Offene Netzwerke auch für Deutschland!

Ins Internet von überall — und das umsonst? Seit der Freigabe des so genannten ISM-Bands zur öffentlichen, lizenz- und registrierungsfreien Nutzung gibt es überall in der Republik eine wachsende Anzahl offener WLAN-Accesspoints. Schon heute gelangt man in vielen Cafes und auf öffentlichen Plätzen kostenlos und ohne weitere Zugangshürden per wireless LAN (WLAN) ins Internet. Die WLAN-Technik bietet alle Chancen dazu, in naher Zukunft in den Städten und Dörfern flächendeckend ins Internet zu gelangen. Dazu müssten möglichst viele Privatpersonen ihre Internet-Zugänge für alle öffnen. Diese Idee wird unter anderen von der Initiative freifunk.net vorangetrieben.

Auch heute schon ist die „digitale Nachbarschaftshilfe“ eine sinnvolle Maßnahme zum Abbau der „digitalen Spaltung“. So gibt es in einigen Stadtteilen Berlins und in vielen Regionen der neuen Bundesländer noch kein flächendeckendes DSL. Privatpersonen, die ihren WLAN-Zugang öffentlich machen, können so helfen, dass möglichst viele Menschen kostengünstig bzw. kostenlos ins Internet kommen. Die Anzahl derer, die dabei ihren eigenen Internetzugang anderen zur Verfügung stellen, steigt stetig.

Sowohl die kurzfristige Sicherung der Internetversorgung durch digitale Nachbarschaftshilfe als auch die Vision eines allgegenwärtigen, frei verfügbaren Netzes sind jetzt allerdings hochgradig gefährdet. Während in anderen Ländern ganze Städte und Kommunen derzeit offene Netze aufbauen, besteht in Deutschland die Gefahr, auf lange Zeit an kommerzielle Anbieter gefesselt zu sein und damit den Anschluss an das Informationszeitalter zu verpassen. Besonders problematisch ist hier ein Urteil, dass das Landgericht Hamburg kürzlich gefällt hat (AZ 308 O 407 / 06): Einer Frau, die ihren Accesspoint für die öffentliche Nutzung freigegeben hat, wurde eine Mitschuld zugesprochen, da Dritte über ihren Zugang Musikdateien getauscht hatten. In der Konsequenz bringt dieses Urteil alle, die ihren WLAN-Zugang anderen öffentlich zur Verfügung, in eine rechtliche Grauzone. Wer seinen Zugang nicht zumacht, kann jederzeit zum „Mittäter“ werden — ohne Rücksicht darauf, dass eigentlich zwischen Infrastruktur und Inhaltsangebot unterschieden werden müsste. Wer seinen Zugang wie vom Gericht gefordert verschlüsselt — was auch keinen hundertprozentigen Schutz gegen einen eventuellen Missbrauch der im Handel befindlichen Geräte gibt — macht eine öffentliche Nutzung unmöglich. Und auch eine etwaige Registrierung der User ist weder wünschenswert, noch technisch zumutbar, noch wirklich sicher.

Damit bewirkt dieses Urteil eine erhebliche Verunsicherung der hiesigen Bevölkerung. Wenn der Betrieb eines offenen Accesspoints dazu führen kann, dass der Besitzer mit einer Abmahnung oder Anzeige der Musikindustrie rechnen muss, dann ist das Projekt eines sozialen, frei verfügbaren Netzzugangs in Deutschland gescheitert. Digitale Nachbarschaftshilfe darf es dann nicht mehr geben.

Freie Netzwerke müssen bleiben, wenn Deutschland nicht den Anschluss an das Informationszeitalter verpassen möchte. Insbesondere wenn es um die „digitale Spaltung“, um sozial schwächer gestellte Menschen und dünn besiedelte Regionen geht, reicht es nicht aus, diese Aufgabe kommerziellen Anbietern von Internetzugängen zu überlassen.

Wir fordern deswegen:

* Eine rechtssichere Klärung der Angelegenheit — notfalls auch durch eine Änderung des Gesetzesgrundlage –, die den besonderen Status nicht-kommerzieller Diensteanbieter berücksichtigt und es auch in Zukunft ermöglicht, den eigenen WLAN-Zugang öffentlich zugänglich zu machen,

* die unbedingte Umsetzung der bereits in § 6 TDG und § 7 MDStV enthaltenen Gesetzestexte: „Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich [sofern sie die Übermittlung nicht selbst veranlasst haben usw.].“

* die Öffnung zusätzlicher Frequenzbänder für die öffentliche und lizenzfreie Nutzung zur Erhöhung der Bandbreite, Vergrößerung der Reichweite und Entfaltung von mehr Innovation,

* sowie die politische Unterstützung entsprechender Vernetzungsinitiativen wie freifunk.net.

