BKA-Gesetz mit Online-Durchsuchung soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden

Gestern fand im Innenausschuss des Bundestages eine Anhörung von Sachverständigen zum Thema „Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“ statt.

Der debattierte Entwurf des neuen BKA-Gesetzes wurde im April von netzpolitik.org veröffentlicht und ist mittlerweile auch als offizielle Drucksache erhältlich. Nach der Verabschiedung durch das Kabinett im Juni war dies wahrscheinlich die letzte Hürde für das umstrittene Gesetz vor der Abstimmung im Bundestag.

Bekannt ist das Gesetz vor allem für die Einführung der Online-Durchsuchung für das BKA, doch darüber hinaus beinhaltet es insgesamt 24 Spiegelstriche mit neuen Befugnissen für die Bundesbehörde, wie Rasterfahndung und visuelle Wohnraumüberwachung. Diese werden teils heftig kritisiert, es wird befürchtet, dass mit diesem Gesetz das BKA geheimdienstliche Befugnisse erhält und damit die Trennung von Polizei und Geheimdiensten in Deutschland aufgelöst wird.

Anhörung

Die Anhörung selbst war eher juristisch und bot keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Die Sachverständigen, Vertreter von Polizei, NGOs und Juristen, referierten zu Beginn ihre vorher abgegebenen Stellungnahmen. Kai Raven hat eine detaillierte Zusammenfassung, die fast als Protokoll durchgehen könnte. (Das offizielle Protokoll lässt ebenso wie der Web-TV-Mitschnitt noch auf sich warten.)

Eine verkürzte Zusammenfassung: Dem Gesetz positiv gestimmt sind naturgemäß die Präsidenten des Bayrischen LKA Peter Dathe und des BKA Jörg Ziercke sowie die bayrischen Professoren Dirk Heckmann und Markus Möstl. Die Professoren Christoph Gusy aus Bielefeld und Ralf Poscher aus Bochum versuchten sich neutral zu verhalten und juristische Korrekturen vorzunehmen. Gegen das Gesetz in dieser Form sprachen sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, Fredrik Roggan von der Humanistischen Union, sowie die Professoren Hansjörg Geiger, Martin Kutscha und Christoph Möllers aus.

Stefan Krempl hat für Heise schöne Zusammenfassungen geschrieben, in der sowohl eine Mehrheit von Bedenken als auch Uneinigkeit geschildert wird. Die Tagesschau hingegen sieht kaum Bedenken und nur Detail-Kritik, während der Stern keine Bedenken bemerkt hat. Auch „Heute im Bundestag“ fasst zusammen, dass das Gesetz verfassungskonform ausgestaltet sei und nur Korrekturen bedarf. Vom CCC war Felix von Leitner vor Ort und kommentierte die Veranstaltung.

Die Berichterstattung über die Stellungnahmen der Sachverständigen und die Debatte mit den Parlamentariern ist damit recht umfangreich. Anzumerken bleibt, dass die öffentliche Förderung nach einer Online-Durchsuchung so artikuliert wurde, dass diese über das Internet durchgeführt werden soll. In diesem Sinne wurde dies auch in den Kabinettsentwurf eingearbeitet. Das Betreten der Wohung zur Installation dieser Software sei nicht Sinn des Gesetzes, sondern ein viel härterer Eingriff, so Geiger. Der als „butterweich“ beschriebene oberste Datenschützer Schaar äußerte im Vorfeld nur korrigierende Kritik und schlug vor, dass eine Benachrichtigung Dritter von einer Abhörmaßnahme unterbleiben kann, wenn der Rechercheaufwand dafür zu groß wäre.

