Web 2.0 für ländliche Entwicklung? – Die Web2forDev Konferenz (1)

Vom 25. bis 27. September fand bei der FAO in Rom die Web2forDev Konferenz statt. Ein weites Spektrum von Vertretern grosser internationaler Organisationen (wie UN-Organisationen), Universitäten, bis zu kleinen lokalen NGOs, vor allem aus Afrika, tauschte sich hier über ihre Erfahrungen mit Web 2.0 Anwendungen für ihre Arbeit aus.

Was bringen Blogs, Wikis und online Social Networks für ländliche Entwicklung in den Ländern Afrikas und Asien? Der Fokus lag – entsprechend auch dem Interesse der FAO – in den Bereichen Landwirtschaft, Leben im ländlichen Raum und Ressourcenmanagement. Je nach Kontext waren die Erfahrungen ganz unterschiedlich; viele waren auch gekommen um sich überhaupt grundlegend über die technischen Möglichkeiten zu informieren. Im Folgenden einige Eindrücke und Links – bei vielen parallelen Sessions gab es sicher noch viel mehr.


Erfahrungen mit Web 2.0 im ländlichen Raum, z.B. in Ländern Afrikas:

DER zentrale Punkt ist hier nach wie vor die Internet-Konnektivität. Mit den niedrigsten Bandbreiten zu den höchsten Preisen weltweit, sind die Möglichkeiten sich lange produktiv im Netz aufzuhalten in afrikanischen Städten schon sehr begrenzt. Im ländlichen Raum ist bekannterweise vielfach keinerlei Internet-Infrastruktur vorhanden, oft nichtmals Elektrizität.

Die besondere Rolle und die Möglichkeiten des Mobilfunks sind mir als besonders interessant auf der Konferenz aufgefallen. „The mobile has changed everything.“, erläuterte Mark Davies in seiner Präsentation; 97% aller Tansanier können einer Studie zufolge mittlerweile sagen, dass sie zumindest Zugang zu einem Telefon haben, wie Ethan Zuckerman in seiner Keynote Rede erklärte. Die Möglichkeiten, per Mobilfunk die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt an die richtigen Personen zu senden, und dabei nicht nur als zentrale Info-Hotline, sondern peer-to-peer, erscheinen mir hier aussichtsreich, Tradenet.biz ist hier ein interessantes Beispiel (s.u.).

In vielen Beispielen ging es um Informationssysteme für Bauern, als relevante Anwendung im ländlichen Raum. Es ging um Lösungswege, um Preise an verschiedenen Märkten zu erfahren, um einen virtuellen Marktplatz für Angebote und Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten zu schaffen, sowie um Erfahrungen mit Anbau- und Verarbeitungsmethoden austauschen zu können.

In vielen Beispielen, gerade bei den Farmer-Info-Systemen, spielen Mediatoren und ein gemeinsamer Internet-/Telefon-Zugang eine Rolle. Wenn das Internet, bzw. Web 2.0 Tools, und auch zum Teil Mobiltelefone genutzt werden, so passiert dies meist in einem zentralen Informations-Zentrum/Knowledge Center/Telecenter.

Die Nachhaltigkeit solcher Dienste und entsprechender Geschäftsmodelle ist eine interessante Frage. Einigen Erfahrungen nach sind Farmer durchaus bereit, für z.B. Marktpreisinformationen über SMS-basierte Dienste zu zahlen, da diese Informationen ihre Erträge für ihre Produkte bedeutend erhöhen können, da sie meistbietend verkaufen und vergebliche Wege vermeiden können.

Interessant fand ich auch verschiedene (allgemein bekannte) Argumente, die im Kontext der speziellen Situationen z.B. in Ländern Afrikas besondere Bedeutung erhalten:

* Wenn Menschen in relativer Isolation voneinander leben, bei schlechter Transportinfrastruktur, ist es umso wichtiger Möglichkeiten zur Kommunikation und zur Netzwerk-Bildung zu schaffen. Bei wenig formeller Organisation, z.B. von Bauern, kommt der Vernetzung von Individuen untereinander eine besondere Bedeutung zu.

* Die Nutzerfreundlichkeit von Web 2.0 Tools macht einen grossen Unterschied gegenüber früherer Web 1.0 Entwicklung, was umso wichtiger ist, wenn kaum grundlegende technische Web-Entwicklungskenntnisse vorhanden sind. Ausserdem können sie schnell bedient werden, was wichtig ist, wenn online Zeit teuer und Zeit für’s Publizieren und Kommunizieren überhaupt knapp ist.

* Web 2.0 Dienste sind prinzipiell weltweit für alle gleich verfügbar – was ansonsten für nur Weniges zutrifft. Durch schlechte Konnektivität stimmt diese Aussage natürlich nicht – was wiederum die Bedeutung der Infrastruktur betont.

Die Erstellung von Inhalten stellt eine besondere Herausforderung dar, weil kaum dokumentierte Inhalte existieren. Das Wissen steckt vor allem in den Köpfen der Menschen im ländlichen Raum, und es geht erst einmal darum, zu entscheiden ob und was man dokumentieren möchte, und in welcher Art und Weise und wie man es mitteilen möchte. Wenn der ganze Tag mit Arbeit ausgefüllt ist, bleibt zudem für Dokumentationsaktivitäten nicht viel Zeit.

