Gott sei Dank dürfen wir bei Ermittlungsersuchen solche Daten nun herausgeben?

Spiegel-Online hat ein Interview mit dem StudiVZ-Geschäftsführer Marcus Riecke: „Gott sei Dank dürfen wir Kiffer-Fotos jetzt den Behörden geben“. Dabei wundert mich vor allem eine Passage:

SPIEGEL ONLINE: Welche Konflikte?

Riecke: Wir stehen da zwischen den Fronten. Auf der einen Seite der Datenschutz, auf der anderen Seite die Ermittler. Das Telemediengesetz verbietet uns, ohne Zustimmung der Nutzer Nutzungsdaten zu speichern. So hat der BGH vorigen Herbst entschieden. Die Kripo- und LKA-Beamten verlangen aber genau diese Daten von uns, die wir laut Datenschützern nicht speichern dürfen. Deshalb haben wir die Nutzer der Speicherung der Nutzungsdaten zustimmen lassen.

SPIEGEL ONLINE: Konkret: Zu Ihnen kommt ein Staatsanwalt mit 30 Fotos aus StudiVZ-Profilen, die Leute anscheinend beim Kiffen zeigen. Er verlangt Klarnamen zu den Profilen und allen Kommentaren. Was machen Sie?

Riecke: Gott sei Dank dürfen wir bei Ermittlungsersuchen solche Daten nun herausgeben. Nutzungsdaten speichern wir bei allen Nutzern, die uns das erlaubt haben durch ihre Einwilligung.

Vielleicht kann mich ja mal jemand aufklären: Bisher ging ich davon aus, dass beim kiffen der Konsum nicht strafbar ist, und nur der Erwerb und die Weitergabe. Wieso darf denn dann StudiVZ diese Daten „Gott sei dank“ herausgeben?

Update: Richtigstellung zum heute erschienenen Spiegel Online Artikel vom 27.02.08

Berlin (ots) – Marcus Riecke, CEO studiVZ: „Das heute auf Spiegel Online erschiene Interview hat die Redaktion mit einem angeblich von mir stammenden Zitat als Überschrift eröffnet. Dieses Zitat ist in dem Interview nicht von mir getätigt worden. Die Spiegel Online-Redaktion hat daher die betroffene Passage korrigiert und das Zitat entfernt.
studiVZ wird Daten seiner Mitglieder nur bei offiziellen Ermittlungsersuchen an Strafverfolgungsbehörden weiter leiten. Diese Daten werden im Übrigen nur mit der Zustimmung jedes einzelnen Nutzers von studiVZ gespeichert. Der Bezug zu Fotos mit Drogen konsumierenden Jugendlichen wurde einzig von der Redaktion von Spiegel Online fälschlich hergestellt.

Spiegel-Online hat aber nur die Überschrift geändert. Der hier zitierte Text steht dort weiterhin. Und damit gelten die Fragestellungen immer noch.

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28 Ergänzungen

  1. Darüber bin ich auch gestolpert, wobei ich folgenden Satz auch interessant finde:

    SPIEGEL ONLINE: Wie viele Anfragen sind das?

    Riecke: Gut zehn in der Woche.

    SPIEGEL ONLINE: Worum geht es da?

    Riecke: Am häufigsten Jugendschutz, Beleidigung, Volksverhetzung, Verletzungen von Persönlichkeitsrecht zum Beispiel durch Fake-Profile.

    In bezug auf diese Kifferüberschrift glaube ich, dass sie mehr vo, Spiegelreporter forciert wurde…

  2. Uh? Deshalb ändern sie die AGBs?
    Anstatt zu sagen ‚Tut mir leid, liebe Ermittlungsbehörde, wir haben die Daten nicht und können sie daher auch nicht herausgeben?‘
    Einmal mehr bin ich froh, nie bei StudiVZ angemeldet gewesen zu sein.

  3. Alle Kiffer raus aus StudiVZ – Insgesamt geht man davon aus, dass vier Millionen Bundesbürger kiffen, mal sehen, wie das bei den kiffenden StudiVZ-Nutzer/innen ankommt.

