G8 – Abschlusserklärung

Wer sich bisher fragte, was man inhaltlich am G8-Treffen kritisieren könnte, wird in der Abschlusserklärung fündig.


[Quelle: Indymedia]

Interessant wird im Zusammenhang mit Netzpolitik wird es ab Seite 11: „Intellectual Property Protection as the Backbone of Innovation“:

34. A fully functioning intellectual property system is an essential factor for the sustainable development of the global economy through promoting innovation. […]

Im Jahre 2007 einseitig nur mehr Schutz des sogenannten „Geistigen Eigentums“ zu fordern, ist weder weitblickend noch erkennt es die Realität in der Wissensindustrie und Forschung in Zeiten von Open Innovation, Open Access und Offenen Produktionsprozessen. Von letzteren Punkten findet sich absolut nichts. Null. Diese Politik ist einseitig und meiner Meinung nach schädlich für unsere Ökonomie. Abgesehen davon ist sie schädlich für eine globale nachhaltige Entwicklung in vielen anderen Bereichen wie der AIDS-Bekämpfung.

Gleichzeitig ist man über alles erfreut, was die Content-Industrie durchsetzen möchte. Die folgenden Punkte sind die Wunschlinie der Contentindustrie-Lobby. Mehr Schutz der eigenen Produktionswege bedeutet mehr Kopierschutz und DRM. Inklusive der Verfogung von Tauschbörsennutzern. Von Verbraucherrechten findet man nichts. Null. Komplette Linie der Industrie-Lobby:

37. We welcome the joint Declaration of the business communities of all G8 countries on “Strategies of G8 Industry and Business to Promote Intellectual Property Protection and to Prevent Counterfeiting and Piracy” which highlights actions companies are taking to secure their intellectual property rights at home and abroad and to keep their global supply chains free of pirated and counterfeit goods – from producers and distributors, retailers and merchandisers. Industry and business have an essential role to play in protecting innovation, an d we will engage our respective private sectors on effective solutions with regard to both the supply and the demand side of piracy and counterfeiting. We also welcome educational campaigns with the help of business communities in our countries directed at raising awareness of consumers with regards to the negative effects of counterfeiting and piracy.

Der letzte fett markierte Satz ist quasi eine Liebeserklärung für die „Raubkopierer sind Verbrecher“-Kampagne. Die G8-Staaten wünschen sich von der Content-Lobby explizit weitere Kampagnen dieser Art. Die einseitigen Broschüren der Musikindustrie, die an Schulen verteilt werden, dürften wohl auch dabei gemeint sein.

Die Bundesregierung feiert dabei den „Riesendurchbruch“, dass man mal eine Halbierung des Ausstoßes von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 ggf. in Betracht ziehen zu können. Bis dahin sind alle Beteilgten wahrscheinlich tot und können nicht zur Verantwortung gezogen werden für ihre Beschlüsse. Halleluja.

Eine zivilgesellschaftliche Erklärung zu geistigem Eigentum und dem G8-Gipfel 2007, die ich unterstütze, findet sich hier: Für bessere Entwicklung und gerechteren Zugang zu Wissen in all seinen Formen.

Eine weitere und viel ausführlichere Analyse gibt es mittlerweile bei IP-Watch: G8 Summit Strengthens IP Protection; May Undercut Compulsory Licensing.

Darin auch eine Reaktion von Ärzte ohne Grenzen:

Non-governmental organisations gathered in nearby Rostock and Kuehlungsborn are highly critical of the approach that is being taken, they told Intellectual Property Watch. They were concerned about the unilateral push for ever more “strengthening” of IP, said a spokesperson from the organisation Médecins Sans Frontières (MSF) in a first reaction to the final declaration. Intellectual property protection has not provided the innovation needed to address diseases in the developing world, MSF warned at the summit.

G8 leaders are holding up intellectual property protection as the only way to foster innovation, according to MSF. Tido von Schoen-Angerer, director of MSF’s Campaign for Access to Essential Medicines, told Intellectual Property Watch: “We know from our work in developing countries that more patent protection did not lead to more innovation.” Universal access to affordable drugs for diseases like tuberculosis and HIV/AIDS, leishmaniasis and sleeping sickness is still far from realised. For the G8 to be putting IP protection forward as solution for the future is “simply disingenuous.”

Schoen-Angerer instead pointed to the intergovernmental working group at the World Health Organization that is exploring alternatives to patent protection. It was unfortunate that these discussions did not find any reflection in G8 discussions, he said.

“It is also irritating that when you try to talk about alternatives you always end up in discussions about counterfeit medicines,” Schoen-Angerer said, though he acknowledged they are a danger to people’s health. “Counterfeit medicine is a crime,” he said. “But they are not hampering innovation.”

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15 Ergänzungen

  1. »…Bis dahin sind alle Beteilgten wahrscheinlich tot und können nichts zur Verantwortung gezogen werden für ihre Beschlüsse…«

    Wegen erwiesener mangelnder Zurechnungsfähigkeit,
    dürften die Beteiligten schon heute straffrei ausgehen.

