c/o pop in Köln

Diese Woche gibts hier etwas weniger Beiträge von mir, denn ich bin in Köln auf der c/o pop. Gerade sitze ich in einem Konferenzpanel zum Thema „Wünsche an die Musikindustrie“. Und das ist mal wieder ziemlich ernüchternd. Da sitzen Vertreter von Mobilfunkunternehmen, Downloadplattformen, Filmproduzenten und Hörspielhersteller und alle haben eine schreckliche Angst vorm Internet. Immer noch, man kann es eigentlich nicht fassen. Die Konsumenten sind schuld, die Preise bei iTunes & Co viel zu niedrig, um weiterhin Kultur zu produzieren und kostenlos werden niemals irgendwelche Inhalte erstellt. Manchmal gibt es aber erleuchtende einzelne Beiträge. Ein Sprecher merkte an, dass er es komisch findet, dass immer noch die grössten Marketing-Budgets in Medien investiert werden, die von der Zielgruppe eigentlich nicht mehr genutzt werden. Das verstehe ich auch schon länger nich. Vermutlich springen sie jetzt alle bald zu MySpace hoch und verpulvern dort ihre Marketingressourcen, wo die deutschen Teenies aber auch nicht unbedingt versammelt sind. Das merken die dann in fünf Jahren vielleicht.

Jetzt spricht gerade jemand, der eine Online-PLattform in Kooperation mit SuperRTL gegründet hat. Seine Erfahrungen sind, dass fast alle ihrer Kunden an Orten sitzen, wo es keine üblichen Handelsstrukturen mehr gibt. Also auf demplatten Land in irgendwelchen Dörfern. Das würde man an den PLZ erkennen. Ausserdem würde die meiste Musik am Wochenende gekauft, Samstag Abend und Sonntag nachmittag, wo das Ladenschlussgesetz greifen würde. Die Majors wären noch nicht auf der Plattform, da es wahnsinnig kompliziert und aufwändig wäre, mit denen zu verhandeln, da die immer erstmal nach den USA zur Zentrale telefonieren müssten. Er erwähnte Lizenzverträge mit Universal, die ganze 60 Seiten juristischen Text umfassen würden…

Der Moderator ist gerade besonders lustig und fragt „Kostenlos weggeben und Du verdienst an anderen Sachen – das kann es doch auch nicht sein?“ in die Runde. Und alle stimmen zu, das kann man sich nicht vorstellen, so mit anderen Geschäftsmodellen. Ausserdem wieder zurück zur alten Leier: Die Preise sind zu niedrig. Einem wurde die Frage gestellt, wie teuer denn eine CD sei und ich wundere mich, dass er nicht den Preis genannt hat, den ich ständig in Läden sehe. 18 Euro ist einfach zuviel für eine CD, aber der Sprecher verkündet tatsächlich, dass es ja schon CDs für 5,99 Euro bei Amazon gibt. Meiner Meinung nach fehlen sowohl Künstler als auch Verbraucher auf dem Panel. Und da sitzen schon sechs Leute inkl. dem Moderator. Natürlich auch alles Männer.

Ansonsten ist die c/o pop eine sehr angenehme Konferenz und Messe. Die Konferenz selbst ist zwar nicht so interessant, da stand zwar viel von Web 2.0, MySpace und andere Sachen auf demProgramm, aber eigentlich geht es meist nur um iTunes und Klingeltöne. Ich schau immermal wieder in die Panels rein, aber interessant fand ich bisher keins. Dafür ist die Messe „affair c/o pop“ äusserst angenehm. Sehr viele Labels aus dem Bereich der elektronischen Musik stellen hier aus, es gibt viel Digitalkultur und die Atmosphäre ist sehr angenehm. Ausserdem funktionierendes WLAN überall. Das Konzept nennt sich „MySpace zum Anfassen“ und jeder hat einen eigenen Raum. Die Öffnungszeiten sind gut gelegt, die Messe beginnt um 14 Uhr und endet um 21 Uhr. Ab 22 Uhr finden dann die Anschlussparties im Konferenzgebäude statt. Gestern gabs ein coole Konzert von Laurent Garnier und heute Abend ist Kompakt-Nacht. Auf der anderen Rheinseite im Jugendpark läuft parallel die „Monsters of Spex“ mit Jan Delay, Fettes Brot, Bela B. und vielen anderen. Da kann man dann zwischendurch immer rüber.

Ab 17 Uhr ist die affair c/o pop übrigens kostenlos zu besuchen. Einen Besuch kann ich Kölner mit Interesse an elektronischer Musik und digitaler Popkultur nur empfehlen.

Der VUT (Verband unabhängiger Tonträger) ist auch hier und hat eine neue Broschüre, die ich noch nicht kannte. Der VUT vertritt die meisten Indie-Labels in Deutschland und die Mitgliedsfirmen beschäftigen schon mehr als ein Drittel der deutschen ARbeitnehmer im Musikbusiness. Während sie früher Mitglied bei IFPI/Phonoverband waren, sind sie dort ausgetreten und fahren seitdem eine sehr sympathische Linie. Lustig sind die meisten Texte ihrer Broschüre wie:

„Wir sind die Zukunft! Die Musikindustrie spielt den Blues – WIR ROCKEN! Wir haben die Schwarzmalerei und die einseitige Dämonisierung der Privatkopie satt!

Oder:

Wir meinen: In einem Land, für das die Bundesregirrung eine Innovationsinitiative ausgerufen hat, kann es nicht sein, dass die Rahmenbedingungen für ein wichtiges Zukunftsfeld – Creative Industries – von denen diktiert werden, die technisce Neuentwicklungen wie MP3 am liebsten verhindern würden.


Und hier ist ein
20 Minuten langes Interview mit Stephan Benn, dem Justiziar des VUT.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

6 Ergänzungen

  1. danke für den bericht! na ich weiß schon warum ich lieber zu hause geblieben bin… solche panels ernüchern ungemein! dann lieber zur wos… ;)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.