Nachrichtenüberblick

Ich bin gerade beim Hattinger Mediensommer und gebe hier ein Seminar bis Freitag. Ich komme hier etwas weniger zum bloggen und deshalb gibts eine Zusammenfassung:

Die Taz berichtet über eine Studie von Big Champagne, die im Auftrag der britischen Musikverwertungsgesellschaft MCPS-PRS Alliance (äquivalent zur GEMA) erstellt wurde: Experiment gescheitert. Untersucht wurde, wie Musik-Fans auf das Angebot von Radiohead reagierten, sich das Album auf deren Webseite gegen einen selbst zu bestimmenden Betrag herunterzuladen.

So ist zwar ungewiss, wie die Zukunft der Musik aussieht. Vielleicht wird sie zum Werbeträger degradiert. Vielleicht nur noch live aufgeführt und für Filmsoundtracks lizenziert. Vielleicht gibt es sie bald als Dreingabe zum Pfund Kaffee. Aber eines steht nun fest: An den Endkunden verkauft wird Musik demnächst nur noch in Notfällen.

So ganz pessimistisch finde ich es das Ergebnis der Studie nicht. Bzw. wundere ich mich nicht, dass das Album trotzdem so häufig in Tauschbörsen geladen wurde. Es war auch früher ganz normal, dass auf ein legales Album einige Kopien kamen. Ausserdem dürfte nicht jeder ein grosser Fan sein und Tauschbörsen waren wohl einfacher zunutzen als die Radiohead-Seite.

Im US-Senat ist vergangene Woche ein umstrittener Gesetzesentwurf verabschiedet worden, der Universitäten zum Kampf gegen Tauschbörsen-Nutzung zwingt. Mithilfe „technikbasierter Abschreckungsmittel“ soll zukünftig verhindert werden, dass die Studenten weiter copyright-geschützte Inhalte über die Uni-Netze verteilen. Die Idee kam wie immer von der Inhalteindustrie und dort stellt man sich Filter und dergleichen vor. Die universitären Netzwerk-Betreiber standen schon lange unter massiven Druck der Rechteindustrie. Deren grösster Alptraum war, dass Studenten in Wohnheimen ein Darknet errichten und einfach Musik und Filme tauschen. Nun sollen die Unis Filter errichten, die sowas verhindern sollen. Und wenn Unis da nicht mitmachen, könnten staatliche Fördermittel gekürzt werden. Ausserdem werden die Unis angehalten, Abonnements für legale DRM-basierte Musikdienste wie Napster & Co zu erwerben. Das ist natürlich auch ein Weg, diese Schrott-Dienste an junge Menschen zu vertreiben, wenn diese automatisch über die Studiengebühren bezahlt werden.

Für den ersten »Ubuntu Free Culture Showcase« sucht das Ubuntu-Projekt nach freien Inhalten, die auf die nächsten Distributions-Releases gepackt werden können. Bedingung sind die Verwendung einer »Creative Commons Attribution ShareAlike«-Lizenz und bei Audio- und Videoinhalten die Formate Ogg Vorbis und Ogg Theora. Eine Jury entscheidet, welche der eingereichten Beiträgen genommen werden.

Tipps und Tricks für China-Besucher und Journalisten, die vor Ort von den olympischen Spielen berichten: Chaos Computer Club bietet Betroffenen Hilfe gegen Zensur in China. In einfachen Worten wird erklärt, wie die chinesiche Internetzensur in der Regel funktioniert und welche Tools dagegen helfen können.

Überraschung: Über Twitter kann man auch Angriffe starten. Auch hier gilt die allgemeine Medienkompetenz-Regel, dass man nicht auf alles klicken soll, was irgendein Fremder mit einem schönen Bild einem schickt. Und wer dann auch noch irgendwelche Codecs nach installieren lässt, hat dann ein Problem.

Über Wikis in Organisationen am Beispiel von Diplomedia berichtet die New York Times: An Internal Wiki That’s Not Classified.

Telekom-Kunden aufgepasst: Das Unternehmen ist ganz schlau und deklariert einfach Verbindungsdaten als Rechnungsdaten, wenn Rechteinhaber nach Kundendaten anfragen und denkt, man sei damit aus dem Schneider. Toll für die Rechteinhaber und schlecht für die eigenen Kunden. Zumal das auch nicht ganz legal sein dürfte. Fragt doch mal beim Unternehmen nach, wenn Ihr Kunde seid, wie da jetzt der Stand ist und ob Eure Daten dort noch sicher sind.