    StudiVZ-Macher trinken wahrscheinlich lieber Korn. Oder koksen – natürlich heimlich. Würde zu diesen Spießern passen (ich hab das letzte Mal was von StudiVZ gehört, als die vor mehr als einem Jahr diese Skandale hatten. Da wirkte die Belegschaft recht prollig – wenn sich da was geändert hat, verzeiht, StudiVZ-Macher).

  4. Gut zehn Anfragen die Woche – das muß man sich mal vor Augen halten. Treiben sich diverse Behörden nur noch in sozialen Netzwerken wie StudiVZ herum (wo sie als Nicht-Studenten ja auch eigentlich nichts zu suchen haben)?

  5. Was an dem kleinen Kiffer-Exempel klar wird ist in erster Linie nicht, dass StudiVZ nicht nur keine Ahnung vom Betäubungsmittel-Gesetz hat, sondern, dass beim Zusammenprall der verschiedenen Welten StudiVZ ganz groß kuscht, weil es Unklarheiten gibt, die die Gesetzgeber und nicht StudiVZ zu veranworten haben.

    Der Grundsatz der Datensparsamkeit.
    Das Interesse von Ermittlern an gespeicherten Daten.

    StudiVZ steckt ganz groß ein, wenn sie nun nicht gesetzliche Speicherungspflichten abwarten, sondern einfach in ihren AGB das Einverständnis zu Speicherung unterstellen.

    Wer dabei nicht mitspielt, kriegt eben keinen Account. Sache gegessen.

    Im Vergleich dazu hat man ja den Eindruck, dass Google gradezu für den Privatsphäre ihrer KundInnen kämpft (Überlegung GMail in .de wegen Vorratsdatenspeicherung abzuschalten, erfolgreiches Gerichtsverfahren gegen Herausgabe von anonymisierten Suchanfragen.)

    Eine Pflicht für StudiVZ so mit ihren NutzerInnen umzuspringen gibt es nicht.

    Das nennt man wohl vorauseilenden Gehorsam. Pappnasen.
    (Oh, muss jetzt Markus für diese Beleidigung meine IP rausrücken? Nein, ich hab mein Blog ja verlinkt und da stehen Kontaktmöglichkeiten, wenn sich von diesem Kommentar wer angegriffen fühlt.)

  6. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass StudiVZ von Saboteuren betrieben wird. Keine Firma mit Gehirn würde ernsthaft sowas freiwillig öffentlich sagen. Und schon gar nicht bei der Zielgruppe…
    Die Beweiskraft eines Kifferfotos dürfte auch extrem gering sein.

  7. geheim: Die These ist nicht völlig von der Hand zu weisen.

    Bleibt die Frage: warum lebt die Firma noch – und das ziemlich gut?

  8. „Die Kripo- und LKA-Beamten verlangen aber genau diese Daten von uns, die wir laut Datenschützern nicht speichern dürfen.“

    Kann mich mal einer aufklären?
    MÜSSEN sie diese Daten auch herausgeben, oder können sie?
    Mir ist es leider immer noch nicht ganz klar, aber ich denke sie MÜSSEN nicht. Und welche „Daumenschrauben“ hätten Ermittler gegenüber VZ, um dieses Informationsbedürfniss durchzusetzen?
    Mich fragen auch manchmal penner nach einem euro, und den geb ich nur her, wenn mir derjenige irgendwie sympatisch ist.

  9. @geheim: Die Beweiskraft eines Kifferfotos ist sicherlich nicht ausreichend für eine Verurteilung. Aber als Begründung für eine Hausdurchsuchung bestimmt, da reicht es ja schon, wenn man bei einem Online-Shop für Hanfartikel bestellt hat.

  10. R. Neve: Sie können nicht herausgeben, was sie nicht haben. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Speicherung der fraglichen Daten gibt es auch nicht. Ganz im Gegenteil.

    StudiVZ betreibt – ich nehme an aus Image- und Bequemlichkeitsgründen – schlicht eine Vorratsdateinspeicherung aus eigenem Ermessen mit bis zu 6-monatiger Haltefrist der Daten.

