Eu droht mit weiteren Urheberrechts-Verschärfungen

Viviane Reding, EU-Telekommunikationskommissarin und ständige Vertreterin der Unterhaltungsindustrie in der EU-Kommission, droht mit weiteren Regelungen auf EU-Ebene: Neuer Schub für Online-Inhalte.

Die EU-Kommission will einen stärkeren und verbraucherfreundlicheren Binnenmarkt für Online-Musik, -Filme und -Spiele. Dafür hat sie Industrie, Telekom-Unternehmen und Internet-Diensteanbieter zu einer engeren Zusammenarbeit aufgefordert, um mehr Inhalte online zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig einen robusten Schutz von Urheberrechten zu gewährleisten. Zudem will die EU-Kommission Urheberrechtslizenzen, die für mehrere oder alle EU-Mitgliedstaaten gelten, erleichtern. „Wir müssen uns entscheiden in Europa“, sagte Telekommunikationskommissarin Reding. „Wollen wir eine starke Musik-, Film- und Spiele-Industrie? Dann sollten wir der Industrie Rechtssicherheit verschaffen, den Urhebern eine angemessene Entlohnung und den Verbrauchern breiten Zugang zu einem reichen Angebot von Online-Inhalten. Ich werde bis Mitte 2008 eine Empfehlung vorschlagen, durch neue Wege einen einheitlichen Markt für Online-Inhalte zu verwirklichen“.

Die blumigen Worte klingen ja erstmal nett. Aber wenn man sich die Papiere anschaut, die verlinkt werden, klingt das ganz anders.

Da haben wir erstmal den Punkt „Verfügbarkeit kreativer Inhalte“.

Die Inhaber kreativer Inhalte sträuben sich manchmal dagegen, ihre Inhalte für eine Online-Verwertung zur Verfügung zu stellen. Zu den Gründen hierfür zählen die Angst vor illegalen Downloads und „Online-Piraterie“. […]

Die Aussage verwundert ein wenig. Wenn man sich aus Verbrauchersicht mit den Unterhaltungs-Angeboten beschäftigt, dann erkennt man selten brauchbare Angebote. Ich hab imme rnoch keine legale Möglichkeit, mir legal Filme digital zu beschaffen, die nicht gemeinfrei sind oder unter einer offenen/freien Lizenz stehen. Gleichwohl bekomme ich als Verbraucher aber alles in Tauschbörsen. Wo bleiben die legalen Angebote, die ich als Verbraucher nutzen kann? Ob das der EU-Kommission bewusst ist?

Während mit SonyBMG vermutlich der letzte Major zukünftig auf DRM verzichten könnte, versucht die EU-Kommission weiter auf DRM zu setzen und fordert eine „Interoperabilität und Transparenz der Systeme zur Verwaltung digitaler Rechte (DRM-Systeme)“

Technologien, die die Verwaltung von Rechten und die faire Entlohnung von Urhebern in einer online Umgebung unterstützen, können eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle sein. Lang andauernde Diskussionen der Akteure haben bisher die Anwendung interoperabler und benutzerfreundlicher DRM-Lösungen verhindert. Die Kommission will daher einen Rahmen für die Transparenz von DRM-Systemen bezüglich Interoperabilität verschiedener DRM-Systeme festlegen, und sicherstellen, dass der Verbraucher angemessene Informationen über Nutzungsbeschränkungen heruntergeladener Inhalte und die Interoperabilität verwandter Online-Dienste erhält.

Ist ja schön und gut, wenn Verbraucher mehr Transparenz erhalten, wie ihre Verbraucherrec hte durch diese Technologien genommen werden. Die intelligentere Verbraucherschutz-Politik wäre jedoch, gleich auf solche Tehcnologien zu verzichten. Verbraucher wollen keinen Kopierschutz, der sie behindert und ihnen ihren Medienkonsum vorschreibt.

