Grüne Berlin gegen freies WLAN?

Özcan Mutlu sitzt als bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Berliner-Abgeordnetenhaus. Soweit so gut. Etwas verwundert war ich aber, als ich eine Pressemitteilung von ihm zugeschickt bekam: W-Lan für ganz Berlin, aber kein Geld für ein Schulanfänger-Starterpaket.

Es ist peinlich, was sich die Berliner SPD derzeit leistet: Sie will ein W-Lan (Wireless Local Area Network) für ganz Berlin einrichten, aber keine Schulanfänger-Starterpakete finanzieren! Ein drahtloses Netzwerk für Berlin ist schön und gut, aber gleichzeitig nicht einmal die Minimalausstattung unserer Schulanfänger finanzieren zu wollen, ist keine Antwort auf die wachsende Kinderarmut.

Doch die SPD agiert wieder mal entgegen ihrer angeblichen sozialen Ausrichtung und zieht ein stadtweites W-Lan den Interessen der bedürftigen Familien und Kinder vor, die dringend eine finanzielle Entlastung bräuchten. Es kann nicht sein, dass Berlins Glanz nach außen wichtiger ist als die soziale Bedürftigkeit der Berliner Kinder.

Ich weiss ja nicht, wie die SPD diese Pläne verkauft hat. Vielleicht hat sie tatsächlich gesagt, es gibt freies WLAN, dafür sparen wir bei „Schulanfänger-Starterpaketen“. Kann ich mir aber nicht vorstellen. Vermutlich ist es eher so, dass Özcan Mutlu keine Ahnung hat, was man mit einem freien WLAN anfangen kann, worum es in der Debatte geht und auf die Debatte drauf springt, um seine Themen irgendwie in einer Pressemitteilung unterzubringen. Ich wundere mich ja eh, dass ich öfter mal den Versuch gestartet habe, den Berliner Grünen die Forderung eines freien WLANs vorzuschlagen und dachte, dass sie am ehesten den Sinn dieser Forderung verstehen könnten. Dies ist nun die erste Reaktion aus grünen Kreisen darauf. Aber irgendwann bog die SPD um die Ecke und hat das Thema besetzt. Eine angemessene Reaktion der Grünen ist diese Pressemitteilung aber nicht. Eher spricht sie von Unkenntnis und evtl könnte man auch von Fortschrittsverweigerung sprechen. Und das ist schade. Von mir aus könnten sich ruhig alle Berliner Parteien der Forderung eines freien WLANs anschliessen.

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14 Ergänzungen

  1. Das sowas natürlich aber nicht umsonst ist, ist ja klar. Das also in einem engen Budget wie dem Berliner andere Dinge nicht bezahlt werden können auch. Dass das dann üblicherweise soziale sind, ist ja nun auch keine neue Beobachtung. Ich finde ja jetzt nicht, dass das nicht heissen kann, man kann sich sowas trotzdem leisten kann, nur gibst Du leider kein Argument, warum das eine wichtiger ist als das andere.

    Vielleicht sollte man noch OLPC-Laptops als Schulanfänger-Starterpakete verteilen, dann passts für alle ;-)

  2. Markus: Du hast Dich ja schon näher mit Stadtnetzen beschäftigt. Hand aufs Herz: wäre ein Einstieg heute nicht Geldverschwendung? Wo ist das Vorbild, das auch nur annähernd den städtebaulichen Gegebenheiten in Berlin nahe kommt?

    Statt ein großes Städtenetz einzuführen, wäre vielleicht eine Förderung der Freifunker überdenkenswert. Und vielleicht sollte man auf die Verfügbarkeit von WiMax warten.

  3. Torsten: Es gibt verschiedene Betreibermodelle mit verschiedenen Vor- und Nachteilen. Bisher gibt es keinerlei Informationen, wie sich das die Stadt Berlin, bzw. die SPD vorstellt. Einem Teil der Betreibermodellen stehe ich sehr offen gegenüber. Anderen nicht. Einige kosten die Stadt sehr viel, andere weniger. Darüber habe ich schon oft gebloggt.

    Auch Freifunk habe ich gegenüber der Berliner Politik oft genug ins Spiel gebracht. Eine Förderung von freien Netzwerken ist mir mit am liebsten. Interessiert aber niemanden, und die SPD mit am wenigsten. Vermutlich haben grosse Unternehmen angeklopft und versprechen mit Powerpoint-Präsentationen gerade das Blaue vom Himmel. Ob es Wimax wird oder WLAN ist auch erstmal egal. Solche Pläne haben eine so lange Vorlaufszeit, dass ein freies Funknetz nicht nächstes Jahr steht, wenn die SPD dies demnächst beschliesst.