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8 Ergänzungen

  1. Darknets an Unis bzw. Wohnheimen sind doch standard oder? Sind halt nicht ans Internet angebunden so das alles im LAN der Uni bleibt. Ist halt besser als jeder kauf Dienst – es gibt alles und es funktioniert.

  2. Ich finde es bemerkenswert, dass in dem taz-Artikel kein einziges Mal konkret genannt wird wie oft das Album denn von der offiziellen Seite heruntergeladen wurde. Will man uns hier etwa verschweigen, dass es doch nicht so erfolglos war wie es dargestellt wird?

    Ebenso bemerkenswert (dumm) fand ich folgenden Satz:
    „Nicht jede Band hat so treue Fans wie Radiohead, und die unbekanntere Konkurrenz muss erst prominent werden, bevor sich irgendjemand ihr Produkt wird schenken lassen wollen.“
    Gerade kostenlos vertriebene Alben sollten doch die Bekanntheit einer Band steigern denn für ein Album einer unbekannten Band zahlt sicher keiner 15€

  3. hat obama das im us-senat mitverabschiedet?

    lg

    ps: schreibt man/frau mitverabschiedet zusammen oder auseinander, laut neuer rechtschreibung…

  4. Da warnen die Verfasser der Studie ausdrücklich davor, das Experiment von Radiohead als Fehlschlag zu bezeichnen – „(…) anyone who has made it to the end of this paper and assumes that the project was a failure has missed two critical points” – und trotzdem reicht das Textverständnis des TAZ-Autors nicht aus, die doch eher schlichten Erkenntnisse wenigstens einigermaßen korrekt niederzuschreiben.

    Dass auf den kommerziellen / musikindustriellen Hintergrund dieser Studie, die Interessen von MCPS-PRS und Big Champagne, nicht einmal andeutungsweise eingegangen wird, versteht sich bei dieser Art des „Qualitätsjournalismus“ von selbst. Schade eigentlich.

  5. Bzw. wundere ich mich nicht, dass das Album trotzdem so häufig in Tauschbörsen geladen wurde.

    Eben, was soll denn die Aufregung? Soweit ich weiß, war bei Radiohead eine Registrierung fällig. Dass darauf keiner Lust hat, ist doch klar. Die sollen sich lieber über den gesparten Servertraffic freuen.

    Ob das P2P-Verteilen eines ohnehin gratis angebotenen Albums überhaupt noch als „illegal!“ zu beschimpfen ist? Nur weil die Registrierung umgangen wird?

  6. @ (7):
    „Soweit ich weiß, war bei Radiohead eine Registrierung fällig. Dass darauf keiner Lust hat, ist doch klar.“

    Genau das war eines der Ergebnisse der Studie, bei der es nicht nur um Radiohead, sondern auch um Nine Inch Nail ging:

    “Given that, it is perhaps not surprising that the NIN.com site was far more successful as an alternative to the habitually used (pirate) torrent venues. The majority of copies of NIN’s The Slip were (freely) acquired from the official, sanctioned source. Radiohead’s In Rainbows experiment, while generally held to be a great success and good precedent, was nonetheless less competitive, by the numbers.”

    Und die wichtigste Erkenntnis war: llegale Downloads stehen NICHT (wie die Musikindustrie – und auch alle diejenigen, die seit Jahren den „Tod“ der Musikindustrie verkünden – behaupten) IN KONKURRENZ zu einander stehen, sondern ERGÄNZEN SICH:

    „So, did the offer of their album ‚for free‘ succeed in diverting traffic away from Torrent sites? Our answer is yes, but with a twist. This might confuse readers at first, but we conclude by returning to our venue hypothesis, and its implications, that both torrents and legal downloads would appear to be complements, not competitors. Think of the meaning of the term complements in the context of popularity, where there is now a wealth of information and a poverty of attention. The challenge of achieving popularity (or attention) when the old rules of scarcity and excludability don’t apply (to information goods).

    Leider hab’ ich keinen Bericht (Presse/Blogs) gefunden, in dem das wichtigste Ergebnis der Studie erwähnt wird. Überall steht der gleiche Mist wie in der TAZ. Falls es doch korrekte Darstellungen / Interpretationen gibt, bitte verlinken. Danke!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.