Bayern will Anmeldepflicht für Internet-Fernsehen

Der Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) hat eine Änderung der Fernsehsatzung (FSS) verabschiedet. Konkret geht es um eine Regulierung von Internet-Fernsehangeboten (auch IPTV genannt). Unklar ist mir momentan, was man genau damit meint und welche Auswirkungen das haben wird. Anscheinend gibt es Ausnahmeregelungen für Angebote, die „persönlichen oder familiären Zwecken dienen“ und die „nicht-journalistisch-redaktionell gestaltet sind“ oder als „Eigenwerbekanäle angeboten werden“.

Aber… Unklar ist erstmal, was man jetzt technisch darunter versteht, wenn man sich die Pressemitteilung durchliest:

Hinsichtlich der Genehmigung von Internet-Fernseh-Angeboten sieht die geänderte Satzung eine zweistufige Unterscheidung dieser Angebote vor, wenn sie im Streaming-Verfahren verbreitet werden:

– Von 500 bis 10.000 gleichzeitigen Zugriffsmöglichkeiten: genehmigungspflichtig und – soweit programminhaltlich keine Bedenken bestehen – genehmigungs­fähig ohne weitere Voraussetzungen,
– über 10.000 gleichzeitige Zugriffsmöglichkeiten: Organisationsverfahren wie bei einem normalen Kabelprogramm unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 und 3 FSS.

Wir bieten hier bei netzpolitik.org auch viele Videos an. Teilweise hosten wir diese extern bei Video-Plattformen, oft nutzen wir aber auch den eigenen Server, um Flash zu streamen. Damit bieten wir „500 bis 10.000 gleichzeitige Zugriffsmöglichkeiten“, das ist ja nur eine Frage der Serverkapazität. Muss ich jetzt unsere Videos anmelden? Zum Glück steht unser Server nicht in Bayern und noch sind wir durch eine solche Regelung nicht betroffen. Unklar ist ja auch, ob unser Angebot als „nicht-journalistisch-redaktionell gestaltet“ eingeordnet wird oder als „Eigenwerbekanal“. Und was ist mit Medien wie Mogulus, wo ich live mein eigenes Fernsehen machen und dieses hier einbinden kann, wenn da mehr als 500 Menschen gleichzeitig zuschauen?

Was ist mit unserem Live-Streaming von der re:publica? Da können auch locker mal bei einem prominent besetzten Panel mehr als 500 zeitgleiche Zugriffe kommen, vor allem, wenn das Podium international besetzt ist. Ist das dann Eigenwerbung? Und wie muss ich mir jetzt das Vorgehen vorstellen, wenn ich irgendwie doch in das Raster falle: Muss ich da dann ein Fax an eine Behörde schicken, um diese anzumelden? Was mache ich, wenn die Anmeldung abgelehnt wird? Und was und wer ist jetzt mit dieser Regelung konkret gemeint? Muss ich Strafe zahlen, wenn netzpolitik.org doch als journalistisches Medium eingestuft wird?

Vor allem: Wird man diesem internationalen Medium durch eine bundesstaatliche Reglierung gerecht? Muss ich als bayrischer Anbieter meinen Server einfach nur nach Thüringen migrieren, um von dieser Regulierung verschont zu bleiben? Oder bei einer bundeseinheitlichen Regelung einfach nach Polen oder in die USA?

Ohne weitere Informationen und Klarstellungen, was man sich konkret dabei gedacht hat, fällt mir ein Fazit schwer. Vielleicht bin ich auch einfach nur ein Abrufmedium und Angebote wie dieses fallen gar nicht darunter. Aber eines kann man sagen: Anstatt diese neuen Medienformen zu fördern und wachsen zu lassen, reguliert man sie unnötig. Dabei wird viel Rechtsunsicherheit verursacht, was diesen Kommunikationsformen schaden könnte.

Update: Heise berichtet: Bayrische Medienanstalt: Streaming-Angebote sind Rundfunk.

Fraglich ist auch, ob On-Demand-Streaming betroffen ist, das Angebote wie Scope einsetzen. Youtube-Filmchen dürften also auch künftig nicht reguliert werden, wohl aber Inhalte, die live ins Netz gestreamt werden. Dass die Grenze von 500 Nutzern in der Praxis rasch überschritten werden dürfte, zeigt beispielsweise ein kürzlich gezeigter Webcast mit Internet-Guru David Weinberger mit 564 Zuschauern. Gesendet wurde in englischer Sprache von Hamburg aus, das Zielpublikum war international. Müssten die Betreiber hierfür künftig eine Sendelizenz beantragen? Eine Antwort auf eine entsprechende Anfrage bei der bayerischen Landesmedienanstalt steht aus.

