Hessen: Staatsgerichtshof nicht für Wahlcomputer zuständig

Schade: Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen verkündet in einer Pressemitteilung, dass der Antrag des Chaos Computer Club auf einstweilige Anordnung als unzulässig zurückgewiesen wurde. Mit dem Antrag sollte die Genehmigung und der Einsatz von Wahlcomputern bei der Hessischen Landtagswahl am 27. Januar 2008 untersagt werden sollte.

Genehmigung und Verwendung von Wahlcomputern sind, wie der Staatsgerichtshof feststellte, wahlorganisatorische Maßnahmen. Solche Maßnahmen können vor der Wahl grundsätzlich nur mit den Rechtsbehelfen angefochten werden, die im Landtagswahlgesetz und in der Landtagswahlordnung dafür vorgesehen sind. Weder das Landtagswahlgesetz noch die Landtagswahlordnung enthalten jedoch einen gesonderten Rechtsbehelf gegen die Genehmigung des Einsatzes von Wahlcomputern und deren Verwendung. Bedenken gegen den Einsatz der Wahlcomputer können daher prinzipiell erst nach der Wahl im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens überprüft werden. Zuständig dafür ist das Wahlprüfungsgericht. Erst gegen dessen Beschluss kann der Staatsgerichtshof angerufen werden.

Die Voraussetzungen, unter denen der Staatsgerichtshof ausnahmsweise vor der Wahl eine einstweilige Anordnung erlassen kann, sind nicht gegeben. Eine Ausnahme hätte jedenfalls erfordert, dass später nicht nachweisbare Manipulationen an den Wahlcomputern realistischerweise zu befürchten und Fehlfunktionen der Wahlcomputer bei der bevorstehenden Landtagswahl dadurch zu erwarten sind. Das hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen.

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Update: Die Pressemeldung des Chaos Computer Club dazu: Schwarzer Tag für die Demokratie in Hessen – Staatsgerichtshof lässt Wahlcomputer zu.

[…] Die Ablehnung des Antrages offenbart eine massive Lücke im Wahlrecht. Der Wähler kann das Wahlverfahren aus formalen Gründen nicht auf dem Rechtswege vorab prüfen lassen, obwohl hier offensichtlich schwerwiegende Bedenken vorliegen. Ihm wird nur der Weg des Einspruchs nach der Wahl bleiben. Beim Chaos Computer Club haben sich bereits jetzt eine Reihe von Wählern gemeldet, die einen Wahleinspruch nach der Wahl beabsichtigen. Zur Feststellung von zu erwartenden Unregelmäßigkeiten und Verstößen gegen die – sachlich nicht zielführenden – Prozeduren bei der Wahldurchführung werden der CCC und befreundete Organisationen umfangreiche Wahlbeobachtungen durchführen. […]

Die Art und Weise, wie während des Verfahrens von Seiten der hessischen Regierung und der betroffenen Gemeinden argumentiert wurde, offenbart eine erschreckende Einstellung zu demokratischen Wahlen. Bequemlichkeit und Geschwindigkeit der Auszählung scheinen oberstes Ziel zu sein. Die verfassungsmäßigen Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit und Amtlichkeit der Wahl sowie das Wahlgeheimnis werden zu bloßen Nebensächlichkeiten deklariert, der kritische Wähler zum Störfaktor erklärt.

Eine erschreckende Form der Demokratieverweigerung wurde in der Stellungnahme der Gemeinde Viernheim dokumentiert. Hier erklärten die beiden „Volksparteien“ SPD und CDU in trauter Eintracht, keine Wahlhelfer entsenden zu wollen, wenn die Wahlcomputer verboten würden. Einige Wahlhelfer starteten gar eine Unterschriftenaktion, um auch in Zukunft nicht mehr zählen zu müssen. „Angesichts dieser Einstellung sollten die Viernheimer Politiker vielleicht eine Karriere in der einen oder anderen mittelasiatischen Diktatur ins Auge fassen. Dort wird ein reibungsloser Ablauf der Wahlen ohne Nachzählen auch sehr geschätzt,“ kommentierte Dirk Engling, Sprecher des CCC.

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9 Ergänzungen

  1. Achtung, ich will niemanden zu einer Straftat aufrufen, folgende Aussage ist rein hypothetisch: Was wäre denn, wenn die (offenbar sehr einfach manipulierbaren) Wahlergebnisse massivst gefälscht würden, aber so dass es auffällt, mit anonymem Bekennerschreiben und allem trara?
    Ja, das wäre illegal, aber so könnte wenigstens gezeigt werden, dass alle Bedenken gerechtfertigt sind…

  2. Reicht es denn nicht die Stromversorgung eine halbe Stunde vor dem Wahlende zu kappen? Das wäre jedenfalls weniger illegal und effektiv genug.

  3. @3
    Kurzschlußstecker in die Steckdose … dann ist der Strom sicher weg!

    Ich denke aber, dass die Stimmen auch bei einem Stromausfall nicht verschwunden sind. Das Einzige was helfen könnte, ist die ganze Zeit keinen Strom zu haben. Aber zu Not rückt das THW mit Stromgeneratoren an … ;)

    Gewalt befriedigt vielleicht kurzfristig … aber wir wollen doch alle lieber eine langfristige Lösung, oder?

  4. Vielleicht hätte man vorher den RA Till Jaeger aus Berlin(!) darüber aufklären sollen, wie die Zusammensetzung des Hessischen Staatsgerichtshofes zustande kommt:

    Die Besetzung erfolgt parallel zur laufenden Legislaturperiode durch den Landtag. Ergo: sitzen dort in Mehrheit Kochs Lakaien, die den Teufel tun, ihm sein eigenes Gesetz um die Ohren zu hauen.
    Ein Eilantrag in Karlsruhe wäre da trotz bereits anhängigen Verfahrens vielversprechender gewesen….

  5. Wie wäre es, wenn sich die Wahlmaschinen-Kritiker sich zu einer Vereinigung engagierter Wahlhelfer zusammenschließen würden? So könnte man vielleicht den Kommunen den Druck nehmen, Wahlcomputer einsetzen zu müssen, weil nicht genug Wahlhelfer zur Verfügung stehen.

    Ich müsste dann notgedrungen auch mitmachen, ist schon klar :)

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