Bisher marginalisierte Menschen bekommen eine Stimme. Informationen über Lebensrealitäten und Erfahrungen die bisher kein Teil des globalen Wissens waren, werden zunehmend dokumentiert. Die meisten Leser z.B. afrikanischer Blogs sind vermutlich im Ausland. Viele bloggen auch im Hinblick darauf, das Bild ihres Landes im Ausland zu relativieren und zu diversifizieren.

Einige Beispiele, die auf der Konferenz vorgestellt wurden:

Tradenet.biz ist ein Farmer-Info-System, im Einsatz in verschiedenen Ländern Westafrikas, welches v.a. per Mobiltelefon genutzt werden kann, und welches zudem peer-to-peer funktioniert. So kann eine Farmerin z.B. per SMS ankündigen, dass sie 5 kg Mais zu verkaufen hat. Alle SMS-Abonnenten der Kategorie „Mais“ erhalten diese SMS und können mit der Farmerin Kontakt aufnehmen. Mark Davies, der Gründer von Tradenet, erklärt weiteres dazu in einem Interview. Wie dies z.B. von einem ghanaischen Bauern genutzt wird, kann man sich auf dem ghanaischen Videoblog GINKS (welcher auch auch vorgestellt wurde) anschauen/hören.

Von der Präsentation des CELAC Projektes (Collecting and Exchange of Local Agricultural Content) der ugandischen NGO BROSDI waren viele begeistert (ich war leider selbst nicht dabei). Wie Ednah Karamagi berichtete, nutzt BROSDI eine Kombination verschiedener Tools für ihre Arbeit, v.a. auch um die Erfahrungen und das Wissen der Bauern zu dokumentieren und mitzuteilen. Z.B. können Farmer kurze Tips, gute Erfahrungen mit bestimmten Methoden, einschicken, die dann immer montags als SMS-Newsletter, wahlweise auf Englisch oder Luganda, an alle Abonnenten verschickt werden. CELAC nutzt zudem auch Radioprogramme, in denen Farmer anrufen und Fragen stellen können und ein Blog, in dem Farmer Informationen über landwirtschaftliche Methoden posten können, zum Informationsaustausch. Preise auf verschiedenen Märkten werden auf der Website veröffentlicht, und die Aktivitäten in den verschiedenen Dörfern kann man sich per Google Maps anschauen.

Der Kisan Audio Blog ist eine Komponente des DEAL Projektes in Indien. Farmer können hier per Telefon oder in dörflichen Knowledge Centers ihre Fragen zu landwirtschaftlichen Themen aufzeichnen, die dann sowohl von am Projekt beteiligten Wissenschaftlern als auch von anderen Farmern beantwortet werden. Neben dem direkten Nutzen für die Bauern selbst ist der Audio Blog Teil eines wissenschaftlichen Projektes zur gemeinsamen Aggregation und semantischen Verknüpfung von Knowledge Objects aus verschiedenen Quellen (Wissenschaft, lokales informelles Wissen).

KACE (Kenya Agricultural Commodity Exchange) ist ein weiteres Beispiel für ein privatwirtschaftliches Farmer-Info-System, das sich verschiedener Kommunikations-Tools bedient, wie z.B. Integrated Voice Response, SMS-Diensten und online Marktinformationen.

Der NGO Azur Developpement aus Kongo-Brazzaville geht es u.a. um das Bloggen und somit Dokumentieren und Mitteilen von Erfahrungen marginalisierter Bevölkerungsgruppen, wie den Pygmäen, oder HIV/AIDS-infizierten Menschen, wie auch Dimitri Ange Niossoubantou in einem Interview erläutert.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

2 Ergänzungen

  1. mit interesse gelesen, danke. wenn das mobile so wichtig ist, wären ja auch one to many applikationen wie twitter sinnvoll.

    wie ist das mit den preisen für sms? bei uns gilt: gsm datenrate für voice mit sms preis bezahlt = minutenpreis für telefonat so ca 250EUR.

  2. Ich war kürzlich in Uganda und habe dort meine ganzen Termine per Mobile koordiniert. Ich hatte den Eindruck dass die Telefonate ungefähr so teuer waren wie bei uns, also für Uganda relativ teuer. Jetzt habe ich noch mal nachgeschaut: Ich hatte da eine MTN Karte (es gibt verschiedene Netze), die Preise sind: für eine SMS zwischen 3 und 5 Cent, für einen Anruf zwischen 15 und 23 Cent pro Minute je nachdem ob im selben Netz oder in andere Netze und je nach Prime oder Off-Peak Time (http://www.mtn.co.ug/personal/paygo.htm). D.h. anrufen ist in der Tat teuer, aber SMS ist ok. Das Gute ist, dass man Prepaid Guthaben in sehr kleinen Stückelungen kaufen kann, d.h. auch mit wenig Geld kann ich ein paar SMS schreiben. Da man, zumindest in der Stadt, an jeder Strassenecke Guthaben kaufen kann, kann man immer wieder nachladen, wenn man wieder etwas Geld zur Verfügung hat. In den ostafrikanischen Nachbarländern kann man übrigens zu denselben Tarifen ohne Aufpreis SMSen und telefonieren.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.