Demos, Demokratien und Dienstnummern

Anlässlich der Polizeigewalt auf der Demonstrationen „Freiheit statt Angst“ am vergangenen Samstag (Video) kocht die Diskussion um die Kennzeichnung von Polizeibeamten wieder ein wenig auf: In der Frankfurter Rundschau erhebt die deutsche Sprecherin von amnesty international, Katharina Spieß, erneut die Forderung nach einer eindeutigen Kennzeichnung von Polizisten.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt eine Kennzeichnung der Beamten im Einsatz jedoch strikt ab: „Es gibt genug Beispiele, dass die Familien der Polizisten bedroht wurden, wenn die Namen der Beamten bekannt geworden waren“, sagte Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender GdP, der FR.

Der Chaos Computer Club fordert ebenfalls eine bundesweit einheitlichen Dienstnummer, dessen Mitglied und Blogger Fefe präzisiert diese folgendermaßen:

Auf den Namen der Beamten bestehen wir nicht. Das kann eine Nummer sein, die nur vor Gericht zugeordnet werden kann. Und vor allem kann man eine neue Nummer für einen Beamten vergeben, wenn die Zuordnung rauskommt. Oder man vergibt die Nummern pro Einsatz neu. Wir sind da nicht dogmatisch. Wir wollen nur eine Möglichkeit haben, wie man einen Prügelpolizisten auf einem verwackelten Foto von einer Demo im Zwielicht mit Helm trotzdem erkennen kann, wenn man ihm vor Gericht etwas anlasten will.

Der Innenausschuss des Berliner Abgeordntenhauses hat nun für kommenden Montag als letzten Punkt eine Besprechung des Polizeieinsatzes auf der Demonstration auf der Tagesordnung, worum die FDP-Fraktion bat.

Ferner findet sich auf der Seite des Ausschusses hat eine Liste aller unerledigten Vorgänge. An oberster Stelle steht – vertagt seit dem 1. Februar 2007 – der Antrag auf „Individuelle Kennzeichnung bei der Polizei“ der Grünen Fraktion (leider nur PDF), der das Einfügen folgenden Passus in das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlins fordert:

§12a Ausweisungspflicht, Kennzeichnung

(1) Die Dienstkräfte der Ordnungsbehörden und der Polizei sind verpflichtet, sich bei Diensthandlungen auszuweisen.

(2) Auf Verlangen ist die Dienstkarte mit der Dienstnummer auszuhändigen. Im geschlossenen Einsatz stellen die Vorgesetzten das Aushändigen sicher, wenn die besonderen Umstände des Einsatzes ein direktes Aushändigen nicht zulassen.

(3) Bei geschlossenen Einsätzen müssen die Polizeibeamten eine zur Identitätsfeststellung geeignete individuelle Kennung deutlich sicht- und erkennbar an den Uniformen tragen.

Alle Protokolle der öffentlichen Sitzungen, in denen der Antrag behandelt wurde, finden sich auf der Website zum Antrag (PDF-Links rechts am Rand).

Am kommenden Montag, den 21. September, findet also ab 10 Uhr die Sitzung im Abgeordnetenhaus, Raum 311 – wie immer öffentlich – statt. Wer sie sich anschauen will, sollte sich vorsichtshalber vorher anmelden. Die Einladung samt Tagesordnung gibt es leider nur als PDF. (Vorher macht die CDU noch ein paar – parlamentarsich scheinabr hilflose – Unternehmungen mehr Videoüberwachung zuzulassen. Der Antrag der Grünen steht nicht auf der aktuellen Einladung.)

Fefe „formuliere mal die Ziele“, wie sie sich aus seiner Sicht darstellen, der ich mich gerne anschließe:

1. Die beiden Prügelpolizisten müssen mindestens suspendiert werden, besser ganz gefeuert. Zum Verlust des Beamtenstatus ist nötig, dass ein Beamter rechtskräftig wegen einer vorsätzlichen Straftat zu Freiheitsentzug von zwölf Monaten oder mehr verurteilt wird.
2. Polizisten müssen ab jetzt per Nummernschild (am besten bundesweit einheitlich) von einem Gericht identifizierbar sein, z.B. so wie hier [Anm. siehe unten] beschrieben.
3. Für die Zukunft müssen wir Ausschreitungen wie diese verhindern, indem Polizisten psychologisch betreut und überwacht werden, und nur solche Beamte „an die Front“ gelassen werden, die nicht zu Gewalt neigen und sich auch nicht von ein paar blöden Sprüchen provozieren lassen.