  2. Der Verlust an Respekt und Achtung, den ich den Staatenlenkern aufgrund ihres Wissens, ihrer darauf fußenden Taten, entgegenzubringen im Stande bin, wird stetig geringer.

  3. *huups* Richtig muß es heißen: Der Verlust wird stetig größer. Respekt und Achtung werden geringer.
    (ich geh mal besser aus der sonne raus. die schlägt nämlich aufs hirn)

  4. Auch ohne das Papier gelesen zu haben… 38 Seiten schreibt man nicht „mal ebenso“. Da steckt mehr Arbeit drin als in 3 Tagen geschfft werden kann.
    Bleibt für mich das Resumee, dass das ganze treffen eine einzige Zeit- und Geldverschwendung war und das die „Ergebnisse“ die jetzt präsentiert wurden sowieso schon feststanden.

  5. Thomas: Klar, das sind übliche „Gipfel-Proceduren“. Die Diplomaten / Ministeriumsvertreter der beteiligten Staaten klären das Meiste sich schon auf Treffen im Vorfeld. Auf so einem Gipfel geht es meist nur um letzte Formulierungen, die im Optimalfall halt schon vorher geklärt sind.

    Ich hab auch nichts anderes zu diesem Themengebiet erwartet, das war ja im groben so schon kommuniziert. Der ganze Text war mir aber nicht bekannt.

  6. Mann! Dein Posting hat’s ja wieder in sich.

    Statt jetzt noch einss von mir draufzuwerfen, nur noch ein (un ja, längerer) Kommentar.

    Mehr Schutz der eigenen Produktionswege bedeutet mehr Kopierschutz und DRM. Inklusive der Verfogung von Tauschbörsennutzern.

    Ich denke mir dabei an Shell vs. Brent Star (Spar?). Wer war das noch? Greenpeace? — Auf jeden Fall hat jemand zum Boykott von Shell-Tanken aufgerufen, und die Leute haben mitgemacht. Und Shell hat die Bohrinsel schließlich nicht versenkt. — Übertragen auf unseren Fall hier: Es gibt noch die Freien Inhalte. Können wir die nicht zu einer Alternative ausbauen? … Gut, die Dinger müssen alle mal gehört/gesehen werden, aber wozu gibt es Social Software?

    Der letzte fett markierte Satz ist quasi eine Liebeserklärung für die “Raubkopierer sind Verbrecher”-Kampagne. Die G8-Staaten wünschen sich von der Content-Lobby explizit weitere Kampagnen dieser Art. Die einseitigen Broschüren der Musikindustrie, die an Schulen verteilt werden, dürften wohl auch dabei gemeint sein.

    Und wieso machen wir keine eigenen Broschüren und verteilen sie an die Zielgruppe? Wo liegt das Problem?

  7. wrs, das Problem liegt darin, dass wir zwar Alternativen schaffen können und das auch machen. Aber wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen die freie Entfaltung von Alternativen behindern, dann ist das ein Problem. Und dabei geht es in diesem Posting. Wenn die ganze Infrastruktur auf DRM umgestellt wird, dann können sich freie Projekte nicht mehr so entfalten wie in einer offenen Umgebung wie es jetzt die Realität ist.

    Abgesehen davon finde ich es als als Problem, wenn Industrie-Kampagnen einseitig in ihrem Interesse Sachverhalte darstellen und damit unsere Jugend und ihre Erzieher beeinflussen. Vor allem, wenn sie den Segen der Bundesregierung dabei bekommen. Quasi als Qualitätsstempel.

  8. Hi Markus,

    ich teile Deine Meinung, dass gesetzliche Rahmenbedingungen, die eine freie Entfaltung von Alternativen behindern, ein Problem sind. Ebenso, dass sich die Regierung willig den Richtungsvorgaben der Industrie anschließt.

    Ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, wir haben hier eine Art Generationenkonflikt oder auch ein The Establishment vs the Ordinary People. ist sicher wenn sie nicht ins Internet geht. Wieso sollte man sie also mit so etwas Banalem wie dem Thema Online-Durchsuchungen behelligen, wo sie, das dumme Volk, doch gar nicht dazu in der Lageist, das alles zu verstehen und zu durchschauen? … Irgendwo hatte ich da heute einen Link über Zeitungsmacher rausgefischt, die sich da dito verhalten. Kritisiert von irgendwem, der da genauso angeätzt ist wie ich.

