Meine Rede bei der „Freiheit statt Angst“-Demonstration

Hier ist mal die vorläufige Endversion meiner Rede bei der „Freiheit statt Angst“-Demonstration in Berlin. Wie das so immer ist, hat man nur begrenzte Redezeit und viele Punkte werden schon von anderen Rednern abgedeckt. Ausserdem gilt das gesprochene Wort…

Hallo, ich bin Markus Beckedahl vom Netzwerk Neue Medien und ich betreibe das Weblog netzpolitik.org.

Ich freue mich, dass heute so viele Menschen gekommen sind, um mit uns gegen Überwachung und für die Freiheit zu demonstrieren. Wir sind hier, weil wir Sorge um unsere Freiheit haben. Sorge davor, uns zukünftig nicht selbstbestimmt und ohne Überwachung bewegen zu können. Diese Sorge wird von Politikern geschürt, die unsere Welt nicht verstehen. Die überall im Netz Terroristen sehen und selber Angst vor der digitalen, für sie unbekannten Zukunft haben! Die ständig argumentieren, das Netz dürfe kein rechtsfreier Raum sein.

Ja was ist denn mit der Post? Wird gespeichert, wer wem Briefe schreibt? Wird gespeichert, wer wann was im Fernsehen schaut oder wer wann welchen Artikel in einer Zeitung liest? Und was ist mit unseren privaten Gesprächen im Wohnzimmer, wird protokolliert, wer mit wem wann gesprochen hat? Das sind alles rechtsfreie Räume mit derselben bizarren Logik. Die Vorratsdatenspeicherung soll genau dies im digitalen Raum ermöglichen.

Wir wollen keinen Staat, der uns unter Generalverdacht stellt.

Der ständig in unserem Leben rumschnüffelt und uns in Datenbanken rastert. Der ohne Verdacht unser Kommunikationsverhalten protokollieren will. Ich möchte mich nicht mit dem Bewusstsein im Netz bewegen, dass in einer Datenbank gespeichert wird, für was ich mich interessiere und mit wem ich kommuniziere.

Ich wünsche mir Politiker, die unsere Verfassung und unsere Freiheit respektieren. Und die nicht ständig alle Freiheiten in Frage stellen und uns unsere Freiheit nehmen wollen. Ich wünsche mir einen demokratischen Staat, der unsere Lebenswelten respektiert und nicht ständig unsere Freiheiten abbauen will. Ich wünschen mir einen Staat, der uns nicht als Feind sieht, sondern dem ich vertrauen kann.

Dieses Vertrauen der Bürger ist das Fundament unserer Demokratie. Und dieses Fundament eines freiheitlichen und liberalen Weltbildes verlieren wir im Moment täglich mehr. Wir sind auf dem gefährlichen Weg in einen Präventionsstaat, wo jeder von uns als potentieller Feind des Staates angesehen und behandelt wird. Diesen Staat wollen wir nicht!

Seit einiger Zeit läuft die Debatte rund um die Online-Durchsuchung. Nach den Vorstellungen von Wolfgang Schäuble sollen die Sicherheitsbehörden das Recht erhalten, heimlich auf die Computer von Verdächtigen zugreifen zu können. Aber was bedeutet das konkret? Übersetzt in die reale Welt bedeutet das, dass Sicherheitsbehörden auf den bloßen Verdacht hin heimlich in unsere Wohnung einbrechen und diese durchsuchen dürfen. Ohne demokratische Kontrolle und Transparenz wie bei einer normalen Hausdurchsuchung.

Das läuft nach den Vorstellungen des Bundesinnenministerium dann so ab, dass man wahlweise gefälschte Behördenmails mit Trojanern verschickt oder Sicherheitslücken auf den Rechnern von Verdächtigen ausnutzt. Der Bundestrojaner soll dabei so intelligent sein, dass er Tagebücher und auch andere private Sachen, also den von der Verfassung absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung, nicht durchsucht. Jeder mit etwas mehr IT-Kenntnissen weiß: Das ist Science Fiction!

