugeben, ohne diese
    Zusatzinformation wäre ich auch schnell bereit etwas „gegen
    Kinderpornographie im Internet“ zu unterzeichnen.

    Nun ist das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen, und der
    Ärztetag hat die Entschließung gefasst. Daher möchte ich Sie nur
    bitten, zumindest darauf zu verzichten die Initiative der
    Kinderhilfe durch Unterschriftensammlungen in den Kinderarztpraxen
    zu unterstützen. Die Eltern treffen dort völlig uninformiert auf
    eine Unterschriftenliste, die suggeriert, hier würde twas gegen
    Kinderpornographie getan. Den damit verbundene moralischen Druck
    auszunutzen halte ich für unlauter.

    Ein Beispiel dafür wie unterschiedlich der Durchschnittsbürger mit
    oder ohne Hintergrundinformationen zu diesem Thema steht, können sie
    den beiden Umfragen zum Thema entnehmen, die beide im Abstand von 2
    Tagen von Infratest-Dimap durchgeführt worden sind.

    Die Erste Umfrage, im Auftrag der deutschen Kinderhilfe erbrachte
    eine Überwältigende Mehrheit (>90%) für die angedachten Internetsperren.

    Die Zweite, im Auftrag des Vereins der Mißbrauchsopfer gegen
    Internetsperren, enthielt ein wenig Hintergrundinformation in der
    sehr ähnlichen Fragestellung und ergab eine ebensogroße Mehrheit (>
    90%) GEGEN die Internetsperren der Bundesregierung.

    Bitte vermeiden Sie es also die Uninformiertheit Ihrer Patienten
    wissentlich auszunutzen.

    Ich kann nachvollziehen, wie unangenehm es für Sie sein kann nach
    Berücksichtigung der Fakten festzustellen, das man Ihren guten
    Willen etwas gegen Kinderpornographie tun zu wollen ausgenutzt hat.

    Bitte tun Sie was Sie können, ohne Ihr Gesicht zu verlieren.

    sollten Sie dabei Hilfe benötigen, die für sie evtl schwer
    verständlichen technischen Abläufe zu verstehen, bin ich gerne
    bereit ihnen zu jeder Tages und Nachtzeit zu helfen.
    Kinderpornographie gehört bekämpft, nicht nur verschleiert.

    mit freundlichem Gruß

    Ihre Enschließung lautete:
    2. Schutz der Kinder und Jugendlichen vor kinderpornographischem
    Missbrauch

    Auf Antrag von Herrn Dr. Fischbach, Herrn Dr. Bolay, Herrn Dr. Voigt
    und Frau Frei (Drucksache VIII – 70) fasst der 112. Deutsche
    Ärztetag folgende Entschließung:

    Die deutsche Ärzteschaft unterstützt ausdrücklich die
    Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur „Bekämpfung der
    Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“. Sie fordert den
    Bundesgesetzgeber auf, Kindern und Jugendlichen einen umfassenden
    Schutz vor sexueller Ausbeutung zu sichern.

    Unter Federführung des Bundesfamilienministeriums hat die
    Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur „Bekämpfung der
    Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“ in das Parlament
    eingebracht. Gegen diesen Gesetzentwurf sammelt eine Initiative
    „Internet – Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ in
    einer Online-Petition Unterschriften, weil die Unterstützer dieser
    Interessengruppe im besagten Gesetz einen unzumutbaren Eingriff in
    die Medienfreiheit sehen.

    Kinderpornographie stellt eines der grausamsten Verbrechen an
    Kindern und Jugendlichen dar. Das Internet ist einer der
    Hauptverbreitungswege für kinderpornographische Bilder und Filme.

  7. Noch als kleiner Hinweis weil ja auch der Hack der Kinderhilfe-Seite erwähnt wird. Am Tag nach dem Hack hatte die KH noch eine „lustige“ Meldung veröffentlicht die sie aber am 19.5 wieder gelöscht hat.

    Das Ganze ist hier nochmal hinterlegt: http://textbin.com/8444e

    Nur damit dieses Stimmungsmache-Kleinod nicht verloren geht ;-)

  8. Ich beziehe mich mal auf diese Daten:

    Übersichtsseite 94691
    Einzelauflistung 97248
    CSV 94534

    Eine Info aus dem Petitionsforum:
    Allen potentiellen Unterstützern einer Petition, die keinen namentlichen Eintrag in der öffentlichen Mitzeichnerliste wünschen, bleibt die Möglichkeit, eine Petition per Brief oder Fax zu unterstützen.

    Jetzt meine Frage: wie hoch ist die Zahl wirklich?
    Zu welcher Zahl werden die Leute mit Brief/Fax zugeordnet?
    Gibt es da noch stille Reserven?

  9. Warum setzt die DKH „Pornografie“ und „pornografisch“ immer in Anführungszeichen?
    Muss man wohl nicht verstehen.

    Danke @11:
    Das war wohl sogar dem Verein selbst zu peinlich.

  10. Weil sich das so gehört: mangels Online-Alternative hier einmal öffentliches Lob für die SZ für den Holzmedien-Artikel: Danke :-)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.