Gewinner der BigBrotherAwards 2007

Die BigBrotherAwards 2007 verleihen gerade in Bielefeld die „Auszeichnungen für Datenkraken“. Mehr Informationen bietet die Webseite. Zwischen 18:00 – 20:00 Uhr gibt es auch einen Live-Stream der Veranstaltung direkt aus Bielefeld in die grosse weite Welt hinaus. Die Jury hatte es in diesem Jahr besonders schwer: Aus mehr als 500 Einsendungen mussten die Gewinner ausgesucht werden.

Für die, die wie wir leider nicht vor Ort sein können, präsentieren wir hier ausführlich die verdienstvollen Gewinner mit Ausschnitten aus den Laudatios. Here we go:

Arbeitswelt:

Der BigBrotherAward 2007 in der Kategorie „Arbeitswelt“ geht an die Novartis Pharma GmbH für die Bespitzelung ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die damit verbundene Verletzung grundlegender Persönlichkeitsrechte.

Ausschnitt aus der Laudatio:

„Ein hoher Überwachungsbedarf lässt sich durch diese selbstverschuldete Situation allzu leicht begründen und so führt das Unternehmen seinen Kampf nicht mehr gegen die Konkurrenz, sondern gegen die eigenen Mitarbeiter. Bei der Wahl der Mittel ist man dabei nicht zimperlich. Neben der inoffiziellen Ermutigung von Kollegen zur Denunziation schickt man dem Mitarbeiter einfach ganztägig Detektive hinterher, die jeden Besuch und jede Tätigkeit minutiös aufschreiben. Frei nach dem Motto: Wer suchet, der findet – Und jeder Fund ermöglicht die schnelle Trennung vom Betroffenen.

Eine derart lückenlose, die Persönlichkeitsrechte verletzende Überwachung scheint zu den Standardmaßnahmen zu gehören – fühlt sich doch sogar der Betriebsrat genötigt, in einer Veröffentlichung darauf hinzuweisen. Wobei man sich fragt, ob der Betriebsrat die Mitarbeiter nicht lieber vor solchen Maßnahmen schützen sollte, anstatt sie nur darüber zu informieren. Der sorglose Umgang mit den Persönlichkeitsrechten der Mitarbeiter hat, den Vorgaben der Selbstverpflichtungen zum Trotz, scheinbar Methode. Nur so ist zu erklären, dass die Mitarbeiter die Ergebnisse einer „Selbsteinschätzung“ genannten Online-Befragung trotz ausdrücklich zugesicherter Vertraulichkeit nach kurzer Zeit personalisiert und mit Bewertung und Verbesserungsvorschlägen versehen aus der Personalabteilung zurück geschickt bekamen.

Da wundert es dann auch nicht mehr, wenn man von Behinderungen beim Besuch der Betriebsversammlungen, von datenschutzwidriger Veröffentlichung von so genannten „Rennlisten“ und Krankentagelisten und von der standardmäßigen Öffnung der Betriebsratspost durch die Poststelle erfährt.“

Behörden und Verwaltung:

Der BigBrotherAward 2007 in der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ geht an die Generalbundesanwältin Monika Harms. Sie erhält den BigBrotherAward für ihre Antiterror-Maßnahmen gegen Gegner des G8-Gipfels im Mai dieses Jahres, insbesondere für die systematischen Briefkontrollen in Hamburg und die Anordnung, bei Gipfelgegnern Körpergeruchsproben aufzunehmen und zu konservieren.