Auf so eine Idee kommen auch nur Menschen, die das Internet und Computer noch nicht so in ihr Leben integriert haben. Für uns sind die Daten auf unseren Rechnern privater und schützenswerter als die Schlafzimmer und Tagebücher unserer Eltern-Generation zusammen.

Wissen das unsere Politiker? Innenminister Schäuble weiß mittlerweile, dass das Internet keine Telefonanlage ist. Justizministerin Zypries fragt sich vielleicht immer noch, was ein Browser ist. Wirtschaftsminister Glos lässt sich das Internet ausdrucken, weil das mit dem Handy schon so schwer ist. Wir werden von Politikern regiert, die noch nicht im Netz angekommen sind. Die mehr Angst vor dem Unbekannten haben, anstatt die Chancen und Freiheiten zu sehen. Wir brauchen mehr Medienkompetenz bei Politikern! Und wir brauchen mehr komptetente Leute in allen Parteien. Dann gibt es vielleicht auch bessere Gesetze für den digitalen Raum.

Für uns sind das Netz und unsere Computer ein soziale Raum, in dem wir uns aufhalten. In dem wir leben, kommunizieren, uns austauschen, dem wir unsere privaten Gedanken anvertrauen: Der Staat und seine Sicherheitsbehörden haben in unserem Privatleben – nichts – zu – suchen.

Es geht um unser Leben im Netz und die Gewissheit, bei unserer privaten und öffentlichen Kommunikation nicht ständig vom Staat überwacht zu werden. Es geht darum, dass man sich auch weiterhin im digitalen Leben frei und offen entfalten kann. Dass man seine Meinung weiterhin ohne Angst frei äußern kann. Dass man weiterhin freie und anonyme Kommunikationswege hat. Wie beim privaten persönlichen Gespräch zuhause im Schlafzimmer, im Park oder im Cafe. Noch kann etwas getan werden.

Wir werden weiter für unsere Freiheiten kämpfen und wir werden täglich mehr. Wir haben unsere digitalen Tools. Und wir können die auch nutzen – um uns zu vernetzen, um stärker zu werden und eine immer lautere Stimme in der Gesellschaft zu werden, um auf den Abbau unserer aller Freiheiten hinzuweisen. Momentan müssen wir gegen den Abbau von Freiheiten kämpfen. Aber das wird sich ändern: wir wollen nicht weniger, sondern mehr Freiheit vom Staat. Meine Daten gehören mir!

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56 Ergänzungen

  1. Kleine Anmerkung: „Ohne demokratische Kontrolle und Transparenz wie bei einer normalen Hausdurchsuchung.“
    > Hausdurchsuchungen sind selten demokratisch ;). Ich denke, du meinst eher das rechststaatlich garantierte Recht auf Beschwerde oder Widerspruch bei einer Amtshandlung.

    Ansonsten nett.

  2. Gute Rede, auf jeden Fall. Für hier und da ein wenig Pathos mehr erlaube ich mir einige Vorschläge:

    Vorschläge:

    Ja was ist denn mit der Post? Wird gespeichert, wer wem Briefe schreibt? Wird gespeichert, wer wann was im Fernsehen schaut oder wer wann welchen Artikel in einer Zeitung liest? Und was ist mit unseren privaten Gesprächen im Wohnzimmer, wird protokolliert, wer mit wem wann gesprochen hat?

    ## Nein. Und das aus gutem Grund. Das ist Privatsphäre. Das ist das Intimste, was wir in unserem Leben haben. Mit wem wir kommunizieren, wem wir unsere Gedanken und Gefühle anvertrauen, geht nur die jeweiligen Empfänger und uns selbst etwas an. Niemanden sonst. Die Vorratsdatenspeicherung soll jedoch genau diese Protokollorierung im digitalen Raum ermöglichen.

    Wir wollen keinen Staat, der uns unter Generalverdacht stellt.

    […]

    Ich wünsche mir Politiker, die unsere Verfassung und unsere Freiheit respektieren.

    ##Und die eben Freiheit und Verfassung nicht ständig in Frage stellen und sie uns nehmen wollen.

