Chinesisches Gericht nimmt Klage gegen Berliner Blogger an

Skurrile Sache: China ist seit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) 2001 auch Mitglied des WTO-Abkommens über geistiges Eigentum (TRIPS). Zwar gilt das Land immer noch als Heimat der meisten „Raubkopierer“, aber die Zahlen gehen offenbar langsam zurück, auch weil die Regierung eine Kampagne gegen Urheberrechtsverletzungen gestartet hat. Meistens werden in unseren Kreisen Kopien von Software, Büchern und DVDs genannt, aber chinesische Firmen bauen offenbar auch ganze Luxusbusse nach. Der Berliner Agenturbesitzer Ron Aron Hillmann, der in seinem Auto-Blog darüber schrieb, bekam nun eine Klageschrift aus China zugestellt, interessanterweise über das Amtsgericht Berlin-Mitte. Der Chinesische Bushersteller, der mit MAN wegen der angeblichen Bus-Raubkopie noch im Rechtsstreit ist, verklagt ihn „auf unlauteren Wettbewerb“.

Hillmann ist eine „Erscheinungszeit“ mit „9 Uhr am 17. Juli 2007 (die Beijinger Zeit)“ vorgegeben. Außerdem steht dort: „1. Die geladene Partei muss pünktlich vor Gericht ankommen, 2. Diese Vorladung wird von der geladenen Partei vor Gericht zur Anmeldung mitgebracht. 3. Wenn die geladene Partei diese Vorladung erhalten wird, soll sie den Rückschein unterschreiben und stempeln.“ Außerdem soll Hillmann innerhalb von 30 Tagen eine „schriftliche Einlassung“ abgeben.

Der Spiegel, auf dessen Meldung Hillmann in seinem Blogeintrag verwiesen hatte, hat offenbar bisher keine solche Klage bekommen. Hillmann hat das Problem, dass er die Vorladung nicht einfach ignorieren kann, weil eine Verurteilung per Rechshilfeersuchen auch von deutschen Behörden vollstreckt werden könnte.

Zwei Aspekte sind daran interessant. Erstens: Die chinesischen Behörden und die Firma nehmen das vermutlich als Testfall, um zu sehen, wie weit sie auch Blogger in Ländern mit halbwegs funktionierender Redefreiheit einschüchtern und damit zum Schweigen bringen können. Chilling effects goes transnational, sozusagen. Zweitens: Kann man ernsthaft gegen TRIPS sein, freies Wissen und so weiter fordern, und gleichzeitig das Nachbauen von Bussen verurteilen? Larry Lessig würde jetzt wohl sagen: Da hilft wohl nur ein Bus-Projekt unter Creative Commons.

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6 Ergänzungen

  1. Also das mit dem Patente-ignorieren hat ja eine sehr lange Geschichte. Schon Deutschland ignorierte vor langer langer Zeit die Englischen Patente auf Webstühle um in der Industrialisierung voran zu kommen und auch die USA haben eine lange Tradition von Urheberrechts- und Patentbruch. Auch Japan und Korea hatten in den 1960ern-1970ern nur eine Chance auf Entwicklung weil sie westliche Patente schlichtweg ignorieren konnten. Natürlich ist es schwierig, aber letztenendes ist es schon eine gute Frage, warum diese Möglichkeit nun Ländern wie China oder Indien verwehrt bleiben sollte.
    Habe da vor ewigkeiten mal was zu geschrieben: http://zeitspuk.de/archives/589-Transrapide-Entwicklung.html

  2. Dieser absurde Vorgang zeigt eine deutliche Lücke in der deutschen Gesetzgebung. Ein kleines Unternehmen oder Privatpersonen sind nicht in der Lage international zu agieren. Wer kann sich zum Beispiel schon die Gebühren amerikanischer oder englischer Rechtsanwälte oder die Kosten für Übersetzungen leisten. Es sollte rechtlich einwandfrei geregelt sein, dass deutsche Firmen mit Firmensitz in Deutschland oder Privatpersonen nur in Deutschland wegen „Vergehen“ im Internet belangt werden können. Allenfalls sollte Hilfe der deutschen Behörden im Rahmen internationaler Rechtshilfeabkommen geleistet werden. Dadurchwürde solch unsinnigen Klagen (gibt es auch in USA) vermieden oder zumindest auf ein sinnvolles Maß reduziert werden. Rechtshilfe sollte nur geleistet werden wenn sichergestellt ist, dass beieiner Ablehnung der Klage, die Unkosten der beklagten Partei vom Kläger getragen werden. Eine solche Regelung wäre auch für die auch in Deutschland beliebte Abmahn Industrie äusserst hilfreich.

  3. ist doch immer das gleiche. Wir sind doch schuld das uns die chinesen „beklauen“. das kommt von der geiz ist geil mentalität… produzieren wir wieder in deutschland können wir auch schwerer beklaut werden… oder wie war das mit dem transrapid ????

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