iSummit 08: Best of Keynotes

Auch beim diesjährigen iSummit in Sapporo gibt es wieder die tägliche Dosis an dicken Ideen in Form von Keynotes, in der Sprache der Programmseite: „framing your day with big ideas“. Jeden Morgen und jeden Nachmittag lassen jeweils drei mehr oder weniger prominente Personen die Dinge auf die iSummit-Teilnehmer los, die sie für wichtig halten. Hier nun ein kleines Best-of der bisherigen Keynotes:

Read-Write-Suchmaschinen

Nachdem Heather Ford eine sehr allgemeine Eröffnungsrede gehalten hatte, in der sie von Wasser bis Zugang zu Mobilfunknetzen so ziemlich alles abdeckte, was auch nur im Entferntesten mit Gemeingut zu tun hat, wurde Jimbo Wales per Videostream aus Californien zugeschaltet und bewarb sein Projekt Wikia Search. Er kritisierte die großen drei Suchmaschinen-Platzhirsche:Wie werden Suchresultate erzeugt (die ersten Einträge der Suchergebnisse stimmen bekanntlich nicht selten mit denen der sposored ads überein)? Wenn man seine Seite nicht weit oben auf der Ergebnisliste findet, empfiehlt Google, dass man einen SEO-Experten anheuert. Soll das die beste Lösung sein? Wie sieht es mit dem Datenschutz in Zeiten von Google Maps Street View? Alle Suchergebnisse von den großen drei sind „Read only“, keine Verbesserung kann von den Nutzern direkt vorgenommen werden. Also versucht er nun, das Wikipedia-Momentum auf seinen eigenen Suchansatz Wikia Search zu übertragen. Das Ganze steht unter der FreeBSD Lizenz, der Code kann über Subversion verwaltet werden und es gibt einen „distributed web crawler“. Dennoch erreichen die Suchergebnisse bislang noch nicht die „industry standards“, Jimbo Wales zählt aber auf den „human touch“, der durch viele Mitwirkende erreicht werden kann. Seit Anfang des Jahres gibt es insbesondere aus Deutschland und der Türkei eine sehr aktive Mitwirkung, was Jimbo Wales sich nicht wirklich erklären kann, er dankt aber dennoch und wünscht sich noch mehr davon.

Jamie King: Bitte bitte steal this film!

Außer den bereits oft gehörten Dingen über Steal this film hat Jamie King sich vor allem verwundert gezeigt, dass in den zwei Jahren, seit das mit seinen Projekten verbundene Verbreitungsmodell über BitTorrent bekannt wurde, es bisher noch von niemandem im kommerziellen Sektor nachgeahmt wurde, obwohl er ständig davon erzählt. Ansonsten ließ er die Zuhörer zurück mit der durchaus auslegbaren Aussage „business is piracy and piracy is business“.

YouTube und CC-Lizenzen für Al Jazeera

Einen Redner der etwas anderen Art stellte Mohamed Nanabhay dar, der für den neuen iCommons-Medienpartner Al Jazeera sprach. Er benannte die Herausforderungen, denen sich die traditionellen Massenmedien im digitalen Zeitalter gegenübersehen.

1. Sie verlieren Konsumenten an andere Plattformen und Verbreitungskanäle

2. Es gibt immer mehr Produzenten von Inhalten

3. Der Content, den man sendet, geht so oder so online, egal ob man das will oder nicht

4. Die zugehörigen Geschäftsmodelle sind noch undefiniert

5. Intern gibt es große Beharrungskräfte

Die Medienunternehmen befänden sich im Unklaren über ihre eigene (zukünftige) Rolle und letztendlich in einer handfesten Relevanzkrise. Al Jazeera versucht dem mit „Al Jazeera Labs“ (labs.aljazeera.net) zu begegnen, einem Thinktank, der Produkte rund um die neuen Arten des Konsumierens entwickeln soll. Al Jazeera nennt die resultierende Verbreitung dann „distributed distribution“, gleichzeitige Verbreitung neuer Inhalte über TV, SMS-Newsservices, YouTube, Blogs, Podcasts, soziale Netzwerke etc. Dieser Art des Outputs soll eine ebenso verteilte Art des Inputs hinzugefügt werden. Ansonsten ist freie Lizenzierung für Al Jazeera vor allem ein wirtschaftliches Instrument und weniger eine Sache der Unternehmensphilosophie. Man nutzt es zum Aufbau von Reputation, um neue Konsumentengruppen zu erreichen, in neue Märkte einzubrechen, den Zuschauern Respekt zu vermitteln und um Konkurrenten unter Druck zu setzen. Die besten Erfahrungen hat Al Jazeera damit gemacht, dass sie selbst Content auf YouTube eingestellt haben.

Der doppelte Fehler neoliberaler Politik

David Bollier vereinfacht die Sicht der Welt auf einen „doppelten Fehler“, den er vor allem in der neoliberalen Politik erblickt: Limitierte (natürliche) Ressourcen werden so behandelt, als wären sie unendlich, während zugleich die nicht limitierte Ressourcen (Wissen, Ideen, Kreativität) so behandelt werden, als wären sie endlich, indem man mittels Gesetzen künstliche Monopole schafft. Ob es ganz so einfach ist, sei mal dahingestellt. Jedenfalls sieht David in der Gruppe der anwesenden „Commoners“, sich selbst einschließend, das Potenzial für nicht weniger als eine neue politische Macht, denn: „Wir“ haben demnach:

– eine unvergleichliche internationale Reichweite

– großartige politische Fähigkeiten

– viel Kompetenz bezogen auf neueste Technologien

und stützen uns auf starke demokratische Traditionen (zumindest diese Einschätzung wird sicherlich nicht von allen so gesehen), während wir trotzdem einen pragmatischen Ansatz verfolgen. Fehlt eigentlich nur noch die Gründung einer Commonspartei …

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Eine Ergänzung

  1. Danke für diese schöne Zusammenfassung der Keynotes!

    Dass Al Jazeera vermehrt auf CC setzt beweist „Zukunfs-Kompatibilität“, dass kommerzielle Filme immernoch nicht via BitTorrent released werden stellt kein Wunder dar und die Betrachtung, dass „Endliches wie Unendliches“ behandelt wird (und umgekehrt) hätt auch mal etwas früher ausgesprochen werden können ;)

    Aber deswegen gleich wieder Parteien gründen?

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