    Ich wünsche mir einen demokratischen Staat, der unsere Lebenswelten respektiert und der stark genug ist, Freiheit zu gewähren. Denn durch Restriktion und Gängelung zeigt sich letztlich immer nur die Schwäche. Und genau da wünsche ich mir einen Staat, der uns ##eben## nicht als Feind sieht, sondern dem ich vertrauen kann.

    […]

    Diesen Staat wollen wir ##aber## nicht!

    […]

    Jeder mit etwas mehr IT-Kenntnissen weiß: Das ist Science Fiction!

    ## Und zwar die besonders gruselige Form.

    […]

    Die mehr Angst vor dem Unbekannten haben, anstatt die Chancen und ##zusätzlichen## Freiheiten zu sehen.

    ##Angst regiert schlecht.

    Wir brauchen daher mehr Medienkompetenz bei Politikern! Und wir brauchen mehr komptetente Leute in allen Parteien. Dann gibt es vielleicht auch bessere Gesetze für den digitalen Raum.

    […]

    Für uns sind das Netz und unsere Computer ein soziale Raum, in dem wir uns aufhalten. In dem wir leben, kommunizieren, uns austauschen, dem wir unsere ##privatesten## Gedanken anvertrauen: Der Staat und seine Sicherheitsbehörden haben in unserem Privatleben,

    ##in unseren Liebesbriefen, unseren Urlaubsbildern, Hausaufgaben und Tagebüchern, in unseren Erinnerungen an fröhliche und traurige Momente, nichts

    – ##absolut## nichts – zu – suchen.

    […]

    Dass man seine Meinung weiterhin ##und## –ohne Angst– frei äußern kann.

    […]

  3. „Ich freue mich, dass heute so viele Menschen gekommen sind, um mit uns gegen Überwachung und für die Freiheit zu demonstrieren.“

    ich hoffe mal, daß du da nicht improvisieren mußt…

    ab 1. januar dann?

    vielleicht doch dem provider jetzt schon mitteilen, daß man die dienste unter den neuen bedingungen nicht mehr in anspruch zu nehmen gedenkt.
    (und bei wem er sich für den umsatzrückgang bedanken darf)

    stell dir vor es ist internet und keiner klickt.

    können wir das überhaupt noch?
    (wollen steht ja weniger zur debatte)

    „the bright side?
    REAL life happens every moment. if we have to move on because they take over – so be it.
    they win, everybody loses. i wont wage war about IT.“

    que sera, sera…

  4. Wissen unsere Politiker denn nicht, dass heute jeder vorsichtige Kriminelle zwei Computer hat. Einen am Internet und einen für alle sensiblen Daten. Und alle sensiblen Daten, die man über das Internet überträgt, werden vorher verschlüsselt und dann per USB-Stick (mit ein paar Sicherheits-Vorkehrungen) zwischen den beiden PCs übertragen. Die staatlichen Bespitzelungsmaßnahmen treffen mal wieder nur die Armen…

  5. Wichtig ist meiner Meinung nach auch noch, dass auf die Funktionalität dieser staatlichen Datensammlungen eingegangen wird, um möglichen „aber das schützt uns vor den pöhsen Terroristen“-Gegenargumenten schnell Einhalt zu gebieten. Krypto-Guru Schneier hat das auf eine sehr einfache Weise erklärt.

    Let’s look at some numbers. We’ll be optimistic. We’ll assume the system has a 1 in 100 false positive rate (99% accurate), and a 1 in 1,000 false negative rate (99.9% accurate).
    Assume one trillion possible indicators to sift through: that’s about ten events — e-mails, phone calls, purchases, web surfings, whatever — per person in the U.S. per day. Also assume that 10 of them are actually terrorists plotting.
    This unrealistically-accurate system will generate one billion false alarms for every real terrorist plot it uncovers. Every day of every year, the police will have to investigate 27 million potential plots in order to find the one real terrorist plot per month. Raise that false-positive accuracy to an absurd 99.9999% and you’re still chasing 2,750 false alarms per day — but that will inevitably raise your false negatives, and you’re going to miss some of those ten real plots.

