Online-Durchsuchung: Schützenhilfe aus den USA

Der Kölner Stadt Anzeiger tickert über den dpa-ots-Service eine Aussage des innenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,Hans-Peter Uhl (CSU): Festnahmen von Terrorverdächtigungen gehen auf Online-Durchsuchungen von US-Geheimdiensten zurück.

Demnach geht die Festnahme der drei Terrorverdächtigen auf Online-Durchsuchungen der amerikanischen Geheimdienste zurück. Das ist ja äusserst praktische Schützenhilfe zur rechten Zeit, um das Thema Online-Durchsuchung wieder zugunsten der Union in die richtige Bahn zu lenken.

„Die ursprünglichen Impulse gingen von Pakistan aus. Dort wurden die Erkenntnisse durch nachrichtendienstliche Überwachung gewonnen. Glücklicherweise haben wir Informationen von amerikanischen Nachrichtendiensten bekommen, die uns geholfen haben, diese potenziellen Massenmörder rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen. Die USA brauchen von uns nicht gebeten werden. Die machen das, was sie für sich richtig halten.“

Weiter wird Uhl zitiert:

„Die Position der SPD ist unhaltbar. Der Staat muss gerüstet sein. Jedes weitere Zuwarten ist schädlich und eigentlich nicht zu verantworten. Der amerikanische Geheimdienst macht das; die anderen Geheimdienste machen es. Und Deutschland wird es auch machen, weil die SPD noch vor dem Verfassungsgerichtsurteil beidrehen wird. Sie kann gar nicht anders.“

Da die USA wohl über ihr Echelon-System die Mailkommunikation überwacht hat, wissen wir ja, was nach der Vorratsdatenspeicherung als nächster Vorschlag von der Union kommen wird: Die Überwachung der Kommunikationsinhalte. Mit derselben Argumentation wird das problemlos zu schaffen sein. Damit kann man auch Folter legitimieren,

Taz: CDU will Terrorcamper einsperren.

Bürgerrechtler werfen der CDU vor, die angespannte Stimmung für ihre parteipolitischen Zwecke auszunutzen. „Derzeit lässt sich in der Debatte leider auf fatale Weise Druck aufbauen“, sagt Frank Rosengart vom Chaos Computer Club (CCC). Dabei hat er nichts dagegen, dass „Herr Schäuble die Rechner beschlagnahmt, die als Server für die Foren religiös motivierter Bombenbastler dienen“. Anders sehe dies allerdings aus, wenn der Innenminister beabsichtige, private Computer zu durchsuchen. „Wir bleiben auch in dieser schwierigen Situation dabei, dass dies einen grundgesetzwidrigen Eingriff in die Privatsphäre darstellt.“

Süddeutsche Zeitung: Kommentar: Weniger Rechtsstaat durch Onlinedurchsuchung.

Jeder Sicherheitspolitiker gibt zwar gerne zu, dass sich der Staat Grenzen setzen muss. Aber praktisch gibt es diese Grenzen nicht mehr, sie sind in den vergangenen Jahren ständig weiter durchlöchert worden. Und dort, wo es sie noch gibt, werden sie offenbar umgangen: Die Regierungspolitik hat keine Schwierigkeiten damit, Erkenntnisse zu verwerten, die von ausländischen Nachrichtendiensten mit Mitteln erlangt wurden, die in Deutschland verboten sind. Auf diese Weise finden auch erfolterte Informationen in Deutschland Verwendung. Mit Informationen, die vom US-Geheimdienst per Computer-Durchsuchung erlangt wurden, dürfte es sich genauso verhalten. Das ist Pontius-Pilatus-Politik.

Nichts ist unmöglich – ein Motto für rechtsstaatliche Politik ist das nicht. Es ist Zeit, endlich (und mit der Verve, mit der die Online-Durchsuchung gefordert wird) zu überlegen, wo die Grenze liegen muss. Als vor 40 Jahren die Telefonüberwachung eingeführt wurde, war sie nur bei vier schweren Delikten erlaubt; heute gleicht die Liste einer Rundreise durchs Strafgesetzbuch. In den Antworten auf Fragen der SPD hat das Bundesinnenministerium zweierlei zugeben müssen: Dass sich bei einer Online-Durchsuchung die Privatsphäre nicht vernünftig schützen lässt. Und dass der Inhalt eines Computers online verändert werden kann – also Schriftstücke eingepflanzt werden können, die vorher nicht da waren. Das beeinträchtigt die Beweistauglichkeit von Online-Erkenntnissen.

Süddeutsche Zeitung: Brieftauben im Netz.