Ausschnitt aus der Laudatio:

„Die Generalbundesanwältin – die als oberste Anklagebehörde sich immer noch „Der Generalbundesanwalt“ (GBA) nennt – erhält den BigBrotherAward für ihre Maßnahmen gegen Gegner des G-8-Gipfels in Heiligendamm im Mai dieses Jahres. Die Jury hält dabei zwei Aspekte für besonders frag- und damit preiswürdig:

• Zum einen hat Frau Harms beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) beantragt, auf der Suche nach Bekennerschreiben militanter G-8-Gegner systematische Briefkontrollen in Hamburg durchführen zu lassen. Daraufhin wurden sämtliche Briefe aus den betroffenen Hamburger Stadtteilen nach verdächtigen äußeren Merkmalen abgesucht.
• Zweitens hat Frau Harms angeordnet, von G-8-Gipfelgegnern, die der Militanz verdächtigt wurden, Geruchsproben aufzunehmen und zu konservieren. Dabei haben die Ermittler stark in die Intimsphäre und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen eingriffen.

Sowohl der Antrag auf Postkontrolle als auch die Anordnung von Geruchsproben standen im Zusammenhang mit §-129a-Razzien und Durchsuchungen von 40 Wohnungen, Büros, Kulturzentren und Internetservern. Damit sind linke Szenen und Globalisierungskritiker schon im Vorfeld des G-8-Gipfels unter Terrorismusverdacht gestellt worden. Diese Ermittlungen haben bislang zu keinen Anklagen geführt, dafür aber zu umfangreichen Vorfeld-Ausforschungen per Datenerfassung und –verarbeitung, die dazu geeignet sind, auch für künftige Ereignisse Soziogramme des G-8-Protest- und Widerstandspotentials zu erstellen.“

Regional:

Der BigBrotherAward 2007 in der Kategorie „Regional“ geht an die Behörde für Bildung und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch Alexandra Dinges-Dierig, Senatorin für Bildung und Sport, für die Einrichtung eines Schülerzentralregisters mit dem (Neben-) Zweck, ausländische Familien ohne Aufenthaltserlaubnis aufzuspüren.

Ausschnitt aus der Laudatio:

„Hamburg ist bundesweit für eine besonders rigide und menschenunwürdige Abschiebepraxis bekannt. Mal soll ein seit 21 Jahren in Deutschland lebender Palästinenser aus Nablus im Westjordanland abgeschoben werden, mal sollen minderjährige Schüler ohne ihre Eltern (die eine Aufenthaltsgenehmigung haben) in deren Heimat abgeschoben werden. Da ist es nicht verwunderlich, dass alle Mittel genutzt werden, um Familien für die nächste Abschiebung aufzuspüren. So nutzt die Ausländerbehörde auch das Zentrale Schülerregister, um Kinder und ihre Eltern ohne Aufenthaltsgenehmigung zu entdecken. “

Politik:

Der BigBrotherAward 2007 in der Kategorie „Politik“ geht an den Bundesminister der Finanzen, Herrn Peer Steinbrück, für die Einführung einer lebenslangen Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik Deutschland.

Ausschnitt aus der Laudatio:

„Begründet wird die Einführung der Steuer-ID mit dem Erfordernis, “eine eindeutige Identifizierung des Steuerpflichtigen in Besteuerungsverfahren“ zu ermöglichen. Genau dies ist aber die Funktion eines verfassungswidrigen Personenkennzeichens (PKZ). Bereits 1969 erklärte das Bundesverfassungsgericht im Mikrozensusurteil: „Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren“ .

Schon einmal war geplant, mit dem Bundesmeldegesetz eine einheitliche Personenkennziffer für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik Deutschland einzuführen, um Verwaltungsvorgänge zu rationalisieren. Damals – vor 31 Jahren – hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages – mit Blick auf das Mikrozensus-Urteil – festgestellt, dass „die Entwicklung, Einführung und Verwendung von Nummerierungssystemen, die eine einheitliche Nummerierung der Bevölkerung im Geltungsbereich dieses Gesetzes ermöglicht, unzulässig ist“, und das Vorhaben wurde verworfen.“

Kommunikation:

Bundesministerin Brigitte Zypries erhält den BigBrotherAward 2007 in der Kategorie „Kommunikation“ für den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Mit diesem Gesetzentwurf woll in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten eingeführt werden. Die Bundesinnenministeriun ignoriert damit bewusst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das bereits 1983 im Volkszählungsurteil festgelegt hatte, dass die Sammlung von nicht anonymisierten Daten zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.

