Urheberrechts-Kritik im Handelsblatt

Das Handelsblatt hat einen Artikel zu freien Lizenzen und der Urheberrechtsproblematik veröffentlicht. Leider mit einem irreführendem Titel: Rebellen gegen das Urheberrecht.

Das Urheberrecht wurde einst geschaffen, um Kulturschaffenden eine Möglichkeit zu geben, von ihrer Arbeit zu leben. Doch immer mehr Kreative verzichten auf die damit verbundenen Kontrollrechte und stellen ihre Werke unter eine freie Lizenz. Was treibt sie dazu, ihre Werke frei verfügbar zu machen?

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11 Ergänzungen

  1. schon die Einleitung läßt einen platzen…. Ganz früher belegte Walther von der Vogelweide seine Werke mit einem Bannspruch, nicht die Kulturschaffenden haben das Urheberrecht geschaffen, die Verleger waren es………

  2. Und dann werden implizit freie Lizenzen mit Creative Commons gleichgesetzt – dem ist ja offenbar nicht so !

  3. allerdings trifft der Schluss das „Problem“ recht treffend denke ich:

    Ob die Content-Industrie mit solchen Modellen in Zukunft noch eine dominierende Rolle spielen wird oder ob Künstler und Kreative noch stärker als bisher das Internet zur Direktvermarktung ihrer Werke nutzen, bleibt eine spannende Frage.

  4. Hallo zusammen,

    ich bin der Autor des Artikels und möchte dazu zwei Dinge anmerken:

    1. Das Urheberrecht wurde nicht von aber für die Kulturschaffenden geschaffen. Und tatsächlich orientiert sich das kontinaleuropäische Urheberrecht als abgeleitetes Naturrecht auch eher an den Interessen der Urheber als an denen der Verwertungsgesellschaften – anders als beispielsweise das angelsächsische Copyright, das biespielsweise handelbar ist. Dass das Urheberrecht kulturhistorisch jedoch eine Ausnahme darstellt, „geistiges Eigentum“ eine Erfindung der Neuzeit ist und Kultur zu Zeiten von Walther von der Vogelweide zum Allgemeingut gehörte, mache ich in dem Artikel auch deutlich.

    2. Ich weiß, dass nicht alle Creative-Commons-Lizenzen im Sinne der Definition Freier Software, wie sie die FSF formuliert hat, frei sind. Ich wollte die Leser aber nicht mit zu geneauen Details des Lizenzrechts behelligen und davon abgesehen, meint selbst die FSE, dass Texte und Bilder nicht unbedingt mit Software gleichzusetzen sind. Die GNU FDL beispielsweise ist nach den Debian-Richtlien ja auch nicht frei – aber hier bewegen wir uns jetzt wirklich in den Untiefen der ideologischen Diskussion über die Freiheit von Lizenzen. ;)

  5. moin,

    ich bin verantwortlich für den im artikel erwähnten open music contest und möchte doch nochmal deutlich auf die unglückliche wahl der überschrift hinweisen. es entsteht bei unbedarften leser/innen unweigerlich der eindruck, freie lizenzen richteten sich gegen das urheberrecht. das ist ja einfach falsch, ganz egal, um welchen grad von freiheit es geht (dazu ausführlicheres in meinem blog).

    @stefan: ich freue mich wirklich, das thema auch im handelsblatt zu finden. nur sollte bei der vereinfachung der darstellung unterm strich kein falsches bild entstehen. ich betrachte jedenfalls weder mich noch den omc als urheberrechtsfeindlich — ganz im gegenteil. wenn es hieße „gegen die urheberrechtsreform“, wäre das zwar immer noch nicht ganz korrekt, aber dann stellte sich vielleicht wenigstens gleich die frage, was wir sonst wollen.

  6. Grundfehler des Artikels ist der schon durch die Überschrift symbolisierte falsche Gegensatz zwischen „freien“ oder „offenen“ Lizenzen und Coprights / Urheberrechten..

    Dass die Urheber (bei Nutzung dieser Lizenzen) „freiwillig Teile ihrer Rechte an eigenen Werke aufgeben“ ist schon rein rechtlich nicht möglich. Tatsächlich werden bei Verwendung dieser Lizenzen zwischen den Urhebern und den einzelnen Nutzern – auf der Basis des Urheberrechts bzw. der Copyrightgesetzgebung – (standardisierte) Lizenzverträge geschlossen.

