Kommentar: Frei von Meinung

Wenn man über sowas schreiben will, weiss man garnicht, was man denn dazu sagen soll: Das EU-Parlament verabschiedet eine „Resolution für Meinungsfreiheit im Internet“. Jetzt auch im Netz!

Der Grund, das für den Raum „Internet“ nocheinmal klarzustellen, ist ein sehr ernster und keineswegs zu vernachlässigender: Es ist die Bereitschaft der Unternehmen Google, Yahoo und Mircrosoft mit ihrem Geschäft in China korrekt die dortigen Regeln in ihre Businesswelt zu implementieren. Diese „Filterregeln“ sind alles andere als okay – sondern diskriminirend, Freiheits-beraubend und schlichtweg undemokratisch.

Aber diese Resolution ist für mich schon teilweise eine Farce, wenn sie Unternehmen aus einem Land anspricht, in dem das Recht auf Meinungsfreiheit meinem Empfinden nach weiter gefasst ist, als hier. Etwa, weil dort nationalistische Meinungen eher zugelassen sind, als hier. (Ich bin kein Nazi – finde es aber legitim bescheuerte Meinungen wie „Wegen der Arbeitslosigkeit gehören alle Ausländer nach Hause geschickt“ artikulieren zu dürfen. Wenn der Schmalz eben nicht mehr hergibt, ist das nicht mein Problem …)

Sollten doch – wider erwarten – hierzulande solche Meinungen gedulded werden (rechtlich, nicht tatsächlich), bleibt für die Überwachung von Kommunikation weiterhin das Argument der Kinderpronographie.

Also was soll das bitte: Hierzulande wird uns das digitale Wahrnehmen des Rechtes auf Meinungsfreiheit unschmackhaft gemacht, weil man fürchten muss, dass Dank TKÜV und Vorratsdatenspeicherung offiziellen Stellen schnell klar ist, wer welche Meinung (öffentlich) postuliert. Auch in Nordamerika war neulich das „Bespitzeln der eigenen Bevölkerung“ Thema und sogar Anlass für Empörung.

Die Jungs und Mädels von „Reporter ohne Grenzen“ mussten ähnliche Schwierigkeiten in der Kommentierung dieser Resolution haben: Da geht die Flotte der Privatsphäre und mit ihr einher die der Meinungsfreiheit auf beiden Kontinenten unter. Und um in Sachen China irgendetwas tun zu können, muss das EU-Parlament einen Resolutionsentwurf des US-Kongresses (den Global Online Freedom Act (GOFA)) unterstützen.

International ist das natürlich ein lobenswertes Zeichen – aber wird allein diese Form der Auseinandersetzung mit dem Thema „Meinungsfreiheit“ unser Schiff nennenswert langsamer sinken lassen?

Die Reporter kennen keine Grenzen und freuen sich auch über diesen Tropfen auf den heißen Stein, ich tue es ja auch:

Dieser Beschluss zeigt, dass sich Europa über die besondere Bedeutung freier Meinungsäußerung im Internet und den Bedarf an Regelungen in diesem Gebiet bewusst wird.

Sehr lobenswert von den Jungs, dass sie mit dieser Formulierung die EU dazu drängen, sich selbst mit der Thematik auseinander zu setzen. Tapfer, Leute! Auf dass aus diesen Tropfen ein kalter Regen wird.

ps.: Nach erster Kritik (auch von Markus) habe ich diesen Kommentar überarbeitet – ich hab ihn in der ersten Fassung auch einfach zynisch runtergeschrieben und ohne ihn auch nur einen Moment sacken zu lasssen, veröffentlicht.

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6 Ergänzungen

  1. Hallo Dirk,

    Du hast recht, dass dieses Posting von mir, auf das Du Dich beziehst, sonst nicht oder kaum zum "guten Stil" von Netzpolitik gehört. Ich beziehe desöfteren einen solchen krassen Standpunkt (auch wenn er nicht uneingeschränkt meiner Meinung entspricht), um eine solche Diskussion anzufachen. Dabei will ich eher polemisieren und weniger pauschalisieren.

    Natürlich *ist* es in China wesentlich schlimmer um die Meinungsfreiheit bestellt, als hier, in den vereinigten Staaten oder wo-auch-immer (fast). Mein mehr emotional gefärbter Eindruck ist, dass es in den USA in gewissen Punkten weniger schlimm um die Meinungsfreiheit bestellt ist, als hier. (Siehe Posting). Dank Deines Postings weiss ich nun, dass die RSF in ihrem Ranking der "Pressefreiheit" Deutschland sogar weit über den USA sieht.

    Ich will nicht, dass das rüberkommt als "Ey, hier isses ja genauso schlimm, wie in China". Dem ist keineswegs so.

    Allerdings glaube ich nicht, dass das Pensum, was wir in Europa an Meinungsfreiheit genießen können, vollends befriedigend ist. Ich glaubte, in Amerika sei es bedingt besser. Aber wenn nach den RSF dem nicht so ist, ist es für unsere Demokratie etwas gefährlich sich zu sehr auf US-amerikanische Konzepte von Freiheit zu stützen.

    Natürlich ist die Unterstützung des Papiers des US-Kongresses durch das EU-Parlament eine tolle Sache, keine Frage! In ihrer Rolle als EP, isses mit das Beste, was es derzeit tun kann.

    Ich möchte nur, dass man das nicht uneingeschränkt und blind unterstützt.
    Aber erstmal gehts um China, und nicht um Europa.

    gruss,
    Matthias

  2. Zum Thema Meinungsfreiheit und Zensur in China, ich lebe hier in China und ich muss sagen es ist furchtbar. Klar kann ich mich auf öffentlicher Straße über Politik etc. unterhalten, aber finde erstmal einen der sich dazu äußern will und der auch eine andere Meinung als seine eigene akzeptiert.

    Internetzensur; es wird immer mehr. Immer immer mehr, jetzt wird sogar Skype in den meisten Gegenden geblockt (offiziell weil ja die Chinesische Telecom Angst hat dass keiner mehr über denen telefoniert)… wiki geht nicht… selbst wenn man bei Google bestimmte Wörter eingibt wird alles geblockt. Es ist furchtbar. Gäbs die Anonyme Mouse nicht dann könnte ich kaum eine Seite hier aufrufen…

    Hier ist weder eine Demokratie noch herrscht hier Meinungsfreiheit – nicht im geringsten.

  3. Selbst mein Kommentar zu diesen Artikel wurde geblockt und als Spam abgestempelt – soviel zur Meinungsfreiheit – Chinesische IP

  4. Wenn hier was im Spamfilter landet, wird das nicht zensiert. Sondern frei geschaltet. Da ist ein kleiner Unterschied zur Zensur in China. Bedank Dich mal bei den Spammern, die hier jeden Tag bis zu tausend Spamkommentare und Trackbacks abladen. Mir wäre es auch lieber, hier könnten die Scheunentore offen sein und ich müsste mich weder mit Kommentaren wie diesem oder der ganzen Spambekämpfung auseinandersetzen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.