Ausschnitt aus der Laudatio:

„Die Jury der BigBrotherAwards hat durchaus nicht verkannt, dass es sich bei der genannten Richtlinie um einen den deutschen Gesetzgeber verpflichtenden Rechtsakt der EU handelt. Im Falle der Weigerung einer Umsetzung würde dies ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland nach sich ziehen. Wir haben darüber hinaus berücksichtigt, dass bereits heute – allerdings zu Abrechnungszwecken – einzelne Verkehrsdaten von den TK-Anbietern gespeichert werden. Und schließlich ist uns wohl bekannt, dass Sie, Frau Zypries, die nach der Richtlinie mögliche Mindestspeicherdauer von sechs Monaten in Ihr Umsetzungsgesetz aufgenommen haben.

Diese Erwägungen entlasten Sie, Frau Bundesministerin, als Preisträgerin aber nur sehr begrenzt. Denn: Die verdachtslose Speicherung von Verkehrsdaten ist mit der bereits angesprochenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offensichtlich nicht in Einklang zu bringen. Nationale Judikatur und europäische Gesetzgebung sind hier offenbar im Widerstreit. Das hätte Sie veranlassen können, auf einen Beitritt Deutschlands zur irischen Klage hinzuwirken. Zumindest aber hätte dies Anlass sein sollen, das Gesetzgebungsverfahren jedenfalls bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zurückzustellen. Denn wenn Irland mit seiner Klage gegen die EU-Richtlinie erfolgreich ist, muss sie natürlich auch in Deutschland nicht umgesetzt werden.

Aus den folgenden Gründen hätten wir von Ihnen, Frau Zypries, erwartet, dass Sie die EU-Richtlinie nicht in einen deutschen Gesetzentwurf formulieren, selbst wenn Sie damit das Risiko eines Vertragsverletzungsverfahrens eingehen: Die Information, wer zu welcher Zeit mit wem wie lange und von wo aus kommuniziert hat, ist in einer freien Kommunikations-Gesellschaft viel zu wichtig, als dass man diese Daten anlassunabhängig über jedermann speichern dürfte. Schließlich ist damit unvermeidbar der über die gesamte Bevölkerung ausgesprochene Verdacht verbunden, dass die Daten zu einem späteren Zeitpunkt einmal für Zwecke der Strafverfolgung benötigt werden könnten. Immerhin könnte sich jede und jeder einzelne von uns irgendwann einmal zum Gesetzesbrecher entwickeln.“

Technik:

Der Big BrotherAward 2007 in der Kategorie „Technik“ geht an PTV Planung Transport Verkehr AG für ihr System zur individuellen Berechnung der Kfz-Versicherung mittels eines so genannten „Pay as you drive“-Systems, also einem Gerät, das Fahrtroute und Fahrverhalten aufzeichnet und an die Versicherung meldet.

Ausschnitt aus der Laudatio:

Das Hauptproblem liegt dabei in der zentralen Datenverarbeitung: Um stets mit aktuellen Kartenmaterial zu arbeiten und um die Komplexit ät der Pay-as-you-drive-Black-Box überschaubar zu halten, sollen die Fahrdaten per Mobilfunk (GSM) an die Versicherungszentrale übermittelt werden. Die Fahrdaten werden dann nicht in der Black-Box dezentral und sicher vor neugierigen Blicken gespeichert, sondern die Box übermittelt ihr Wissen über den Fahrer regelmäßig an die Versicherungszentrale. Dort werden diese Daten mit aktuellem Kartenmaterial verglichen und es wird kontrolliert, ob die in der Versicherungspolice vorgebenen „Selbstbeschränkungen“ und gesetzlich angeordnete Verbote eingehalten werden. Und gleichzeitig können sich Behörden und andere Bedürftige bei der Versicherungszentrale oder einem beaufragtem Dienstleister jederzeit an diesen Daten bedienen.

