Die engsten Freunde sind die chinesischen Hacker

Eher unbemerkt, wie es heute schien, blieben die Abendnachrichten in der Tagesschau von gestern abend: ein Beitrag behandelte den bevorstehenden Besuch der Kanzlerin in China, und es wurde verlautbart, dass „die Beziehungen zu China sehr eng“ seien, und Merkel deshalb auch die Menschenrechte ansprechen werde.
Der unmittelbar darauf folgende Beitrag behandelte die offenbar zielgerichteten Hackerangriffe, die Rechner im Kanzleramt und anderen höheren Regierungsstellen zum Ziel hatten. Ein Beitrag auf heise.de von Samstag mittag hatte die News schon, SpOn noch weitere Informationen: Chinesische Trojaner auf PCs im Kanzleramt:

Zahlreiche Computer in Bundesministerien sind mit Spionageprogrammen aus China infiziert. Das ist das Ergebnis einer Überprüfung durch den Verfassungsschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Die Tagesschau berichtete dazu: Spioniert China in deutschen Regierungscomputern?

Die Trojanerprogramme, die das unbemerkte Ausspähen von Computern ermöglichen, wurden demnach schon vor Monaten entdeckt. Seitdem hätten Experten der Bundesregierung den Abfluss von rund 160 Gigabyte an Daten verhindert. Es gebe auch weiterhin Versuche, solche Programme in das Internet in deutsche Regierungscomputer einzuschleuen.

heise.de weiß heute zu berichten:

Das Blatt [der Spiegel] zitiert einen deutschen Spitzenbeamten mit den Worten: „Keiner weiß, was schon alles abgeflossen ist.“ Offiziell bestätigen will die Vorwürfe in Berlin niemand. Aus dem Innenministerium heißt es dazu nur: „Angriffe mit Trojanern sind ein ständiges Problem.“ Bislang gebe es jedoch keine erkennbaren Schäden.

Dahingegen waren die morgens an Bahnhöfen verkauften Zeitungen schon früher dran. Ich hab davon keine gekauft, aber der Tenor war sinngemäß etwa „Chinesen hacken Kanzlerin“. Dass die chinesische Botschaft in Berlin entrüstet sein würde war zu erwarten, auch dass davon online nichts zu finden ist. So las sich das bei heise.de:

Das offizielle Beijing schwieg sich zu den Vorwürfen am Wochenende aus. Einen Kommentar dazu gab es nur von der chinesischen Botschaft in Berlin, die die Vorwürfe als „verantwortungslose Spekulation ohne jede Beweisgrundlage“ bezeichnete. Und hinzufügte: „Die chinesische Botschaft ist der Auffassung, dass es auch dem deutschen Interesse entspricht, den freundschaftlichen Kontakt zwischen chinesischem und deutschem Volk auszubauen, und erwartet, dass deutsche Medien auch dazu beitragen werden.“

Da wird auf höchster Ebene dann ja einiges zu klären sein, wenn man sich in Peking nicht diplomatisch darüber anschweigt. Hier ein kleiner Überblick:

Telepolis: Trojaner im Gepäck. Am Vorabend von Merkels Chinareise sorgen Monate alte Vorkommnisse für Aufregung
Futurezone: Trojaner auf Regierungscomputern und weiter China dementiert Spionagevorwürfe
FTD: Wirtschaft warnt vor China-Phobie
Fefe: Das haben sie jetzt von ihrem Bundestrojaner-Geschwurbel, da haben sie die Chinesen auf die Idee gebracht

(Etwas off-topic: Auch die deutschen halten viel auf ihre Programmierkunst: Innenministerium bezeichnet Entdeckungsrisiko für Bundestrojaner als gering. Entdeckt den niemand, weil man an der falschen Stelle sucht?

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8 Ergänzungen

  1. Mich hat die Spiegel-Spekulation auch ein wenig empört. Die an die Bundesregierung gespammten Trojaner kamen aus China. OK. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass die chinesische Regierung dahintersteckt. Der Spiegel hat das einfach ohne irgendwelche Belege suggeriert. Da würde ich mich als Botschaft gegenüber dem Spiegel auch empören. Das wirkt auf mich wie das an den Haaren herbeiziehen eines Skandals. Schließlich braucht man nicht Geheimdienst zu sein, um deutsche Regierungsbeamte dazu zu bringen, Spam Anhänge zu öffnen.
    Dem Spiegel kam das gerade recht, weil sie sich im aktuellen Heft über die Kopiererei der Chinesen aufregen. So als ob Deutschland intellektuell ausbluten würde. In den ARD Tagesthemen war man da seriöser. Da war einer der in China produziert und der meinte, dass man halt immer noch innovativer sein muss, wenn die Chinesen das Etablierte abkupfern. Wie blöd muss man eigentlich sein, wenn man in China zu billig-Löhnen produzieren lassen will, dann merkt dass man da auch Konkurrenz hat und dann heulend zum Zoll rennt. Schön fand ich dagegen die enspannte Haltung der ARD, die wohl an der Innovationskraft des Patentwesens eher zweifelt. Wettbewerb wird da als stärkerer Motor für Innovation gesehen.

  2. Die Trojaner wurden auf Rechnern im Wirtschaftsministerium, im Außenministerium und im Kanzleramt gefunden. Nach Industriespionage sieht mir das nicht aus. Wer hat denn Interesse an Informationen aus offiziellen Dienststellen? Ich möchte der chinesischen Regierung nichts unterstellen, solange nichts hinreichend belegt ist. Allerdings halte ich es schon für richtig, dass Frau Merkel das thematisiert, auch wenn das gewisse chinesische Repräsentanten entrüsten könnte.

    Zum anderen interessiert mich, ob sich die Beamten in den o.g. Ministerien der Gefahren der Spionage hinreichend bewusst sind. Wenn man als normaler Internetnutzer ständig darauf hingewiesen wird, dass E-Mails mit Anhang nicht geöffnet werden sollten, dann frage mich, wieso sich Trojaner in Word- und Power-Point-Anhängen in den Ministerien einnisten können.

    zu Kommentar 2: Ich weiß nicht, ob das so sehr ein Thema des Betriebssystems ist, oder nicht vielmehr eine Frage fehlenden Sicherheitsverständnisses in den Dienststellen.

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