Erste Langzeitstudie zum Internet-Bombenbau?

Die Filter-Freunde von der Firma Pan Amp haben mal wieder eine neue Pressemitteilung über OTS rausgehauen. Diesmal geht es nicht um Killerspiele oder Kinderpornographie, sondern um die „Erste Langzeitstudie zum Internet-Bombenbau: Sicherheits-Experten haben eine bislang in Deutschland einmalige Langzeitstudie zum lebensgefährlichen Leichtsinn „Internet-Bombenbau“ erstellt“. In der Pressemitteilung ist mal wieder fast alles eingebaut, was zur Pan-Amp Propaganda gehört: Mehr als „509.421 detektierte Sprengstoff- und Bombenbauanleitungen“ habe man gefunden. Und das „in Deutschland“. Auf die Bevölkerung hochgerechnet kommt also jeden 160. Bürger eine Bombenanleitung. Dazu gibt es, wie immer bei Pan Amp – Sachen, Terroristen, Islamismus, Gefahr aus dem Internet und politische Forderungen.

Ich würde mir ja wünschen, dass solche Pressemitteilungen und nicht nachvollziehbare Studien von Journalisten kritisch hinterfragt würden. Die Realität sieht anders aus: Siehe z.B. Meedia. Mal schauen, wo die Zahlen und Aussagen aus dieser Pressemitteilung noch auftauchen werden.

Die Kurz-Studie mit vielen bunten Bildern und wenig nachvollziehbaren Zahlen enthält wie immer konkrete politische Forderungen: Bombenbau-Anleitungen zu verbieten und Internetzensur-Infrastrukturen schaffen. Die zufälligerweise die Firma Pan-Amp anbietet und seit Jahren Lobby- und PR-Arbeit macht, z.B. in Kooperation mit dem Bund der Kriminalbeamten. Falls doch jemand darüber schreiben möchte, könnte man ja auch mal die Presseabteilung des BKA bezüglich der Firma und ihren Veröffentlichungen anfragen. Ansonsten passt dieser Artikel auch noch: Pan Amp und die Terror-Codecs.

Ergänzung von Wetter: Um die Nichtexistenz des suggerierten „Problems“ zu verdeutlichen, genügt ein Blick in die vom BKA herausgegebene Polizeiliche Kriminalstatistik (PDF), die seit Anfang der 90er keine nennenswerte Schwankungen im Bereich der erfassten „Herbeiführungen von Sprengstoffexplosionen“ aufweist:


Vergleich: Tatsächliche Vorfälle von Sprengstoffexplosionen (grün) bleiben konstant, auch wenn die Verfügbarkeit von Bombenbauanleitungen über das Internet zunehmen sollte (Was zu beweisen wäre). (Grafik: CC BY 3.0 netzpolitik.org)

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12 Ergänzungen

  1. hi,
    ist das denn so erstaunlich? jeder zehnte, den ich kenne, hat schonmal sich was zusammengebastelt (und natürlich auch gleich ausprobiert und fröhlich den chemielehrern gezeigt), davon wiederum hat jeder zweite die versuche gefilmt oder anders dokumentiert. die anleitungen ins internet zu stellen, ist da nicht gerade klug (ich kenne nicht sehr viele, die so doof wären). „jeder 160te“ klingt für mich realistisch, allerdings kann man damit auch gut werbung für überwachung und internetzensur machen (mal schauen, wie lange es bis zur ersten wiederverwertung der daten dauert).

    schönen montag noch, seid vorsichtig und 10 meter sicherheitsabstand.

  2. Sind da die Anleitungen für Kartoffelkanonen und die Handbücher der Chemiebaukästen von KOSMOS schon mit drin, oder zählen die extra? ;-)

    Sollten gar filmische Monumentalwerke zur Anstiftung zum Terrorismus wie z.B. „Hurra, hurra die Schule brennt.“ nicht erfasst worden sein, muss man den Studien schonmal per se Schlampigkeit in jeder Hinsicht unterstellen.

  3. Gegenüber den Zahlen von 1995 könnte man auch sagen, dass eine höhere Verfügbarkeit von Bombenanleitungen zu weniger Sprengstoffexplosionen führt…

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