Was bringt Rot-Grün in Hessen?

Der Koalitionsvertrag von Rot-Grün in Hessen (PDF) ist nun veröffentlicht. Anlass sich einmal die Abschnitte Inneres, Polizei, Justiz und Medien genauer anzuschauen.

Zu Anfang verschlug es mir schon leicht die Sprache, als ich folgendes las:

Dabei muss er [der Staat] der tatsächlichen Bedrohungslage Rechnung tragen und für ein subjektives Sicherheitsgefühl seiner Bürgerinnen und Bürger sorgen.

Bislang kannte ich diese Floskel nur als Kritik an der staatlichen Praxis – was nützt ein erhöhtes Sicherheitsgefühl, wenn dadurch Geld ausgegeben, Freiheitsrechte ausgehöhlt und nicht wirklich was gegen Gefahren getan wird? Immerhin wirbt der Vertrag für eine deutliche personelle Aufstockung der Polizei und nicht für weitere Überwachungsmaßnahmen.

„Unverhältnismäßige Eingriffsbefugnisse“ werden abgelehnt – diese Betonung scheint angebracht zu sein, wo der ohnehin rechtsstaatlich verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz immer mehr ins Vergessen zu geraten scheint.

Zu Datenschutz und staatlicher Transparenz werden nicht viele und nur meist unkonkrete Worte verloren:

Den Datenschutz wollen wir in Hessen verbessern und neu organisieren. Gleichzeitig werden wir die Transparenz staatlichen Handelns erhöhen und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Beteiligungsrechte ermöglichen.

Ferner soll es nun auch ein Landesinformationsfreiheitsgesetz geben und im Zuge dessen der Datenschutzbeauftragte auch auch der Beauftragte für Informationsfreiheit werden. Dafür soll er auch eine Hauptamtliche Stelle bekommen. Aus dem Büro des Datenschutzbeauftragten soll, ähnlich wie in Schleswig-Holstein, ein unabhängiges Zentrum werden, dass sich auch mehr um die Privatwirtschaft kümmern soll. Von einer Aufstockung seiner finanziellen oder personellen Mittel ist leider keine Rede.

DNA-Tests für unter 14-jährige sowie die automatische Kennzeichenerfassung werden abgeschafft. Ob das auch die Mautbrücken meint?

Dem „demokratisch kontrollierten Verfassungsschutz“ wird weiterhin ein Existenzrecht zugesprochen, wobei dem Trennungsgebot zwischen ihm und der Polizei weiterhin „ein hoher Stellenwert“ zugesprochen wird.

Ferner will man immerhin die weitere Einführung von SAP-Software im Verwaltungs- und Justizbereich „kritisch überprüfen“. Zum Stichwort „eGovernment“ darf man gespannt sein, was hieraus folgen wird:

Die E-Government-Anwendungen für Bürgerinnen und Bürger werden wir verbessern und Beteiligungsmöglichkeiten durch „E-Partizipation“ schaffen.

Im Medienabschnitt findet sich der Wille ganz Hessen mit Breitband-Anbindung zu versorgen, bekennt man sich zum Dualismus von Öffentlich-Rechtlichen wie privaten Anbietern und zu „der Schaffung von [ÖR-]Angeboten im Internet“. Was das – angesichts des jüngsten Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz – genau meint, wird nicht weiter ausgeführt.

Sehr löblich ist hingegen das Vorhaben das Presserecht so zu ändern, dass Zeitungen und Co im Impressum offen legen müssen, wer jeweils Eigentümer von dem Laden ist.

Folgende Suchanfragen auf das Dokument führten leider zu keinem Ergebnis: „Freie Software“, „Linux“, „Wahlcomputer“, „Onlinedurchsuchung“. Alles in allem hätte ich schon ein bisschen mehr von einer rot-grünen Regierung erwartet.

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Eine Ergänzung

  1. Das der Begriff „subjektives Sicherheitsgefühl“ gewählt wurde, bedeutet doch, dass die Koalitionsparter sich einig sind, dass die reale Sicherheit schon sehr gut ist. Zumindest bei den häufig thematisierten Verbrechen werden wir dem doch nicht widersprechen.

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