Aber der bedeutendste Punkt kommt noch: „Legale Angebote und Piraterie“:

Piraterie, einschließlich des nicht autorisierten Bereitstellens und Herunterladens urheberrechtlich geschützter Inhalte, ist nach wie vor ein zentrales Problem. Die Kommission beabsichtigt, Kooperationsverfahren („Verhaltenskodex“) zwischen Zugangs-/Diensteanbietern sowie Rechteinhabern und Verbrauchern anzuregen, um nicht nur ein breites Angebot attraktiver Online-Inhalte, sondern auch einen angemessenen Schutz urheberrechtlich geschützter Werke sowie eine enge Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Piraterie bzw. der nicht autorisierten Weitergabe von Dateien sicherzustellen.

Klingt nach Frankreich…? Ja. Und wer sich wundert, wo das herkommt: Das fordert die Musikindustrie schon recht lange und ziemlich offen. Bald hat sie dann zusammen mit der Filmindustrie so gut wie alle eigenen Lobbypositionen auf EU-Ebene unter gebracht. Und die Politiker reden ganz offen darüber, dass man doch ständig die Verbraucherrechte stärkt…

Bis Ende Februar läuft jetzt eine Konsultation und im Sommer soll eine Empfehlung formuliert werden.

Weitere Berichte:

Heise: EU-Kommission liebäugelt mit Netzsperren bei illegalen Downloads
Gulli: Wie soll Europa Piraterie bekämpfen und DRM durchsetzen?
Ars Technica: EU: one license, DRM scheme to rule them all.

In dem Zusammenhang auch wichtig:

EFF: Music Industry Pressures EU Politicians for Filtered Internet.
Heise: EU-Kommission will Zugang zu Inhalten in der digitalen Welt regeln.
Gulli: EU will der Musikindustrie dabei helfen.

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8 Ergänzungen

  1. Im ersten link steht ganz unten etwas zu einer „für die EU-25 durchgeführten Studie, wonach sich die Einnahmen aus Online-Inhalten bis 2010 mehr als vervierfachen werden, von 1,8 Milliarden Euro Jahr 2005 auf 8,3 Milliarden Euro 2010.“

    Hat jemand Zugang zu der Studie und kann sie verlinken?

  2. Vor kurzem wollte ich meine Kinder mp3 musik runterladen, da sie neue mp3 player bekommen haben. SO: entweder fand ich seiten, wo das runteralden extrem teuer war (lieder kosten wie wenn ich eine platte kaufe, es sind aber mp3 qualität!) oder ich musste mich für flatrates entschieden (und wer will unbedingt immer wieder ein vertrag abschliessen???ich nicht!!!). oDer man bekommt irgendwelche lieder mit beschränkte Zeit/funktionen oder lieder sie kein Mensch kennt….Also habe ich nach 4 Stunde Suche verzweifelt es gelassen.

  3. Irgendwie verstehe ich diese „political speech“ nicht. Im ersten Satz der EU-Verlautbarung wird von einem „[…]stärkeren und verbraucherfreundlicheren Binnenmarkt für Online-Musik, -Filme und -Spiele[…]“ gesprochen aber dann geht es nur noch um die Rechte der Unterhaltungsindustrie, die sich ja schon seit Jahren alles andere als verbraucherfreundlich gebärdet.
    Alles sehr verdächtig das Ganze ;)

  4. ach das ist doch überall dieselbe Masche, kein Politiker verzapft sowas selber. Die nehmen einfach nen Artikel von der MI und setzen dann ihren Namen drunter, wenn die Einleitung gut klingt.
    Das freut die MI und die Politiker können ihre Machtgeilheit ausüben…

    bezüglich Künstler weigern sich ihre Musik offen ins internet zu stellen, weil sie Angst vor Piraterie haben: Der Punkt ist der: Die dürfen das, wenn sie bei der Gema sind, nur, wenn sie dafür selber ordentlich an die Gema bezahlen!

    naja, Unwissende kann man ehh immer besser über den Tisch ziehen…

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