Toter Papst verschärft Spannung um das EU-Waffenembargo gegen China

Der Tod des Papstes war ein Medienereignis, ebenso die Trauerfeier und die internationalen Gäste. Thematisch allerdings kam hierzulande zu kurz, dass der Vatikan einzige Staat in Europa ist, mit dem Taiwan offizielle diplomatische Beziehungen pflegen kann. So spült die Berichterstattung auch internationale Verstimmungen in die Presse, die sonst unerwähnt bleiben, während in China wie gewohnt selektiert wird.
Die aufgeschlagenen Wellen in China, die offizielle Verweigerung und zaghaft angedeute Verbesserung der Beziehungen waren eben nicht der ganze Kuchen. Europa spricht mit einen blinden Auge und der immer noch weiter steigerungsfähigen Wirtschaftsbeziehungen zum dicksten Wachstumsmarkt der Welt nach dem Munde, und mit der Stimme der „Ein-China-Politik“, was die Bevorzugung der VR China zu Ungunsten der Anerkennung Taiwans meint und auch transatlantisches Konfliktpotenzial in sich bergen kann.
An etwas überraschender Stelle wird die höhere Schule dauerhafter diplomatischer Spannung zwischen der Volksrepublik China und der (demokratischen) Republik China Taiwan ziemlich gut zusammengefasst, in der Financial Times Deutschland:

China entsendet keinen Vertreter nach Rom

Dagegen wird China keinen Vertreter zur Beisetzung schicken. Dies teilte am Donnerstag der Sprecher des Außenministeriums, Qin Gang, mit. Grund ist die Tatsache, dass der Vatikan als einzige europäische Regierung Taiwan diplomatisch anerkennt. China lehnt offizielle Kontakte mit Regierungen, die Taiwan anerkennen, ab, da es die Inselrepublik nur als abtrünniges Gebiet und als Teil Chinas betrachtet. Qin brachte auch das starke Missfallen der chinesischen Regierung darüber zum Ausdruck, dass Italien dem taiwanischen Staatspräsidenten Chen Shui-bian ein Visa für die Einreise gewährte. China hatte die Beziehungen zum Vatikan 1951 abgebrochen. Auch die chinesische Staatskirche schickt keinen Vertreter zur Beisetzung des Papstes.

In Taiwan gilt der eintägige Besuch Chen Shui-bians in Rom dagegen als „diplomatischer Durchbruch“, weil es die Anerkennung durch den Vatikanstaat zementiert und zugleich die diplomatische Nichtanerkennung durch Italien aufweicht. Zumal im noch Januar eine Delegation der Dominikaner vom Papst empfangen wurde. Hier steht die Verbindung zum diplomatisch eiskalten Krieg in Asien: China entsendete keine Trauergäste nach Europa, um die künftigen Handelspartner nicht zu brüskieren und die diplomatische Klemme nicht übermäßig zu strapazieren. Wikinews berichtet so:

Rund eine Million Menschen hatten gestern gegen das am 14. März vom Parlament in Peking verabschiedete Anti-Abspaltungsgesetz protestiert. Das Gesetz droht Taiwan, das von der Volksrepublik China seit jeher als abtrünnige Provinz betrachtet wird, für den Fall weiterer sezessionistischer Bestrebungen mit dem Einsatz „nicht-friedlicher Mittel“. – „Der Unabhängigkeits-Lauf Taiwans ist eine leere Zurschaustellung seiner Stärke“, lautete die Überschrift der Pekinger „Morgenpost“ am Sonntag. Die Zeitungen druckten allerdings keine Bilder der Demonstration; Berichte von CNN und BBC waren Beobachtern zufolge zensiert.

Alle drei, die FTD, Wikinews und die Süddeutsche unterschlagen dabei, dass es in Taipei gleich zwei hunderttausende Teilnehmer schwere Demonstrationen gab, zuerst eine der Regierungsopposition (in blau), und am Wochenende danach eine von der Regierungspartei (in grün dekoriert). Übersehen wird auch: Italien unterstützt die Aufhebung des durch die EU verhängten Waffenembargos nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens (und hat ohnehin auch nach 1989 Radargeräte an China geliefert). Das heikle dabei: der Vatikan ist der einzige Staat in Europa, mit dem Taiwan offizielle diplomatische Beziehungen pflegen kann.
Wer bittere Witze über Taiwans bedrohte Existenz macht und dazu steht stellt sich damit auf eine der beiden Seiten der geplanten Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China. Wenn man den volkschinesischen Standpunkt (Gesetzestext übersetzt als „Gesetz zum Schutz der Interessen der taiwanesischen Landsleute“ als pdf) ernst nimmt, verbindet sich das implizit mit einer Aufhebung des Waffenembargos und dem vornehm als „Destabilisierung der Region“ verharmlosten Krieg, der durch das volkschinesische Anti-Abspaltungsgesetz legal wird. Zum Treppenwitz stehen und die mögliche Aufhebung nicht nach deutsch-französisch-italienischer Linie gutheißen verlangt zumindest etwas Differenzierung. In einem Artikel für die soma (pdf) hab ich das letztes Jahr ein wenig klarer gemacht. Die gängige europäische Rhetorik hält das deutlich zu kurz.

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