Oder kurz gesagt: offene Netzwerke auch für Deutschland!

Erstunterstützer:

* Jürgen Neumann, freifunk.net
* Markus Beckedahl, netzpolitik.org
* Volker Grassmuck, Wizards of OS
* Bob Horvitz, Stichting Open Spectrum
* Armin Medosch, Autor
* Malcolm J. Matson, The OPLAN Foundation

English translation.

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13 Ergänzungen

  1. Ich unterstütze die Erklärung ebenfalls. Dann habt ihr jetzt wenigstens ne ZweitunterstützerInnen-Frau.

    Julia Seeliger, Schatzmeisterin der GRÜNEN JUGEND

  2. Hallo,

    sls Informatik-Lehrer einer Berufsschule unterstütze ich diese Erklärung 100%ig.
    Nicht nur das Internet als ein Medium zur weltweiten Kommunikation muss geschützt werden vor allen Arten restriktiver Zugriffe (staatliche Kontrollen, kommerzielle Abhängigkeiten u.ä.), sondern auch gerade die Zugänge zum Netz, welche getragen werden vom Gedanken des freien, internationalen Meinungs- und Wissensaustausches.
    Sonst landen wir ganz schnell wieder entweder im Mittelalter, oder in die Zeit von „1984“.
    Bieler

  3. ich bin in Kürze (hoffentlich) ebenfalls ‚Nutznießer‘ des freifunk.net und unterstütze darum mit diesem Eintrag ebenfalls die Initiative „Offene Netzwerke auch für Deutschland!“.
    Wenn die Herren und Damen der Telekom das schon nicht wollen, dann sollen sie aber gefälligst jedem einen DSL-Anschluß ermöglichen. Schließlich ist das bei Telefonanschlüssen ja auch eine Selbstverständlichkeit seit ich mich erinnern kann und (bezahlbarer) Breitbandinternetzugang sollte heute im Jahr 2006 genauso zu den ‚Grundrechten‘ gehören. Es kann nicht sein, daß einerseits eine Befreiung von der Regulierung durch die Politik (zwecks Auf- und Ausbau von VDSL) gefordert wird, die Zugänge dann aber doch wieder unter marktpolitischen Gesichtspunkten reglementiert werden.

    Übrigens, wenn sich jemand, der sein WLAN als Hotspot (noch dazu unentgeltlich) der Allgemeinheit freigibt, strafbar macht, wieso werden dann eigentlich nicht Hersteller/Verkäufer von CD- und DVD Rohlingen dafür haftbar gemacht, wenn auf ihnen später vielleicht Musik und Software „schwarz“ weitergegeben werden. Oder wieso haftet ein Telefonanbieter nicht für Straftaten, die über sein Telefonnetz begangen oder geplant werden. Was ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die ein täter benutzt um zum Ort einer folgenden Straftat zu kommen usw.usf…..

    Gruß Dirk

  4. „Einer Frau, die ihren Accesspoint für die öffentliche Nutzung freigegeben hat, wurde eine Mitschuld zugesprochen“
    Weder im Heise-Artikel noch im Protokoll ist hiervon die Rede. Angesichts der Diskrepanz zwischen den bewusst offenen WLANs und denen, die aus mangelnder Sachkenntnis offen sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch die Betroffene in dem Fall zur zweiten Gruppe gehört und der Missbrauch durch fremde Dritte eine Schutzbehauptung ist.

    „Wer seinen Zugang wie vom Gericht gefordert verschlüsselt — was auch keinen hundertprozentigen Schutz gegen einen eventuellen Missbrauch der im Handel befindlichen Geräte gibt“

    Diese Verallgemeinerung ist Irre führend. Verschlüsselungs-Standard ist heute WPA2 alias 802.11i. Selbst ein „nur“ mit dem Vorgänger WPA geschütztes WALN ist eine über den Luftweg „uneinnehmbare Festung“. Es ist nach heutigem Stand der Technik nicht möglich, sie zu knacken. Bei Abschluss eines DSL-Vertrages gibt es heute kostenlos WLAN-Router als Dreingabe, die WPA2-fähig sind.
    Wird das Passwort erschlichen oder wählt der WLAN-Betreiber aus mangelnder Sachkenntnis ein zu schwaches Passwort, stellt dies kein spezifisches WLAN-Problem dar.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.