Seit der Einführung der LKW-Maut wissen wir, welche Begehrlichkeiten seitens des Staates existieren, möglichst umfangreichen Zugriff auf die Daten des Kontrollsystems und der Erhebungsgeräte in den Fahrzeugen zu erhalten. Es ist also eine Illusion, dass die durch die Black-Box gewonnenen Daten in der Hand des Fahrzeughalters und der Versicherung bleiben. Das Autobahnmautgesetz, welches extra um Regelungen zum Schutz der Maut-Daten erweitert wurde, steht nach dem Regierungswechsel unter Beschuss. Bisher galt eine strikte Zweckbindung für die Daten: Die Verwendung beispielsweise zu Fahndungszwecken war verboten. Damit kann es bald vorbei sein, fordern Ermittler und Sicherheitspolitiker immer wieder. In Großbritannien werden Pay-as-you-drive-Systeme bereits erprobt. In Deutschland haben einige Versicherungsunternehmen bereits deutliches Interesse bekundet, diese Technologie auch einzusetzen. Die Firma PTV bietet mit ihrem Software-Baukasten „Roadrunner“ die Basis für eine individuelle Fahrdaten-Erfassung an, welche für streckenbasierte Kfz-Versicherungsmodelle benutzt werden kann.“

Wirtschaft:

Der BigBrotherAward 2007 geht an die Deutsche Bahn AG, da sie systematisch anonymes Reisen auf vielfältige Art und Weise unmöglich macht: Auflösen von Fahrkartenschaltern, Automaten ohne Bargeldannahme, personalisierter Kauf im Internet, Abfrage/Speicherung des Geburtsdatums und Zwangsabgabe eines Bildes bei Bahncards, flächendeckende Videoüberwachung und ein RFID-Chip in der Bahncard 100 ohne Kunden zu informieren.

Ausschnitt aus der Laudatio:

„Die Fahrkartenschalter im Bahnhof. Die Kapazitäten von Personal an Fahrkartenschaltern werden so knapp gehalten, dass man schon ordentlich viel Zeit mitbringen muß, um sich eine Fahrkarte zu kaufen. Bis zu 5 Euro teurer ist der Kauf am Schalter, 2 Euro teurer jede Platzreservierung. Wer also weder zuviel Geld noch zuviel Zeit hat, kauft seine Fahrkarte anders. Hier teilt sich die Strecke:

Sie können zum Beispiel übers Internet reisen. Sie ahnen, was das bedeutet: Sie sind namentlich und mit voller Adresse und Ihrer Kontonummer dem ‚Unternehmen Zukunft’ bekannt. Also doch lieber die Umwegstrecke über den Fahrkartenautomaten nehmen? Kaum ein Automat nimmt Bargeld. Da müssen Sie dann schon Ihre EC-Karte einstecken. Haben Sie eine Bahncard, um Fahrkarten zu einem halbwegs vernünftigen Preis zu erstehen? Damit Sie den Rabatt bekommen, verlangt der Automat – unnötigerweise, da der Rabattanspruch sowieso erst bei der Fahrkartenkontrolle im Zug geprüft wird – dass Sie die Bahncard ins Gerät stecken: Privatsphäre Adé.

Nur sehr gewiefte Menschen entdecken, dass man beim „Bahncard-gefordert-Fenster“ im Automaten einfach auf Abbrechen klicken kann, und trotzdem eine Karte bekommt. Wo wir schon mal einen Umweg machen, nehmen wir uns Zeit, uns die Bahncard mal genauer anzugucken! Haben Sie beim Bahncard-Antrag Ihr Geburtsdatum angegeben? Warum? Es gibt keinen Grund, dass die Bahn Ihr Geburtsdatum erfährt. Das Geburtsdatum ist nur für Datenkrakereien brauchbar und darf laut Bundesdatenschutzgesetz gar nicht als Pflichtfeld abgefragt werden. Schon vor ein paar Jahren schrieb uns der Berliner Datenschutzbeauftragte, dass er die Abfrage des Geburtsdatums bei der Deutschen Bahn AG moniert habe. Geändert hat sich allerdings nichts.
[…]