Zu seiner konkreten Vorstellung der Umsetzung, angelehnt an die in den USA immer gängige Polizeikennzeichnung schreibt Fefe:

Also, was mir vorschwebt, wenn ich eine Polizisten-ID fordere, ist ein Nummernschild wie beim Auto. Z.B. „B-2201-12“ zeichnet Beamten 12 aus der Berliner Einheit 2201 aus. Das dann bitte wie beim Auto mit genormter OCR-Schrift, damit man es aus Fotos sauber rausextrahieren kann. Und das einmal auf dem Rücken und einmal auf der Brust. Es muß nicht so groß sein wie beim Auto, man ist ja beim Fotografieren näher dran und es muß ja nicht affig und degradierend aussehen. Aber so wäre der Datenschutz der Beamten gesichert, weil man mit der Nummer ja noch nicht an den Namen rankommt, das kann dann das Gericht im Falle einer Klage zuordnen. Dieses System entkräftet die Argumente der Polizeigewerkschaft vollumfänglich.

Es bleibt zu hoffen, dass in dieser Sache nun vielleicht endlich mal etwas passieren könnte. Ein bundesweit-einheitliches System müsste eh auf einer Innenministerkonferenz, durch eine Bundesratsinitative oder dem üblichen parlamentarischen Prozess in Gang gebracht werden. Ob nun per Fraktion, Petition oder gar EU-Richtlinie. Bleibt kreativ.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

19 Ergänzungen

  1. Härtere Strafen? Also feuern oder so’n Quatsch muss nun wirklich nicht gefordert werden. Nen Verfahren ist schon hart genung und es sollte primar nicht um die Strafe, sondern um ein generelles Umdenken gehen. Die Idee mit der Nummer ist gut – ne fortlaufende Nummer ohne Bezug zu Bundesland oder Einheit ist aber völlig ausreichend.

  2. Ja, ich finde gut, dass dies nun gefordert wird. Ich schließe mich dem an. Und ich denke, dass dies ein guter Kompromiss wäre. Eine Nummer die man nur über das Gericht zum Namen verfolgen kann. Zur Not kann man ja in der Öffentlichkeit den Namen auch zensieren um Selbstjustiz an den Polizisten zu vermeiden.

  3. Bis dahin könnte man überlegen ne „Cop-Watch“ Gruppe mit HD Cams ausgerüstet auf den künftigen Demozügen zu „verstreuen“, so dass eine Dokumentation wie im Fall des „Herren im blauen Hemd“ möglich ist.
    Aber die IDs auf Uniformen sollte umgesetzt werden. Verstehe auch nicht warum sich die GdP dagegen wehrt, sie schützt damit ja auch die eigenen Leute, schließlich bringen solche Prügel-Deppen den ganzen Laden in Verruf, wenn man dann noch das Gefühl hat der Laden ist an keiner Aufklärung interessiert, ist das ein gefährliches Signal an die Bevölkerung.
    Angst vor Polizeikräften hält Menschen ab zu demonstrieren, nicht wenige kommen gerne mit dem „Argument“: „Polizeigewalt? Selbst schuld, was gehst Du auch auf ne Demo.“ Und das habe ich schon von recht vielen gehört. Das finde ich erschreckend!
    Zur „Freiheit statt Angst“ Demo habe ich oft genug sagen müssen: „Hey, hier wird es keine Auseinandersetzungen geben, das bleibt ganz friedlich, sind alles harmlose Nerds, da schickt die Polizei nicht viele Trupps hin…“ Diese Argumente waren bei etlichen nötig, da sie vor solchen Eskalationen Angst hatten.
    So stehts um die Demonstrationsfreiheit in diesem Lande!

