PC Praxis: „Besser als Brockhaus“ und das Urheberrecht

In der aktuellen Ausgabe der PC Praxis liegt eine DVD mit Inhalten der Wikipedia. Auf dem Cover steht „Wikipedia auf DVD – Gratis: 350.000 – Lexikon-Artikel komplett gratis – Besser als Brockhaus – Wikipedia PC Praxis Edition 2006“.

Bei Lichte handelt es sich um einen SQL-Dump der jeweils aktuellen Artikelversion und beigelegt XAMPP, also Apache, MySQL und PHP und Mediawiki.

Was fehlt, sind offenbar gänzlich alle Versuche, sich an die (sperrige) Lizenz zu halten, unter der Wikipedia steht. Versionsgeschichten fehlen und damit auch die Autorennamen.

Neben möglichen markenrechtlichen Problemen wegen der Nutzung des Logos verstößt nach dem aktuellen Kenntnisstand diese DVD gegen das Urheberrecht in zigtausendfacher Weise. Ob einer der Autoren nun, da die Lizenzbedingungen nicht eingehalten wurden, beispielsweise eine branchenübliche Kostennote an den Verlag Data Becker schickt (der übrigens selbst in den letzten 10 Jahren ein Lexikon herausgebracht hat), kann nur spekuliert werden.

Wäre Wikipedia eine klassische Firma, so wäre es vielleicht wahrscheinlicher, daß über einen Anwalt eine strafbewerte Unterlassungserklärung per FAX an den Verlag geschickt wird, Vertragsstrafen ausgehandelt werden und im Zweifelsfall ein Gericht eine einstweilige Verfügung gegen den Verlag und Distributoren erwirkt, diese Zeitschrift nicht mehr auszuliefern.

Wikipedia ist keine klassische Firma.

Welche sozialen und freundlichen und effektiven Möglichkeiten stehen den Beteiligten offen, die Lizenzbedingungen durchzusetzen? Von Harald Welte kennen wir gute Beispiele, daß eine einzige Person recht viel in dieser Richtung erreichen kann.

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5 Ergänzungen

  1. Ich finde Verklagen grundsätzlich nicht richtig, sofort über rechtliche Schritte nachzudenken. Besser wäre es, um eine Spende an die Foundation oder Wikimedia Deutschland zu bitten. Außerdem könnte man die Leute über die korrekten Formen aufklären. Kommerzielle Nachnutzung ist ja ausdrücklich erlaubt und gewünscht (im Sinne der Verbreitung der Inhalte).

  2. Wikipedia ist keine klassische Firma, aber Wikimedia ist eine klassische Foundation. Das Logo wurde doch gerade deshalb geschützt, um bei solchen Fällen eine Handhabe zu haben.

    Insofern ist es mir unverständlich, dass jetzt Privatinitiative eines einzelnen Users gefragt sein soll. (Natürlich hat die Foundation selbst keine Rechte an den meisten Texten, aber die Foundation besteht ja aus Personen, die eben solche Rechte haben, ein externer Kläger wäre da nur eine Zierde.)

    Wenn die Foundation nicht aktiv gegen solche Lizenzverstöße vorgeht, wozu die Foundation? Fürchtet sie sich vor schlechtem Karma wenn sie selbst Rechtsmittel einlegt und nicht verklagt wird?

  3. …und eigentlich freut es ja auch die Autoren, wenn die Inhalte verbreitet werden. Klar muß auf Lizenzverstöße hingewiesen werden – bzw. sie müssen möglichst ausgeschlossen werden. Aber die GNU-FDL ist für Wikipedia meiner Meinung nach einfach nicht wirklich praktikabel. Wenn es Ziel von Wikipedia ist, Wissen frei zugänglich zu machen und zu verbreiten, dann verhindert die GNU-FDL dieses einfach sehr oft (z.B. wenn ich nur einen Artikel in einer Zeitschrift abdrucken will und dann einen Ellenlangen Lizenztext anfügen muß)…

  4. Longbow4u: Schönheitsfehler: es wurden nicht die Rechte der Foundation oder des Vereins verletzt, sondern die Rechte der Autoren. Wenn der Verein die Hand für Lizenzverstöße an anderen Leuten die Hand aufhält, hat das auch einen Beigeschmack…

    mischka: Sicher wäre eine CC-Lizenz besser – aber was macht man da? Die GFDL ignorieren?

  5. Verklagen, unbedingt.
    Nicht nur, dass der Verlag und die Zeitschrift unsympathisch sind, man muss denen auch einfach mal demonstrieren, wo der Hammer hängt, nämlich dass GNU-Lizenzen nicht für "frei wie Freibier" steht und dass Copyleft nicht bedeutet, sich nach Herzenslust bedienen zu dürfen.

    Was mich fasziniert: man kommt der Content-Mafia doch schon entgegen, wenn man Texte z.B. unter GFDL veröffentlicht – sie dürfen sie ja kopieren und irgendwie Geld dran verdienen – aber die halten sich nicht dran! Wenn man ihnen allerdings die Wikipedia verkaufen würde, sagen wir mal für 1€/Artikel, dann würde so etwas garantiert nicht vorkommen.
    Scheinbar nimmt man die Free Software-Szene (juristisch) nicht ernst, weil sie total hirnrissigerweise gar kein Geld verdienen wollen! Unglaublich! Naja, und wenn jemand so blöd ist, können wir die Quellenangabe auch grad weglassen…

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