Wir haben den Chip in der Bahncard 100 bereits im Jahr 2005 in einem kleinen Artikel auf der Website des FoeBuD e.V. beschrieben. Drei Tage nach Veröffentlichung rief der betriebliche Datenschutzbeauftragte an und fragte an, ob die Bahn jetzt den BigBrotherAward bekommen würde. „Bis repetita non placent“ beschieden wir als gebildete Asterix-Leser ihm. „Wiederholungen gefallen nicht“. RFID-Karten hatten ja schon soooo einen Bart. Er atmete hörbar auf. Er versprach, dass die Bahn zukünftig deutlich auf den Chip hinweisen wird.

Einem Kunden gegenüber, der eine Bahncard 100 ohne Chip wollte, gab er nach unserem Telefonat die Auskunft, dass der Chip nicht aktiviert sei. Dennoch meldet sich der Chip an jedem Lesegerät, das nach dem gleichen Standard arbeitet. Wären die Lesegeräte bereits so flächendeckend verbreitet, wie sich das die Industrie noch 2003 vorgestellt hatte, wäre die Bahncard 100 letztendlich eine Art Wanze, die durch ihre eindeutige Nummer den Standort der Kartenbesitzerin mitteilt. Solche Daten gehören nicht freigelassen! Zumindest haben die Benutzer ein Recht darauf, zu wissen, was sie mit sich herum tragen. Ich habe extra noch einmal alle Newsletter der Deutschen Bahn AG seitdem durchgesehen. Bis heute kein Wort. Gar nichts.“

Verbraucherschutz:

Internationale Hotelketten in Deutschland z.B. Hyatt, Mariott, Intercontinental etc. für die Erfassung und zentrale Speicherung äußerst persönlicher Daten ihrer Gäste ohne deren Wissen. Dazu gehören Trink- und Essgewohnheiten, Pay-TV-Nutzung, Allergien, alle privaten und beruflichen Kontaktadressen, Kreditkartendaten, Sonderwünsche und Beschwerden – alles wird festgehalten.

Ausschnitt aus der Laudatio:

„Sie glauben, das Hotelpersonal liest Ihnen die Wünsche von den Augen ab? Falsch: Das Personal kennt all Ihre Details, Eigenheiten und Sonderwünsche zumeist nicht aus Intuition, sondern weil sie im Computersystem des Hotels gespeichert sind. Richtig staunen würden Sie, wenn Sie sähen, was da alles registriert wird.

Gespeichert werden unter anderem private und berufliche Kontaktadressen, Telefonnummern, Kreditkartendaten, Geburtsdatum, Nationalität, Passnummer, komplette Rechnungen, Pay-TV-Benutzung und Telefonate. Das Hotelpersonal wird dazu angehalten, weitere Details über seine Gäste im System zu notieren wie Familienkonstellation, Trink- und Essgewohnheiten, Allergien, Hobbys, Sonderwünsche, Beschwerden, Vorlieben und so weiter. Einmal erfasst, bleiben all diese Informationen auch nach der Abreise des Gastes gespeichert – und zwar auf unbestimmte Zeit. Dieses Vorgehen newegt sich am Rande und zum Teil auch schon jenseits der Legalität.“

Außer Konkurrenz:

Kein BBA an Wolfgang Schäuble.