  4. „3. Für die Zukunft müssen wir Ausschreitungen wie diese verhindern, indem Polizisten psychologisch betreut und überwacht werden, und nur solche Beamte “an die Front” gelassen werden, die nicht zu Gewalt neigen und sich auch nicht von ein paar blöden Sprüchen provozieren lassen“

    Das ist eine total unrealistische Forderung. Einerseits kommt ein Großteil der Hundertschaftspolizisten aus einem Milieu, das diesen psychologischen Dingen gar nicht zugänglich ist. Das ist bei ihren Aufgaben und ihrem Einsatzgebiet naturgemäß. Ich denke, man ist da der Meinung, wer u.a. auf Veranstaltungen wie dem 1. Mai eingesetzt wird, muss hart im Nehmen sein. Das heißt, dass ein Großteil der Hunderschaften dann wie leergefegt sein wird. Und das ist ja politisch nicht denkbar, auch wenns einige freuen würde ;-)

    Weiterhin wären das eine ganz schöne Menge Psychologen und eine riesige Kostenposition. Inbesondere Berlin wird sowas schon aus haushaltspolitischen Gründen ablehnen.

    Grundsätzlich sollten psychologisch einfachere Maßnahmen anvisiert werden, z.B. eine komplette Entkasernierung der Hunderschaften (bricht etwas von dem Korpsbewusstsein) und natürlich muss die Ausbildung neugeordnet werden: Polizisten sollten nicht größtenteils durch Polizisten ausgebildet werden, sondern von polizeiunabhängigen Kräften. Dann gibt es vielleicht auch weniger „gute Ratschläge“, wie man mit dem „Demonstrantengesindel“ umgehen sollte.

  5. Mal so ganz naiv in die Runde gefragt: Gilt Punkt 3 eigentlich auch vice versa? Eigentlich wäre es doch nur fair, wenn wir demnächst dann auch eine psychologische Überwachung von Demonstranten haben und nur solche „an die Front“ schicken, die eben keine dummen Sprüche reissen. Brauchen wir nicht also bei Demos noch viel mehr Leute, die auf beiden Seiten deeskalierend eingreifen? Wenn man sich das gerade eben gepostete Video anschaut, dann fliegen da Beschimpfungen wie „Du Schweinehund“, werden die Polizisten teilweise von aggressiv wirkenden Demonstranten eingekesselt. Kann es das wirklich sein? Ich denke nicht..

  6. Das Polizisten-Nummerschild könnte man ja auch für jede Veranstaltungsüberwachung neu vergeben.

    Dann hat nicht der gleiche Polizist bei jeder Maßnahme die gleiche Nummer. Dadurch kann keiner behaupten, die Familie oder was auch immer sei durch die ID in Gefahr gebracht.

  7. EU-Richtlinie? Sonst geht’s aber gut, ja?

    Die Zuständigkeit für das Polizeirecht ist nun wirklich ein unverzichtbares Merkmal deutscher Staatlichkeit.

  8. „Die Idee mit der Nummer ist gut – ne fortlaufende Nummer ohne Bezug zu Bundesland oder Einheit ist aber völlig ausreichend.“

    Nein, ist sie nicht. Zumindest die handelnde Behörde (also _mindestens_ das Bundesland) muß erkennbar sein.

  9. „Alle Protokolle der öffentlichen Sitzungen, in denen der Antrag behandelt wurde, finden sich auf der Website zum Antrag (PDF-Links rechts am Rand).“

    Die Schnittstelle dieser Datenbank ist aber echt mal wieder unter aller Sau …

  10. Es ist ja leider nur die Ausnahme das solch ein Vorfall publik wird
    und vor allem dieses große Medieninteresse zuteil wird. In den
    seltensten Fällen wird sowas ja gerade gefilmt. Umso unverständlicher
    ist es für mich, dass ähnliche Videos nicht zu erforderlichen
    Konsequenzen führen. Hier ein paar Beispiele: im ersten droht der
    vermummte (!) Polizist sogar damit einen Journalisten zu erschießen.
    Dieser kontert jedoch ausgesprochen souverän und fordert zu Recht
    nach dem Polizeigesetz den Namen des Beamten, was diesem schlicht weg
    egal ist, wie er sagt. Dies zeigt uns doch sehr anschaulich einmal
    mehr, wie wichtig eine Kennzeichnungspflicht der Polizisten ist.
    http://www.youtube.com/watch?v=HMRFzI5JZ9s

    Und hier noch ein weiteres Beispiel, wobei das Verhalten des
    Kameramanns hier sicherlich auch nicht ganz ok ist.
    http://www.youtube.com/watch?v=IpQK5JcjFOE

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.