  6. Nachtrag:
    Ja was ist denn mit der Post? Wird gespeichert, wer wem Briefe schreibt? […] Das sind alles rechtsfreie Räume mit derselben bizarren Logik.

    Nach der erwähnten bizarren Logik (d.h. wenn man ihr folgt) sind das alles rechtsfreie Räume. Sind sie tatsächlich aber nicht. Es gibt ja Gesetze, wie Brief-,Fernmelde-Geheimnis etc. pp.

  7. Der Staat ist aber keine Wunschbude, wenn ihr ihn für bestimmte Belange haben wollt und zu brauchen meint, habt ihr die inkriminierten Aspekte leider mit am Hals.

    Es ist auch keineswegs der Staat, von dem die allgemeine gegenseitige Kontrolle ihren Ausgang nimmt, sondern die Gesellschaft. Daß Schäuble macht, was er macht, ist klar und kein Wunder. Daß er es machen kann, weil er einem autoritären Sicherheitsbedürfnis Geltung verschafft, ist das eigentliche Problem.

    Ich schrieb dazu:

    „Wer sich in Deutschland für das Recht auf Privatsphäre einsetzt, vertritt eine Minderheitenposition und kann sich auf keine Civil Liberties Union stützen, nicht auf libertäre Fraktionen in den Regierungsparteien oder auf eine starke Bürgerbewegung, die wie in Irland Biometrie in den Ausweisen verhindern könnte. Es kann nicht von Lobbyarbeit gesprochen werden, wenn ein Datenschutzbeauftragter und ein engagierter Hacker vom Bundestag zu neuen Gesetzen angehört werden. Eine Lobby übt Druck aus, droht mit Sanktionen und zwingt diejenigen, die die Entscheidungen treffen, zwischen Interessen abzuwägen.“

    http://www.classless.org/2007/09/06/achten-sie-nicht-auf-das-volk-hinterm-vorhang/

  8. „Für uns sind die Daten auf unseren Rechnern privater und schützenswerter als die Schlafzimmer und Tagebücher unserer Eltern-Generation zusammen.“

    Warum schützenswerter? Sie sind es EBENSO!

    Ansonsten sehr gut!

  9. [… „Auch Konvertiten lesen Zeitung! – Für Ausweispflicht am Kiosk“
    Die Idee dazu kam mir durch diesen Text (lesen!), sowie diesem Aufruf zu einer Gegendemo.
    Es kann doch nicht sein, dass man immer nur eine Seite mit Ideen versorgt ;-)“ ..]

  10. Danke für diese Rede! Und auch für die gute Live-Performance. :) Deine Rede, war in meinen Augen eine der interessantesten und besten an diesem Tag.

  11. Gut zu lesen, dass das Engagement für Bürger- und Menschenrechte in Deutschland so groß ist! Für die große Demo- und Assoziationsbereitschaft gegen die Verletzung der Privatsphäre gibt es in Deutschland glücklicherweise demokratische Spielräume.

    In anderen Ländern, in denen die Grundfreiheiten deutlich restriktiver gehandhabt werden, gibt sind noch immer ganz andere Praktiken an der Tagesordnung, wie wir beim Why Democracy? Projekt gerade herausfinden dürfen: Filmmaterial muss außer Landes geschmuggelt werden, unsere Dokumentarfilmer werden bedroht, bekommen Probleme mit staatlichen Autoritäten in den Ländern in denen gedreht wird, Journalisten werden zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie „Unwahrheiten“ verbreiten. Seid also stolz auf die relativ gut garantierten Grundfreiheiten in Deutschland und macht weiter so! Nutzt den Raum für Proteste.

  12. Das ist ja mal ein Thema, das alle anspricht und über das man so viele negative Reaktionen im Internet findet, wie zu kaum einem Thema. Mir bleibt ein Rätsel, wie man solche Methoden trotz der krassen öffentlichen Gegenmeinung überhaupt erwägen kann.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.