    Mir ist die Debatte wichtig, dass wir ein freies Funknetz als Teil der Grundversorgung begreifen. Diese Debatte beginnt jetzt. Wie man das dann umsetzt, werden die nächsten monate und Jahre zeigen – finanziell, wie technologisch.

  4. Nun, was sagen denn die Politiker, zeigt man ihnen den Erfolg von Freifunk?

    Einfach nur „interessiert uns nicht“ oder etwas handfesteres?

  5. erlehmann: Das wollen oder können sie irgendwie nicht verstehen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich hab auch oft genug erklärt, dass eine Unterstützung erstmal auf nicht-monetär sein könnte. Man könnte als Kommune z.B. die Erlaubnis erteilen, dass Ferifunk-Projekte auf kommunalen Gebäuden das Recht erhalten, Knotenpunkte/Antennen zu errichten.

    Nach den üblichen Gesprächen war aber in der Regel niemand motiviert, irgendwas zu tun.

  6. Gibts denn eine Großstadt, die Berlin zeigen könnte, wie man es richtig macht?

    Dass das Ruhrgebiet sich zum Beispiel mit Fon verpartnert, um eine „Flächendeckung“ zu erreichen, sehe ich kritisch. Zum einen klappt mit WLAN einfach keine Flächendeckung, zum Zweiten überzeugt mich das Betreibermodell überhaupt nicht.

  7. Hö? Wie kann man denn anti Vorratsdatenspeicherung und Generalprotokollierung sein, aber pro „Ich surfe im Netz meiner Stadt“? Dann weiß die Stadt ja sofort und direkt, wann man sich wo anmeldet. Oder sehen ich da was falsch? Anonymes Einloggen wird die Stadt wohl nicht unterstützen.

  8. Zu 8: Ich sehe den Zusammenhang nicht. Man kann ein kommunales Funknetz auch ohne Überwachung aufbauen.

    Zu 9: Ich hab nicht gesagt, dass die INvestition in Bildung wichtiger sein soll als in freies WLAN. Ich habe kritisiert, dass dies zusammen vermischt wird. Von mir aus kann man gerne das Geld an anderer Stelle einsparen und damit Bildung und Funknetz finanzieren.

  9. @11: ja, kenne ich, OLRS skaliert icht, B.A.T.M.A.N. rettet berlin. mir geht es aber eher um die dezentrale, recht bürgernahe struktur, die freifunk da gebaut hat – so etwas staatlich zu machen statt top-down wäre schön.

  10. Für mich hört sich das nach Oppositionsarbeit an. Wenn die Grünen einen stärkeren Punkt auf Bildung setzen wollen und gleichzeitig Oppositionsarbeit leisten, wundert mich eine solche Aussage nicht.
    Und er ist ja auch nicht gegen freies WLAN – er sagt nur, dass bei der Bildung weniger gespart werden sollte und erstmal daran gedacht wird bevor die Stadt technisch aufgerüstet wird (und ehrlich gesagt: freies WLAN in der Schule bringt meiner Meinung nach nur begrenzt was).
    Es geht hier wahrscheinlich um den 50-Euro-Zuschuss für Schulanfänger aus niedrigeren sozialen Schichten für eine Grundausstattung (Hefte, Schultasche, Sportzeug) in Form eines Gutscheins, den die Linke eingebracht hat und bei dem die SPD gesagt hat, dass das mit dem derzeitigen Haushalt einfach nicht möglich sei.
    Ich kann den Mann von den Grünen gut verstehen: Geld für die Bildung für Leute in niedrigen sozialen Schichten ist nicht da aber Geld für ein stadtweites WLAN…nun ja…

  11. @13: die Bemerkungen sind richtig: die Opposition möchte Profil zeigen, um gewählt zu werden! Die Startlöcher für 2009 werden bereits gebohrt, die Wahlvorbereitungen bei allen Parteien sind angelaufen.

    Die vermutliche Wirklichkeit sieht aus meiner Sicht anders aus: Es bildet sich eine „Sub“Kultur im Internet, die den Volksparteien gefährlich werden kann. Mit der immer stärkeren Verbreitung des Internets ist damit zu rechnen, dass wir auch in Europa früher oder später amerikanische Tendenzen bekommen, dass nämlich Internetseiten eminent gefährlich werden, insbesondere solche, die sich nicht vom System kaufen lassen.

    Unter dem Aspekt sehe ich für das freie Internet schwarz!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.