Update: Heise hat jetzt auch verschiedene Kommentare dazu eingeholt: Streaming-Anbieter kritisieren bayerische Medienanstalt.

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21 Ergänzungen

  1. tja, um sicher zu gehen, schickt dann einfach jeder mal für jedes video, dass er bei youtube reingestellt hat, ein mail nach bayern. sicher ist sicher… :rolleyes:

  2. In Sachen Veranstaltungs-Übertragungen ist das natürlich grade bei der re:publica o.ä. lustig; Die Video-Streams stehen unter Creative Commons-Lizenzen und es findet statt, dass andere Menschen – einfach weil so nett sind – weitere Relay-Server aufstellen, die den Stream weiterverteilen.

    Ein Anbieter eines frei lizensierten TV-Streams kann natürlich nicht sagen, wie groß seine mögliche Zuschauerschaft ist, da jeder er jedem das Recht erteilt den Stream beliebig weiterzugeben.

    Gleichwohl absurd ist das natürlich auch unter der Betrachtung von Peer-to-Peer-Streaming. Was Videopodcasts betrifft, sollte man sich auf die nicht-Regelung von on-Demand-Diensten berufen können.

    1. Da Caching unabhängig von der Lizenz erlaubt ist, müssten eigentlich alle dieses Problem haben. Aber ich glaube kein Richter wird diesen Fall dem Sender anlasten.

  3. Besonders schön finde ich das Wort „Zugriffsmöglichkeiten“. Es ist also egal wie viele Leute tatsächlich darauf zugreifen. Ich kenne aber keine Möglichkeit, bei weniger tatsächlichen Zugriffen, ohne DDOS die Zugriffsmöglichkeiten zu bestimmen.

  4. Man mag von Juristen so wenig wie möglich halten – Aber wenn man einen solchen vorher gefragt hätte, ob man sowas machen kann, hätte selbst der schlechteste geantwortet: „Mit welchem Recht?“ – Oder besser, welches Gesetz ermächtigt hier irgendwen Lizenzen für irgendwas zu verlangen… ?
    Der Funk bzw. der Äther gehört ja dem Staat bzw. der Bundesnetzagentur; wegen der „Frequenzknappheit“.
    Das Internet weicht von seiner physikalischen Struktur da leicht vom typischen „Äther“ ab…. Vielleicht sollten die Bayern sich die Sache mit dem RundFUNK und dem InterNET mal von einer fünften Klasse im Physik-Unterricht erklären lassen.

    Ich prophezeie dieser merkwürdigen Satzungsänderung eine Lebensdauer von vielleicht zwei Wochen, bis das ganze wieder rückgängig gemacht wird, oder für unanwendbar o.ä. erklärt wird.
    Falls es länger dauern sollte, werde ich bei meinem örtlichen Kerbeburschenverein eine Satzungsänderung anregen, in der festgelegt wird, dass es bis Ende des Sommers warm bleiben soll.

  5. Youtube-Filmchen dürften also auch künftig nicht reguliert werden

    Und ganz ehrlich: Glaubt irgendwer daran, dass das langfristig so bleiben wird? Die Live-Stream-Kiste fällt unter die Kategorie Testballon, beim nächsten Beschluss fällt das Live dann wahrscheinlich schon weg.

  6. ehrlich gesagt, kann ich immer noch nicht glauben, dass in irgendeiner königlich bayerischen Behörde ein paar Leute sitzen, die allen Ernstes glauben, Geld kassieren zu können für Streams im „bayerischen Internet“. Wenn wir nicht März hätten würd ich das fürn Aprilscherz halten.

    Jedenfalls würd ich es tierisch gern darauf ankommen lassen….. Abgesehen von der Tatsache, dass ich keinerlei Webangebote geschweige denn Streams anbiete, wohne ich leider auch nicht in Bayern. Aber bestimmt gibts einen Webhoster der in Bayern sitzt.
    Vielleicht reicht es ja auch, wenn man sich ne Webseite „in Bayern“ zulegt und darauf schreibt: „Hier sehen Sie einen Live-Stream für mehr als 10.000 Leute“ – Dann kriegt die Behörde Post mit der Information über besagtes Angebot und der Mitteilung, dass man weiter „senden“ werde und man keinerlei Antrag bzw. Genehmigung stellt und hilfsweise im Falle eines Verbots o.ä. auch munter weiter senden werde….

    Vielleicht wohnt aber auch jemand hier in BY und hat Lust da mitzumachen?

  7. >> Zum Glück steht unser Server nicht in Bayern

    Ich weiss ja nicht wie es um eure georaphische Kenntnisse steht. Laut Who-is steht euer Server bei vollmar, die ihre Server in Nürnberg haben. Und wo liegt Nürnberg ?
    Richtig : Auf jeden Fall nicht in Bremen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.