Laut Medienberichten haben die Terrorverdächtigen zunächst über einen Webmail-Dienst miteinander kommuniziert. Sie haben aber keine E-Mails verschickt, sondern diese im Entwurfsordner gespeichert und über ein gemeinsames Passwort den Zugang geregelt. Diese Idee hat aber keinerlei Auswirkungen auf das Zugriffsrecht der Ermittler. Tatsächlich ist es bereits heute so, dass nach dem Telekommunikationsgesetz und die Telekommunikations-Überwachungsverordnung E-Mail-Konten und Mailserver überwacht werden dürfen. Nach einem Richterbeschluss müssen die Provider der Staatsanwaltschaft Zugang zu den Postfächern gewähren und die gesamten Daten der E-Mail-Kommunikation an die Staatsanwaltschaft weitergeben. So ist das laut Medienberichten auch Falle der festgenommenen Terrorverdächtigen

de.internet.com: Mehr als zwei Drittel für stärkere Überwachung des Internet.

Kurz nach der Festnahme von drei Terrorverdächtigen in Nordrhein-Westfalen fühlt sich die große Mehrheit weiterhin sicher in Deutschland, stimmt aber trotzdem für mehr Überwachung. In einer heute in Köln vorgestellten Umfrage für die ‚Tagesthemen‘, erhoben von Infratest Dimap unter 1.000 Bundesbürgern, sagen 81 Prozent, dass sie sich alles in allem sicher in Deutschland fühlen. Das sind fast ebenso viele wie im Juli dieses Jahres (84 Prozent), als diese Frage zum letzten Mal gestellt wurde. Nur 18 Prozent fühlen sich derzeit eher unsicher im Land.

Dass das Internet stärker überwacht werden müsse, meinen dennoch 67 Prozent. Die Zustimmung zur Online-Durchsuchung auf Privatcomputern ist durch die geschürte Terrorhysterie im Laufe dieser Woche gestiegen. Waren am Montag und Dienstag im ARD-DeutschlandTrend noch die Hälfte der Bundesbürger (50 Prozent) der Ansicht, dass der Einsatz der so genannten „Bundestrojaner“ auf privaten PCs zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung prinzipiell erlaubt sein sollte, so sind es nach den Festnahmen der Terrorverdächtigen 58 Prozent. 36 Prozent, so das Ergebnis der Blitzumfrage von Donnerstag, dagegen finden, die Online-Durchsuchungen mit „Bundestrojanern“ greife zu weit in die Privatsphäre. Am Montag und Dienstag waren es noch 47 Prozent.

Ich mach mir echt Sorgen, in welchem Staat wir landen werden, wenn tatsächlich mal ein Anschlag in Deutschland passieren sollte und eine richtige Hysterie ausbricht.

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15 Ergänzungen

  1. Jaja, is schon komisch, was es immer so für „Zufälle“ gibt.
    Da nimmt man doch im richtigen Moment noch ein paar „Terroristen“ fest, damit man den Leute noch mehr Angst machen kann und sagen kann, dass es wirklich aktuelle Gefahren gibt.
    Naja immerhin sind sie hier in Deutschland wohl (noch) nicht bereit um Gesetze durchzudrücken Anschläge geschehen zu lassen…

  2. Warum gibt die Information eigentlich niemand raus, der verantwortlich ist? Herr Uhl war ja wohl an den Ermittlungen kaum beteiligt …

  3. >blockquote cite“Das sind fast ebenso viele wie im Juli dieses Jahres (84 Prozent), als diese Frage zum letzten Mal gestellt wurde. Nur 18 Prozent fühlen sich derzeit eher unsicher im Land.“>

    ich gehöre zu den 18 Prozent die sich derzeit unsicher im Lande Deutschland fühlen. Das liegt zum großen Teil an unserer Regierung!

  4. Ich kann mir ungefähr vorstellen, was passiert bei einem richtigen Anschlag: Innenminister klopfen sich auf die Schultern, dass sie es schon immer geahnt hätten, dann bekommen alle Konvertiten gelbe Halbmonde an den Ärmel, es werden Computer öffentlich verbrannt, die Intelligenz wandert wieder (hoffentlich rechtzeitig) aus, man richtet im nördlichen Afrika Lager ein, von denen keiner später etwas gewusst haben will. Und Schäuble behauptet, dass eben Späne fallen müssten, wenn gehobelt wird.
    Hatten wir so was schon mal?

  5. Ich kann mir ungefähr vorstellen, was passiert bei einem richtigen Anschlag: Innenminister klopfen sich auf die Schultern, dass sie es schon immer geahnt hätten, dann bekommen alle Konvertiten gelbe Halbmonde an den Ärmel, es werden Computer öffentlich verbrannt, die Intelligenz wandert wieder (hoffentlich rechtzeitig) aus, man richtet im nördlichen Afrika Lager ein, von denen keiner später etwas gewusst haben will. Und Schäuble behauptet, dass eben Späne fallen müssten, wenn gehobelt wird.
    Hatten wir so was schon mal?

    müssen es immer derartige vergleiche sein? ich finde, es gibt bessere argumente.

  6. Selbstverständlich mach ich mir auch Sorgen um die derzeitige politische Entwicklung und als sehr Fatal halte ich die letzte Umfrage, wonach fast 50 Prozent für die Online-Durchsuchung sein sollen – wenn es überhaupt stimmt.