    Die widerspricht so erstmal dem Datenschutzgesetz und ist nur möglich – wie auch Riecke bei SpOn zugibt – weil man von den Usern eine „freiwillige Einwilligung“ einfordert. Ohne Zustimmung kann man das Netzwerk allerdings nicht mehr nutzen und verliert die Anbindung an sein Netzwerk und den Zugriff auf persönliche Nachrichten.

  11. „..Gott sei Dank dürfen wir..“ Dürfen und müssen ist ein Unterschied. Das klingt beinahe so, als ob man schon die ganze Zeit darauf gewartet hätte. Naja.

  12. Danke.
    Aber:
    Die Frage nach den „Daumenschrauben“ wurde leider nicht beantwortet. Es muss irgendeinen Grund dafür geben, dass sie diese Daten speichern und sie jetzt so bereitwillig weitergeben. Das kostet erst mal Geld und vergrault die Kundschaft, also bin ich mir relativ sicher, dass da extremer Druck aufgebaut worden ist. Aber wie? Hat dazu jemand Informationen?

  13. StudiVZ bestätigt in der Stellungnahme ja schön, dass sie freiwllig alles herausgeben:
    „Dass wir Daten an Strafverfolgungsbehörden – also Polizei und Staatsanwaltschaft – herausgeben müssen, wenn diese uns ein schriftliches Auskunftsersuchen zukommen lassen, ist weder neu noch unseriös, sondern dient letztlich Eurem Schutz.“

    Allerdings müssen sie auf ein bloßes Auskunftsersuchen gar nichts herausgeben. Der Verfolgungswut staatlicher Ermittlungen ist grundsätzlich noch die gerichtliche Beschlussfassung vorgeschaltet (auch wenn da in der Praxis sorglos mit Durchsuchungsbeschlüssen umgegangen wird).

  14. „Vielleicht kann mich ja mal jemand aufklären: Bisher ging ich davon aus, dass beim kiffen der Konsum nicht strafbar ist, und nur der Erwerb und die Weitergabe.“

    Ich bin zwar kein Jurist, aber ich glaub der feine Unterschied ist, dass der Konsum und Besitz geringer Mengen zwar strafbar ist, aber nicht „verfolgt“ oder geahndet wird.

    Die Auslegung ist dabei „variabel“, ich glaub mich erinnern zu können, irgendwann mal einen Beitrag gesehen zu haben (kurz nach Verabschiedung des „straffrei“-Passus) wo die Bayern (wer sonst?) beim öffentlichen kiffen im englischen Garten nicht so tollerant waren…

  15. Der Konsum ist überhaupt nicht strafbar, aber der Besitz schon. Beim Konsum liegt der Besitz nur in besonderen Ausnahmefällen nicht vor.

    Beim Besitz von geringfügigen Mengen für den reinen Eigenkonsum ist ein Ermittlungsverfahren aus verfassungsrechtlichen Gründen jedoch einzustellen. Allerdings unterscheidet sich die Höhe dieser geringfügigen Menge von Bundesland zu Bundesland sehr stark.

  16. Krisen-PR ist nicht die Stärke von Holtzbrincks und VZettis. Abmahnungen, Spiegel-Interview, VZ-Klonerei. Muß schon sagen, ich habe das Gefühl, die habens momentan gar nicht im Griff. Die Blogoshpäre triftet ihnen momentan total weg – und gerade da tummelt sich das Web 2-0-Klientel der analogen Holtzbrincks.

  17. ich warte darauf das mich studivz endlich rausschmeißt,was nach ihren drohungen nach (wenn man den neuen AGB´s nicht zustimmt) schon passiert sein müsste.blöd nur das ihnen irgendwas daran liegt mich nich raus zu schmeißen und ich meinen account nur löschen kann wenn ich den AGB´s zustimme um mich ein zu loggen.kann mich ja leider nur dann abmelden……
    naja wenn jemand weiß wie ich mich ohne einloggen abmelden kann währe ich einem tipp diesbezüglich sehr dankbar, e-mail hab ich ja angegeben….
    lg lucas

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