BVG plant mehr Überwachung am Kottbusser Tor

Der U-Bahnhof Kottbusser Tor ist nicht nur architektonisch einer der hässlichsten Ecken in Berlin-Kreuzberg, er ist zugleich auch als mehr oder weniger offener Drogenumschlagsplatz bekannt. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) planen nun, das zu ändern und einen „Musterbahnhof“ zu schaffen. Wie die Taz berichtet, sind dabei aber nicht architektonische Verschönerungsmassnahmen gemeint, sondern ein umfangreiches Kameraüberwachungssystem: BVG lässt tief blicken, Datenschützer erbost. Damit will man dann den Drogenhandel eindämmen und für „mehr Sicherheit“ sorgen. Bekanntermassen bedeutet bei solchen Massnahmen auch „den Drogenhandel eindämmen“, dass man diesen in die umliegenden Gegenden verteilt. Das Problem wird ja durch mehr Überwachung nicht gelöst.

Als erstes ist geplant, die festen Kameras durch dreh- und schwenkbare Kameras zu ersetzen. Ausserdem denkt man laut Taz schon weiter und es sind biometrische Gesichtserkennungsverfahren, bzw. ein „Erfassungssystem für bestimmte Bewegungsabläufe“ im Gespräch. Probleme gibt es dabei einige: Erstens fehlt Geld für die Beschaffung und Installation und zweitens hat man wohl kein Personal, das sich dann die ganzen Überwachungskameras anschaut. Ausserdem fühlt sich der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix nicht eingebunden. Die Taz zitiert ihn mit:

„Die biometrische Gesichtserfassung entbehrt bisher jeder rechtlichen Grundlage. Auch die Technik ist noch nicht wirklich ausgereift.“

Ein Feldversuch des BKA am Mainzer Bahnhof in 2007 scheiterte an der Technik. Dort war die Teilnahme an dem Feldversuch freiwillig. Es ist jedoch nicht erlaubt, an öffentlichen Plätzen und ohne Verdachtsmoment Passanten ohne ihr Einverständnis einzuscannen. Mal schauen, was die weiteren Pläne bringen und wie sich die Politik dazu äussert. Statt in mehr Videoüberwachung zu investieren könnte man ruhig den Bahnhof etwas gemütlicher und schöner gestalten. Und durch eine Verdrängung der oftmals Heroinabhängigen aus dem Bahnhof heraus durch eine flächendeckende Überwachung schafft man eher das Problem, dass man diese dann in den Vorgärten und Schulhöfen in der Umgebung wiederfindet. Mehr Hilfsangebote für die zumeist Heroinabhängigen würde das Problem sicherlich auch verringern, ohne mehr Überwachung zu schaffen.

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11 Ergänzungen

  1. „“Wir untersuchen bislang alle Möglichkeiten, die sich uns bieten. Die Planung steckt aber noch in den Kinderschuhen“, meint BVG-Sprecher Wazlak.“

    Falls überhaupt sind Kameras, die ohne biometrisch erfassten Passfotos der Beobachteten einigermaßen zuverlässig funktionieren, noch ein paar Jahre entfernt. Bewegungs- und Verhaltenserkennung? Science fiction.

  2. Davon wäre ich direkt betroffen. Die Junkies weichen auch so schon gern mal in den Park bei uns vor der Haustür aus. Mit zwei Kindern hinterlässt dass ein mulmiges Gefühl. Irgendwann treten die noch in eine Spritze beim Spielen.

    Das Problem am Kottbusser Tor werden die Jungs wohl kaum mit Kameras lösen können. Außerdem hat der Bahnhof schon fast so etwas wie Charme. Wenn die Drogenabhängigen dort weg sind, sinkt der Attraktionswert auf null. Jede Stadt braucht Ihren Brennpunkt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Sie die Junkies dort dauerhaft weghaben wollen, sondern eben nur unter Kontrolle. Wenn dann wirklich mal etwas Schwerwiegendes geschieht, hat man genug Material um schnelle Fahndungserfolge zu erzielen.

  3. Naja, aber schon das „laut nachdenken“ fidne ich schon bedenklich. Aber hast Recht, ich denke auch dass es ZUM GLÜCK technisch noch eine Weile dauern wird. Aber die drogenpolitische Dimension soltle man nicht vergessen. Auch bei dem Thema ist der TAZ Artikel leider nicht aufmunternd!

  4. Betreuungs-Angebote wären nicht nur wirksamer, sondern auch billiger. Statt einen Menschen zur Überwachung der Kameras abzustellen, sollte lieber ein Mensch für Betreuung eingestellt werden. Schaut Euch in die Augen und nicht in die Glotze!

    1. einen Menschen zur Überwachung der Kameras abzustellen

      Menschen einstellen ? Bloß nicht ! Dann wäre ja der ganze Vorteil der billigen Kameras weg !

  5. Das die BVG eine biometrische Überwachung installieren will, ist schon seid ca. 1,5 Jahren bekannt. Da wundert es mich, dass sich jetzt erst jemand darüber aufregt.

    Das Foto auf dem BVG-Dienstausweis ist übrigens digital gespeichert, bisher in schlechter Qualität. Man darf aber gespannt sein, wann die BVG über die Erstellung von Bewegungsprofilen ihrer Mitarbeiter nachdenkt.

  6. Doch, solche Kameras gibt es, sie werden von der deutsch-kanadischen Firma hergestellt und werden auf typische „Bewegungsabläufe“ eingestellt. Beispiel: Wer sich auf einem Parkplatz an einem Auto duckt, wird aufgezeichnet, wer einfach zur Kasse und zum Auto geht nicht. Die intelligente Videoanalyse ist aber *sehr* teuer und muss aufwendig installiert und programmiert werden, wenn es nicht gerade ne simple Standspurüberwachung auf der Autobahn ist. Es ist absoluter Unfug, da von billigen Kameras zu reden. –Detlef

    1. Die Technikentwicklung zeigt ja, dass je mehr ein Produkt eingesetzt wird, um so billiger wird es. Schließlich teilen sich ja die Entwicklungskosten auf viele Kunden.

      Dass die Technik momentan noch teuer ist, wird damit wohl nicht lange als Gegenargument durchhalten…

      1. Das „Technik immer billiger“-Argument funzt nicht immer. Videokameras mit der Software für intelligente Bewegungsanalyse (ICVA-Systeme) liegen bei 17.000 Euro und solange wie Organisationen wie Frontex das Zeug wie warme Semmeln kaufen, wird sich nichts am Preis ändern. –Detlef

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.