Weitere Positionen

Etwas vernachlässigt in der Medienlandschaft wurden die weiteren Stellungnahmen von organisierten Verbänden. Der Deutsche Anwaltverein kritisiert, dass der Begriff des „internationalen Terrorismus“ nicht definiert wird, Polizeibefugnisse „vernachrichtlicht“ werden und der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht ausreichend geschützt wird. Letzteres wird aber in Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu Rasterfahndung und Online-Durchsuchung gefordert. Die Bundesrechtsanwaltskammer hingegen stellt keine grundsätzlichen Überlegungen an und liefert Korrekturvorschläge.

Trotz fraglicher Berichterstattung lehnen Journalistenverbände den Entwurf ab. Ein Bündnis von ARD, ZDF, ver.di, DJV, BDZV, VDZ, VPRT und Deutschem Presserat sieht einen „abermals und in gravierender Weise verschlechterten“ Informantenschutz, der „ungestörte Redaktionsarbeit nachhaltig beschädigt.“ Der DJV warnte in Pressemitteilungen vor einer Beugehaft für Journalisten und sieht diese Befürchtung im Nachhinein auch bestätigt.

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland und das Kommissariat der Deutschen Bischöfe fürchten um ihre Vertraulichkeit und fordern eine Ergänzung im Gesetz, die eine Auskunftspflicht für Geistliche ausschließt.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag meint, dass sich mit dem Gesetz „niemand mehr sicher sein kann, ob er den geplanten geheimdienstlichen Maßnahmen ausgesetzt ist, egal wie gesetzestreu er sich verhält.“ Dies führe zu einer „sonst für demokratische Staaten untypischen … Angst vor Bespitzelung.“ Den Bundestrojaner sieht der DIHK als eine neue Dimension der Ausforschung, durch die „der Betroffene in einem Maß ausgeliefert ist, wie es bisher in unserer Rechtsordnung nicht vorstellbar war.“ Missbrauchspotential sieht er nicht nur bei Dritten, sondern auch bei Behörden.

Weitere Verbände kommentieren die Anhörung in Pressemitteilungen. Der eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft beklagt, „dass die angehörten Experten zu wenig Internet-Sachkunde mitbringen“ und spricht sich erneut gegen die Online-Durchsuchung aus. Die Humanistische Union sieht einen „Neuen Putschversuch“, da das Gesetz den Vorgaben vom Bundesverfassungsgericht nicht Rechnung trägt. Mit der Online-Durchsuchung sei der Schutz der Intimsphäre „de facto abgeschafft.“ Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kritisiert die Vielzahl neuer Befugnisse, die Aufhebung des Trennungsgebots und einen unzureichenden Schutz des Kernbereichs. Die Gewerkschaft der Polizei hingegen fordert einen Vertrauensvorschuss sowie eine bessere Ausstattung der Polizeien.

Ausblick

Wie erwartet sehen sich alle Fraktionen durch die Anhörung in ihrer Position bestätigt. Hans-Peter Uhl (Union) bezeichnet die Kritik am Entwurf als „überzogen“ und „haltlos“. Die Opposition hingegen fordert das Gesetz zurückzuziehen, da die vielen neuen Kompetenzen die Bürgerrechte massiv schädigten. Gisela Piltz (FDP) sieht die „generelle Erforderlichkeit“ nicht gegeben. Ulla Jelpke (Linke) kritisiert, dass Schwarz-Rot das Gesetz „noch in diesem Jahr durchs Parlament peitschen“ will. Auch Dieter Wiefelspütz (SPD) rechnet damit, dass das Gesetz schon Anfang 2009 in Kraft treten kann, spricht jedoch euphemistisch von einer „Punktlandung“.

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10 Ergänzungen

  1. noch ein paar unvollständige Notizen, die ich nicht für den Artikel verwendet habe:

    Kutscha: Die deutsche Verfassung erlaut keine Behörde a la FBI. Wer fast alles darf, soll nicht alles wissen (Polizei) und wer fast alles weiss, soll nicht alles dürfen (Nachrichtendienste).