    Ich weiß es nicht, und ich bin kein Fan von Verschwörungstheorien, aber ich frage mich ob die Weiterbildung in puncto Web/Netzkultur von den Ministern bewusst abgelehnt und die Netzkultur als nicht-existent behandelt wird, um die Massen vom Web fernzuhalten, oder ob es doch nur das Armutszeugnis par excellence ist, und sie es einfach nicht besser wissen, unsere wohlinformierten Politiker. Ist es ein Rückzugsgefecht der Politik, die Massen vom Web abzuschrecken, damit sie selber ihre Daseinsberechtigung behalten (als Institution)? Ist die Situation da ähnlich wie für RIAA, MPAA und MAFIAA? Wir machen Gesetze, um die Welt, mit der ‚wir‘ aufgewachsen sind, die immer so funktioniert hat, aufrecht zu erhalten? Softwarepatente für eine Software-Industrie, die der Konkurrenz der Freien Software anscheinend nicht mehr gewachsen ist? Gesetze gegen Software-Distributionswerkzeuge (BitTorrent) weil damit ja Musik raubkopiert werden könnte? Eine Regierung, die niemand wollte, weil „der Wähler das so wollte“? Chuzpe? Oder demnächst auch Wahlcomputer? Und Überwachungs-/Repressionsinfrastruktur — man weiß ja nie?

    Natürlich haben wir ein Problem, wenn Gesetze gemacht werden, die Alternativen behindern!

    Aber wenn die Regierung..Politik möglicherweise sich selbst als Ganzes als in Opposition zu mündigen Bürgern sieht? In der Gefahr abgeschafft zu werden? Überwachung? Dann liegt imo doch nur auf der Hand, dass beschränkende Gesetze geschaffen werden. — Allein die Idee das Internet als neuen Raum zu definieren, für den die Freiheitsrechte neu ausgehandelt werden müssten, hat mich Böses Ahnen lassen. War das diesmal die FDP? Und gleich hinterher Doc Schäuble mit „einen sicheren Raum im Internet schaffen“. — Alles andere wird platt gemacht, weil ‚wir‘ es nicht kennen? Damit ‚die Bürger‘, die mit uns in unserer rosanen Wolke schweben, das Internet genauso nutzen können wie die Welt da draußen. Und natürlich nicht kreativer als die Polizei erlaubt, bitte.
     

    Sorry, mir platzt gerade der Kragen.
     

    Mein Ansatz ist, die, die sich nicht ins Web trauen oder nicht ins Web können (Gebühren?), dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Offline. Und die Inhalte dorthin zu bringen, und das Web, via Handy-Feedback (vertrautes Medium), offline entdecken zu lassen. Mit dem Ziel, das Web erlebbar zu machen (wenn auch very slowed down), ohne geringste Gefahr aus dem Web: Keine Terroristen, keine Viren, keine Kinderpornografie, die einen anspringt, keine Räuber, die einem das Konto leer räumen, — und natürlich mit der Intention, die digitale Spaltung zumindest ein Stück weit zu überbrücken — zwischen dem Moment, wo ein Thema im Web auftaucht (z.B. Estland), und dem, in dem Massenmedien darauf eingehen (gestern?, dieser Sprecher des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, der sich ja fürchterlich geoutet hat).

  9. Himmel, da fehlt ja ein halber Absatz!

    Nachgereicht: „…oder auch ein The Establishment vs the Ordinary People. — Ja, ich glaube, das verlinkte Posting da bringt es ganz gut auf den Punkt: Ich habe den Eindruck, dass da eine ganze Reihe von Etablierten in einer rosafarbenen Wolke schwebt, die eine Realität widerspiegelt, die es nicht mehr gibt seit sich die Netizen unabhängig machen — nach Produktionsmitteln und nach Mündigkeit. Offenkundig kommt da diese Reihe nicht damit zurecht. RIAA goes after file sharers, MPAA schließt sich an und Microsoft freut(e) sich, endlich eine breite Allianz gefunden zu haben, um den Raubkopierern beizukommen (DRM). Werbegestalter echauffieren sich über Blogger, die ihre hingebungsvoll gestaltete Werbekampagne a la 3. Reich entlarven, ungefragt, eine Printindustrie teilt mit wie gut es ihr eigentlich geht, und Fernsehsender, die die Menschen bilden sollen halten freundlichst mit der Info hinter dem Berg, dass GEZ-Gebühren [damals] demnächst auch für internetfähige PC gelten sollen. Da frage ich mich, wer ein Interesse daran haben könnte, den Menschen/Massen stetig einzubläuen, das Web sei böse — wenn einen schon die Kinderpornografie nicht anspringt, dann siend es Viren, die einem unwiderbringlich den Rechner kaputt machen (oder einer Polizei zumindest die Site, obwohl der ach so tolle Admin doch schon beim Aufbau eines Polizeinetzes mitgewirkt hat), oder es dauert keine zwei Tage, und man ist finanziell bis auf die Unterhosen ausgezogen, weil irgend eine pöse Software aus dem Internet einem das Konto abgeräumt hat. Und wenn man Pech hat, dann landet man ganz ohne eigenes Zutun in Zirkeln des nächsten 9/11. — Die Bevölkerung ist sicher, wenn sie nicht…“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.