Ausschnitt aus der Laudatio:

„Viele werden sich die Frage stellen, warum denn ausgerechnet ein Traumkandidat für den BigBrotherAward diese Auszeichnung im Jahr 2007 nicht erhält. Manche werden von der Entscheidung der Jury enttäuscht sein, hätte er den Preis doch wie (k)ein anderer verdient – als fanatischer Triebtäter in Sachen „Sicherheit & Terror“, überqualifiziert wie seinerzeit nur sein Vorgänger im Amt, Otto Schily (SPD). Und in der Tat: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) versteht es wie kaum ein anderer, mit seiner Panikmache und Drohpolitik die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen – womit er einen klassischen Wesenszug des Terrors erfüllt; mit dem Ziel, Bevölkerung und Parlamentarier so lange weich zu klopfen, bis sie seine umstrittenen Pläne geradezu herbeisehnen und absegnen. Als „Gegenterrorist“ ist er mit seinen grundrechtssprengenden Denkanschlägen, die er fast täglich verübt, längst zum Gefährder von Demokratie, Menschenrechten und Datenschutz geworden – und damit reif für seine eigene Antiterrordatei, die wir im vorigen Jahr mit dem BigBrother- Award ausgezeichnet haben.

Und dennoch: Zum einen wäre es falsch, sich zu sehr auf Schäuble zu konzentrieren, ihn zu dämonisieren und die Terrordebatte auf diese Weise zu verengen. Denn „Schäuble“ ist nur eine Metapher für die verhängnisvolle Tendenz einer „Terrorismusbekämpfung“ auf Kosten der Bürgerrechte und für eine Systemveränderung zu Lasten des demokratischen und sozialen Rechtsstaats. Und zweitens haben wir die begründete Befürchtung, dass Schäuble die Verleihung des BigBrotherAwards als besonderen Ansporn verstehen könnte, seinen Sicherheitsextremismus noch zu verstärken, um seiner Vision vom präventiv-autoritären Sicherheits- und Überwachungsstaat näher zu kommen. Deshalb können wir eine Verleihung so lange nicht verantworten, bis Schäuble als „Verfassungsminister“ endlich über seine eigenen verfassungswidrigen Projekte stolpert und sich zum Rücktritt gezwungen sieht. Dann wäre womöglich an die Verleihung des BigBrother-Lifetime-Awards zu denken – wie ihn weiland Otto Schily im Jahr 2005 erhalten hat, nachdem er als Innenminister der rot-grünen Bundesregierung demissionieren musste.

Auf der anderen Seite müssen wir jedoch dankbar konstatieren, dass der Innenminister sich durchaus beachtliche Verdienste um das Datenschutzbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger erworben hat, die inzwischen zu Tausenden auf die Straße gehen, Internet-Demos organisieren und Massenbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ankündigen, um sich gegen seine Horrorpläne zur Wehr zu setzen. Wegen dieser verdienstvollen, wenn auch unfreiwilligen Mobilisierung oppositioneller Kräfte ist ihm gar die Ehrenmitgliedschaft in der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) angetragen worden.

Herzliches Beileid, Herr Bundesinnenminister, für die unterbliebene Auszeichnung.“

Und wer ist Euer Gewinner?

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15 Ergänzungen

  1. Apropos, was ich gerade feststelle: Die Sperrfrist der Informationen war 18 Uhr. Hier steht 17:22 Uhr, was darauf zurück zu führen ist, dass der netzpolitik-Server irgendwie eine falsche Uhrzeit hat. Ich check das mal.

  2. Also mir sagen die Gewinner vom BBA sehr zu.
    Ich haette sogar fast erwartet, dass der arme Schaeuble leer ausgeht.

    P.S.: Markus, der Kommentar hier geht um 18:53 raus. ;)

  3. Sagt mal,

    wenn die Personenkennziffer Verfassungswidrig ist, warum klagt dann eigentlich neimand dagegen?

    Dass das BVG tendenziell unser Freund ist hat man ja am Mittwoch gesehen.

    Sven

  4. 2ct zur Nacht: Die Regierung steht schon im Fokus, daher gefallen mir die anderen Preisträger besonders.

    Das BVG heißt offizell BVerfG, nur mal so angemerkt.

    Die Serverzeit stimmt wieder. Da hatte sich ein ntpd irgendwie verschluckt. Es ist 23:40 ;-)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.