    Heckmann: Laut BVerfG geht der Staat davon aus, dass Beamte verantwortungsvoll mit Daten der Bürger umgehen

    Möller: der Rechtsstaat ist kein Effizienzrecht, sondern ein Freiheitsrecht

    Pocher: bei der Online-Durchsuchung ist bisher keine parlamentarische Kontrolle vorgesehen

    Roggan: die Online-Durchsuchung geht nur mit intensiver Vorbereitung, eine 3-Tages-Frist zur Nachholung von Richter-Anordnungen macht da keinen Sin

    Ziercke: in D werden täglich 150-300 PCs beschlagnahmt

    Wieland: Danke an die Sachverständigen zum wiederholten Male, auch wenn ihre Kritik scheinbar nie gehört wird. Fallen auch „Autonome“ unter den Begriff „Terrorismus“? Nennt „militante gruppe“, die doch kein §129a ist. Was ist beim nächsten G8?

    Kutscha: Unter die Definition „Terror“ könnten auch Gewerkschaften fallen. Bsp: Urteil Streiks verstoßen gegen die Europäischen Grundfreiheiten

    Dathe: für Online-Durchsuchung ist Wohnung betreten notwendig, man könnte ja offline gehen.

    Ziercke: Verschlüsselung schafft überwachungsfreie Räume! Dass nur DAUs auf Online-Durchsuchung reinfallen ist Unsinn. Von Sauerland ist immer noch eine Datei nicht entschlüsselt.

    Roggan: Zierckes Kompetenzzentrum sagt „Wir wissen, das wir den richtigen Rechner haben, wenn wir die Daten finden, die wir suchen.“ Es geht wohl kein Weg an Wohnungsbeitritt vorbei, aber das geht nur mit GG-Änderung und ist nicht wünschenswert.

    Schaar: laut Gesetz dürfen Peripherie-Geräte wie Webcam/Mikro nicht durch Online-Durchsuchung angeschaltet werden. Die BVerfG-Entscheidung wurde gefällt ohne die Forderung, für die Online-Durchsuchung die Wohnung zu betreten.

    Gusy: Richter dürfen nciht zu Unterschriftenautomaten werden.

    Geiger: Kernbereich ist unantastbar. Bei Richterband bekommen das aber viele Leute mit (Mithören, Transkription, Übersetzung..)

    Geiger: erst technische Fragen klären, dann Gesetz machen. Mal einen Amtsrichter vorstellen, der eine Anfrage vom BKA für die Online-Durchsuchung bekommt. Widerspricht der? Kann seine geforderte Kontrolle gar nicht ausüben.

    Roggan: Berufsgeheimnisträger werden in zwei Gruppen geteilt. unlogisch

    Gusy: Wohnung ist unverletzlich. Darf nicht durch Salamitaktik „bischen verletzlich“ werden. GG+BVerf sagen, es gibt einen polizeifreien Raum, den Kernbereich.

    Schaar: nicht GG ändern, sondern Gesetz GG-konform machen

    Dathe: 3x optische Wohnraumüberwachung in Bayern letztes Jahr

    Geiger: keine Behörde solle sich anmaßen zu wissen, was der Bürger will, wir sind mündige Bürger.

  2. Das ist der blanke Wahnsinn.

    ps: danke für die hilfreiche und informative Berichterstattung – im übrigen eine sehr sinnvolle seite. weiter so!

  3. Danke für die Zusammenstellung.
    Am besten in der Wohnung Werbcams installieren und live oder später über YouTube übertragen wie der BKA Beamte einbricht und den PC/Mac manipuliert.
    Danke CDU CSU und SPD. Das waren mal demokratische Parteien – damit ist Schluss.

    Sonja

  4. läßt sich wegen der Hausdurchsuchung bei der Piratenpartei nicht derjenige, der die Durchsuchung angeordnet hat, ermitteln? Wäre es möglich, seinen Namen zu veröffentlichen oder eine Anzeige gegen ihn einzuleiten? Gegen solchen Amtsmißbrauch muß man doch legal vorgehen können.

    MfG,
    Michael R.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.