Anfrage an das Umweltministerium wegen Löschungskriterien

Da die Pressestelle des Bundesumweltministeriums wegen weiterer Anschlussfragen bezüglich der Löschung von Atom-kritischen Publikationen im Online-Angebot bisher noch nicht zurück gerufen hat, habe ich mal eine weitere schriftliche Anfrage gestellt. Diese lautete:

Sehr geehrte Damen und Herren,

am vergangenen Freitag hatte ich Ihnen Fragen zur Löschung einiger Atomindustrie-kritischer Publikationen im Online-Angebot Ihres Ministeriums nach dem Regierungswechsel geschickt. Diese Fragen sind mir gestern am Telefon mit folgender Begründung beantwortet worden:

1. Wenn Broschüren offline vergriffen sind, werden sie auch online aus dem Angebot genommen, weil sie ja offline nicht mehr verfügbar sind.
2. Alle Broschüren, in denen der vorherige Minister im Vorwort mit Foto gefeatured wird, werden automatisch nach Regierungswechsel aussortiert. Dies sei ein normaler Vorgang bei jedem Regierungswechsel.

Allerdings zeigt eine Überprüfung, dass beide Begründungen nicht zutreffen. Es finden sich weiterhin zahlreiche weitere Publikationen zum Download in Ihrem Angebot, die einerseits vergriffen sind, andererseits ein Vorwort und Foto Ihres vorherigen Ministers beinhalten. Vor allem beinhaltet z.B. die Publikation „Einfach abschalten?“ kein Vorwort von Sigmar Gabriel.

Ich habe gestern nochmal telefonisch nachfragen wollen, aber bisher habe ich keinen Rückruf bekommen.

Vielleicht können Sie mir ja daher schriftlich die folgenden Fragen beantworten:

1. Wie erklären Sie sich, dass die mir geschilderte Begründungen offensichtlich nicht zutreffen?
2. Warum wurden ausgerechnet diese Atomindustrie-kritischen Publikationen gelöscht, zahlreiche andere Publikationen aber nicht?
3. Gibt es eine (digitale) Archivierung dieser ehemals öffentlich-zugänglichen Publikationen, die mit Steuergeldern finanziert wurden? Wenn ja, wo werden diese archiviert?

Über eine baldige Beantwortung meiner Fragen würde ich mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen,
Markus Beckedahl

Update: Die Pressestelle hat sich gerade für unseren Hinweis bedankt und angekündigt, die Publikationen wieder, wie vorher, im Netz zugänglich zu machen.

Hier ist „Atomkraft – Ein teurer Irrweg. Die Mythen der Atomwirtschaft“ und hier „Einfach abschalten? Materialien für Bildung und Information“.

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10 Ergänzungen

  1. Sehr geehrter Herr Beckedahl,

    gerne beantworten wir Ihnen Ihre Fragen:

    1. Die geschilderten Begründungen treffen tatsächlich nicht zu. Haben sie von einem CDU-geführten Bundesministerium etwa anderes als Unwahrheiten erwartet?
    2. Die Atom-Industrie hat uns gegenüber größere Spendenbereitschaft als andere Industriezweige gezeigt, daher werden ausgerechnet diese Publikationen zuerst entfernt und durch atomfreundliches Propagandamaterial ersetzt.
    3. Alle Publikationen wurden unter „M“ wie Müll archiviert. Was Sie dagegen mit „digital“ meinen, ist uns in der CDU leider völlig unbekannt.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Ihr Atompropagandaministerium

  2. Ich finde es sehr gut, dass hier so hartnäckig geblieben wird. Die Antworten sind ja wirklich nicht zufriedenstellend und ich würde mich auch für eine richtige Antwort interessieren!

  3. Die CDU muss wohl erst mit den Anwälten beraten wie man korrekt antwortet, bzw. was man genau antwortet.

    Und vorher muss natürlich festgestellt werden, wem man den schwarzen Peter zuschiebt. Wahrscheinlich wars nen Praktikant der für die Seite zuständig war oder sowas. ;)

    Die CDU wird den Vorfall zutiefst bedauern und Besserung geloben. (Oder einfach die Justizkeule schwingen).

  4. Ich frag mal ganz naiv, ich hab wirklich keine Ahnung:

    Ist denn ein Ministerium verpflichtet, Broschüren online verfügbar zu halten, deren politischen Inhalt den Ansichten der Vorgänger-Regierung entspricht?
    Gibt es da ein online-Archivierungsgebot oder ist das hier ein moralisches Problem?

    Ich kann mir vorstellen, dass ich prä-Internet-Zeiten kein Mensch veraltete Broschüren hätte bestellen können, die der Regierung politisch nicht in den Kram passen… warum auch? Wer sowas lesen will muss wohl in die Deutsche Bibliothek, da findet man die vermutlich…

    1. @katharina: Das ist ja die spannende Frage. Zumindest sollte an einem öffentlichen Ort, wie digitalen Bibliotheken, nachvollziehbar sein, was vergangene Regierungen angestellt haben. Sonst kann man ja einfach Geschichte fälschen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.