Verfassungsrichter: Wahlcomputer unsicher

Das Bundesverfassungsgericht hat noch keine offizielle Pressemitteilung online, aber die Futurezone titelt schon mit Verweis auf Reuters: Verfassungsrichter: Wahlcomputer unsicher.

Mehrere Richter kritisierten am Dienstag in der mündlichen Verhandlung des Gerichts in Karlsruhe, dass mit den derzeitigen Systemen weder die korrekte Speicherung der abgegebenen Stimmen noch deren Auszählung kontrolliert werden könne. Das Wahlergebnis könne später bei Bedarf jedoch überprüft werden, wenn die Stimmen als Wahlzettel ausgedruckt und aufbewahrt würden, sagte Richter Rudolf Mellinghof.

Interessant ist auch der Artikel in der Frankfurter Rundschau: Zweifelhafte Wahlcomputer.

Die Vertreter des Deutschen Bundestages und der hessische Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel verteidigten die Wahlcomputer: Auch Menschen machten Fehler. Gerade bei mehreren Wahlen an einem Tag gebe es Zählfehler, die bei der Maschine ausgeschlossen seien. Während bei der manuellen Wahl Stimmberechtigte häufig ungewollt ungültig wählen, könnte eine Wahlmaschine eine ungültige Stimme sofort erkennen und nachfragen. Deshalb gebe es bei Wahlmaschinen nur halb so viel ungültige Stimmen.

Und lesenswert ist der Kommentar bei Zeit-Online: Verfassungsrichter trauen Rechnern nicht.

Den Befürworten genügt jedoch diese grundsätzliche Gefahr als Argument nicht. Bundestag und Landeswahlleiter halten die Wahlcomputer für praktisch und sicher, das scheint ihnen zu reichen. Die Vorteile liegen aus ihrer Sicht auf der Hand: Kosten und vor allem Zeit lassen sich sparen, denn die Auszählung per Computer geht ungleich schneller als per Hand, die Kommunen müssen nicht mühsam nach Wahlhelfern und Auszählern suchen, die sich immer schwerer finden lassen; die Ergebnisse könne zügig an die Landes- und den Bundeswahlleiter übermittelt werden. Die Öffentlichkeit und die Wähler, nicht zuletzt die Medien, haben rasch endgültige Ergebnisse. Wie immer, wenn es um technischen Fortschritt geht, stellt sich allerdings die Frage: Was sind wir bereit, für die Beschleunigung und die Vereinfachung zu opfern?

Heise war vor Ort: Verfassungsgericht bereitet Grundsatzentscheidung zu Wahlcomputern vor.

Mellinghoff ließ auch durchblicken, dass der Zweite Senat eine Grundsatzentscheidung vorbereitet. Der Maßstab, „den wir in diesem Fall ganz neu bilden müssen“, werde Auswirkungen auf eine ganze Reihe von Wahlsystemen haben. Ob er sich grundsätzlich gegen eine Mediatisierung der Stimmabgabe wende, wollte Verfassungsrichter Prof. Udo Di Fabio von dem zweiten Vertreter der Beschwerdeführer, Prof. Wolfgang Löwe, wissen und brachte provokativ das Wort „Technikfeindlichkeit“ ins Spiel. „Mit Technikfeindlichkeit hat das gar nichts zu tun“, entgegnete Löwe. Die gegenständliche Verkörperung der Wählerstimmen sei aber ein wesentliches Element für die Sicherheit durch Kontrolle. Während wir in der Bundeswahlordnung den Umgang mit Stimmzetteln „liebevoll im Detail regeln“, klaffe bei den Wahlcomputern hingegen „ein normatives schwarzes Loch“. Es ginge nur darum, das blinde Vertrauen in die Technik auszuschließen. Dem schloss sich der dritte Vertreter der Beschwerdeführer, der Hamburger Staatsrechtler Prof. Ulrich Karpen, ausdrücklich an. „Wir sind keine Technikfeinde“, erklärte er. „Was wir sagen ist, dass der Stand der Technik noch nicht ausgereift ist.“ Und Wahlen seien nun einmal „kein geeignetes Spielfeld für technische Innovationen“.

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