    Nehmen wir einmal an, Schäuble kommt mit seinen Forderungen durch und danach kommt es in Deutschland zu einem Anschlag.

    Welche Folgen hätte das für die Überwacher?

    Ich stelle diese Frage, weil ich davon ausgehe, dass auch eine heimliche Online-Durchsuchung keinen Schutz vor Anschläge garantieren kann.

  7. Sollte es wirklich sein das die unverschlüsselt emails geschickt haben? Ich glaube wir haben das hier mit Splittergruppen zu tun die das, zum Glück, nicht so richtig auf die Reihe bekommen.

  8. Interessant ist immer, wenn man die Wünsche der „Exekutive“ (BKA) mal konsequent zu Ende denkt und zwar am Beispiel des Bundestrojaners. Der Spiegel zitiert die SZ:

    Im August, in der entscheidenden Phase der Anschlagsplanung, seien die Männer dann dazu übergegangen, ein Verschlüsselungsprogramm zu benutzen. Das habe die Fahnder „blind“ gemacht, sagte einer der Beteiligten der Zeitung. Er lobbyierte gleichzeitig ein bisschen für das derzeitige Lieblingsprojekt von Schäuble, die Computerüberwachung: „Da hätte uns ein Trojaner geholfen, um da einzudringen.“

    Ein Trojaner hätte da wohl leicht ausgetrixt werden können und zwar durch rein manuelle Maßnahmen. Es geht dem BKA nach dieser Aussage um’s „Abhören“ quasi während des Schreibens der Mail, bevor sie verschlüsselt werden kann. Da kann der Terrorist doch einfach den Stecker zum Internet rausziehen, seine Mail verschlüsseln, Stecker wieder rein und verschlüsselt abschicken.

    Jetzt kann man sich aber einen Trojaner denken, der sich für ganz schlau hält und der die Mails, während sie geschrieben werden, für sich speichert – auch wenn das Kabel zum Internet abgeklemmt ist – und die Mails erst dann zum BKA sendet, wenn der Rechner wieder an’s Internet geht.

    Aber auch das kann man wieder „manuell“ verhindern. Man kauft sich einfach einen „sauberen“ Rechner, den man nie an’s Internet anschließt. Schreibt und verschlüsselt dort immer seine Mails. Dann überträgt man sie per Diskette an den Internetrechner und schickt sie ab.

    Die Konsequenz, die Schäuble daraus eigentlich ziehen müsste, wäre: Installation des Bundestrojaners auf jedem neuverkauften Rechner, der ausgeliefert wird. Der müsste so konzipiert sein, dass er direkt den „Mitschnitt“ der Original-Terror-Mail an die verschlüsselte Datei anhängt und dann auf dem Internetrechner aktiv wird, sobald dieser an’s Netz geht.

    Sehr komplexes Ding, schon sehr einfach an der Länge der Mail, die man erstellt, erkennbar, erfordert Pflicht-Trojaner des BKA auf jedem neu ausgelieferten Rechner, etc. etc.

    Solch einfache Gedankenspiele entlarven ganz leicht die Absurdität des „Bundestrojaners“. Deshalb ist es sehr bedauerlich, dass sich die Presse ohne ein bisschen zu überlegen, was sie da schreiben, an den Legendenbildungen beteiligt.

    Es geht wohl auch nicht um die konkrete Maßnahme, sondern um Gesetze, die den Behörden für alle Zukunft und alle in Zukufnt denkbaren Technoligien einen Blankocheck ausstellen, so dass sie nie mehr diese lästigen Bürgerrechtsdiskussion führen müssen.

  9. „Die Erkenntnisse, die zu den Tätern geführt haben, stammen aus Computerüberwachungen der amerikanischen Nachrichtendienste“ (Kölner Stadt-Anzeiger, Samstag-Ausgabe)

    Wie jeder Andere auch bin ich froh, dass Anschläge und damit feige Morde an vielen unschuldigen Menschen verhindert werden konnten. Trotzdem möchte ich zwei Dinge loswerden:

    1. lässt sich die Initiative der Amerikaner nicht einfach unter der Rubrik „Selbstloses Handeln“ einordnen.

    Man erinnere sich: Ziel war es, Anschläge auf US-AMERIKANISCHE Einrichtungen in der BRD zu vereiteln.

    2. sollte man trotz der allgemeinen Erleichterung und Freude über die Verkettung ‚glücklicher Zufälle‘, die zur Identifikation der Gefährder/Täter führte, fragen dürfen, wie die Amerikaner die erforderlichen Informationen beschafft haben mögen.

    E-Mail-ENTWÜRFE auf den Servern eines Freemail-Anbieters… WIE kommt man da ran??

    „Ich sehe was, was Du nicht siehst.“ ( – und ich übrigens auch nicht sehen dürfte)

    Nach dieser ganzen Sache ist jedenfalls nicht nur meine Angst vor Terroristen gestiegen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.