Online-Durchsuchung bei Urheberrechtsverletzungen?

Update: Scheint ein Fehler bei Telepolis zu sein, wie Detlef Borchers hier in den Kommentaren schreibt. Demnach hat Beckstein dort die Online-Durchsuchung nur für schwere Straftaten wie „Auftragsmord, Vorbereitung terroristischer Anschläge, organisierte Kriminalität, internationaler Drogenhandel, Menschenverschleppung und die Verbreitung von Kinderpornographie“ gefordert.

—-
Es gibt ja wenige Dinge, über die ich mich noch wundere. Heute ist wieder so ein Moment. Wenn mitten in der öffentlichen Debatte rund um die Online-Durchsuchung plötzlich der staatliche Einbruch in Computer zur Bekämpfung von Urheberrechtsdelikten von einem zukünftigen Ministerpräsidenten gefordert wird, dann scheinen langsam alle Dämme zu brechen. Man stelle sich mal vor, die Polizei würde, womöglich mit der GVU zusammen, in die Wohnungen von Bürgern einbrechen, um im Schlafzimmer nach gebrannten CDs zu schauen.

Als Günther Beckstein die Bühne betrat, brandete im Publikum spontan Beifall auf. Auch er befürworte den verdeckten Zugriff auf die heimischen PCs, unter anderem mit dem Argument, die Polizei könne so Urheberrechtsverletzungen verfolgen. Der hessische Innenminister Volker Bouffier wiederum forderte eine „integrierte Gefahrenabwehr“, also die Möglichkeit, die Bundeswehr im Inland einzusetzen, und erklärte den Zuhörern außerdem, er habe durchgesetzt, dass der hessische Verfassungsschutz Personen ab dem 10. Lebensjahr überwachen dürfe.

Ich verstehe die Strategie dahinter nicht. Normalerweise werden solche massiven Grundrechts-Einschnitte mit der Bekämpfung von Kinderpornographie und dem internationalen Terrorismus argumentiert.Dagegen muss ja was getan werden und alle Gegner werden in der Diskussion gleich mit dem Stigma versehen, dass man deren Bekämpfung verhindere. Wenn die Massnahmen erstmal da sind, wird der Straftatsbestand später ausgeweitet. Das ist die einfachste Strategie, um öffentlichen Protest zu vermeiden. Die Online-Durchsuchung ist noch gar nicht als Gesetzesvorlage da, sondern nach dem BGH-Urteil erstmal in der öffentlichen Diskussion. Und schon wird in der Debatte der Einsatz von den Befürwortern auf viele anderen Bereiche ausgedehnt. Da scheint man sich sehr sicher zu sein, dass man sich das leisten kann, oder was könnte der Grund dafür sein? Mal schauen, ob die SPD da mitspielt.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

8 Ergänzungen

  1. Da gibt es nichts zu verstehen, weil Beckstein etwas ganz anderes gesagt hat, wie ich z.B. auf dem Heiseticker berichtet habe. Er hat eine Liste der schweren Straftaten gefordert, bei denen eine Online-Durchsuchung erlaubt sein soll. Mit seiner Liste der schwerstkriminellen Delikte ging Beckstein über das Ansinnen des BKA-Chefs Ziercke hinaus. Auch die Begründung durch Beckstein war etwas anders. Er verwies darauf, dass Verbrecher verschlüsselt auf Server irgendwo im Ausland speichern und die Polizei dann nicht rankommt. Auf der anschließenden Pressekonferenz wurde Beckstein noch gefragt, welche Dinge denn in den Straftatenkataolog sollen. Urheberrechtsverletzungen waren nicht drunter, sondern Auftragsmord, Vorbereitung terroristischer Anschläge, organisierte Kriminalität, internationaler Drogenhandel, Menschenverschleppung und die Verbreitung von Kinderpornographie.

    Ich hab noch mal aufs Band gehört: in seinen Diskussionsbeiträgen hat Beckstein beklagt, dass viele Menschen das Internet als rechtsfreien Raum wahrnehmen würden und als Beispiel zahllose Urheberrechtsverletzungen genannt. Das war aber nicht im Zusammenhang mit der Online-Durchsuchung. –Detlef

  2. Das hat mich jetzt aber auch überrascht. Denn ich hätte gedacht, dass sich die „jungens“ noch etwas zeit lassen um mit dieser idee zu kommen. In meinen augen ist dieser vorstoss eine unüberlegte aussage. Damit wird die aussage vom BKA-Chef „Niemand muss Orwellsche Verhältnisse befürchten – 99,99 Prozent der Bevölkerung werden davon nicht betroffen sein.“. Vielleicht werden dadurch jetzt auch ein paar leuten die augen geöffnet.
    Hinfällig. Denn die GVU hat da bestimmt schon eine lange liste… wie war das 1000 pro monat?
    Wie stehen denn unsere zeitungen dazu? Denn wenn, die wieder „geheime“ unterlagen zitieren könnten ja auch bald auch auf ihren rechnern ein trojaner sitzen. Und für alle, die jetzt sagen, dass würden die gesetzte verhindern… Der BND darf auch nicht im inland leute beschatten, die polizei durfte auch nicht alle kreditkartenrechnungne durchleuchten und und und.

  3. In Amerika hatte die RIAA schon im Zusammenhang mit dem PATRIOT ACT (12.Oktober 2001) versucht, eine Bestimmung in das Gesetz einzufügen, die es der RIAA (nicht der Polizei, dem Staatsanwalt, nein der Phonoindustrie) erlaubt hätte, private Festplatten zu DURCHSUCHEN (!) und „illegale“ Datein zu LÖSCHEN (!). Außerdem war eine Obergrenze für eventuelle Schadensansprüche der Computerbesitzer vorgesehen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.