    Die unterschiedlichen Anwendungsgebiete und (ideologischen) Gegensätze zwischen den verschiedenen „alternativen“ Lizenzen werden genau so wenig angesprochen, wie Fragen zur Praxis. Interessant wäre zum Beispiel die Frage, in wie weit die bei Creative Commons übliche Unterscheidung zwischen „kommerzieller“ und „nicht-kommerzieller“ Nutzung a) in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft und b) unter den (angeblich neuen) Rahmenbedingungen einer „Aufmerksamkeitsökonomie“ Sinn macht.

    Radiohead haben nicht die „Discbox“ zum Download angeboten, sondern – zeitlich befristet – das Album „In Rainbows“. Außerdem haben weder die Band noch ihr Management jemals behauptet, dass es um etwas anderes als eine Marketingaktion geht. Gleiches gilt für Cory Doctorow (vgl. TAZ-Interview „ich bin KEIN copyright-hippie“).

    Auf die falsche Darstellung der Rolle der GEMA, der fehlenden Unterscheidung zwischen Urheberrechten und den daraus abgeleiteten Leistungsschutzrechten hat m.eik hingewiesen. Typisch ist dass die Rolle der auf der Verwertung von Copyrights und Urheberrechten basierenden Industrie ausgeblendet oder (noch schlimmer!) verniedlicht wird. So darf Stefan Michalk vom Lobbyverband der deutschen Musikindustrie folgenden Quark verbreiten: „Die Labels sind die Einzigen, die in großem Stil die mit erfolgreichen Künstlern erzielten Einnahmen an junge Talente umverteilen. Bis heute ist trotz aller Kritik noch kein anderer Player im Markt erschienen, der gezeigt hat, wie es anders und besser geht.“

    Kulturflatrate: Eine „Kulturflatrate“ wäre keine „Alternative zur derzeitigen Praxis des Urheberrechts“, sondern Kulturflatrates sind – in Form der pauschalen Lizenzgebühren wie sie zum Beispiel institutionelle Musiknutzer (Radio- und Fernsehanstalten) seit fast einem Jahrhundert zahlen, längst Realität.

    Übrigens war „Kultur“ schon lange vor der „Erfindung“ von Copyrights und Urheberrechten KEIN „Allgemeingut“ (mehr). Haben Beethoven, Mozart, Wagner & Co. für die Allgemeinheit komponiert oder für (adelige) Auftraggeber? Erst durch die Kommerzialisierung (Buchdruck, Konzerte usw.) wurde „Kultur“ für größere Bevölkerungsteile verfügbar. Die Urheber waren die letzten, die – durch die Einführung von Copyrights und Urheberrechten – an der kommerziellen Verwertung ihrer Werke einigermaßen angemessen beteiligt wurden.

  7. ich finde es sehr wichtig, bei der berichterstattung über freie lizenzen wachsam zu sein und falsche darstellungen umgehend zu korrigieren. dieses thema gewinnt langsam aufmerksamkeit in der „breiten masse“, aber es wäre sicher insgesamt eher ein rückschlag, wenn dabei ein fehlerhafter eindruck hängen bleibt: wenn sich ein „mit dieser musik darf ich einfach alles anstellen“-glaube verfestigt, wird das zwangsläufig diejenigen frustrieren (und in ihren rechten verletzen), die sich für eine freie lizenz entschieden haben. mit einer falsch verkürzten darstellung des urhebrrechts schadet man am ende genau den urheber/inne/n, weil man der öffentlichkeit zu viel unbesorgte handlungsfreiheit suggeriert.

    @DieterK: danke für die interessanten anmerkungen. was den letzen absatz angeht, tut sich ja aber eine ganz neue diskussion auf ;-) im bpb-buch zum geistigen eigentum sind dazu ein paar interessante punkte zu finden, z.b. daß sich die alten komponisten ganz selbstverständlich bei werken ihrer kollegen bedienten. so scharf wie heute waren die grenzen also offenbar zumindest nicht. und es ist gewiß auch nicht so, daß der nicht zu hofe lebende teil der bevölkerung keine lieder gesungen hätte. die müssen ja nun nicht unbedingt von beethoven oder mozart komponiert worden sein, um als „kultur“ zu gelten.

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