Kanada: Regierung plant Ausweitung der Überwachung im Internet

Freiheit oder Sicherheit? Kanada will das mit einer Befragung klären.
Freiheit oder Sicherheit? Kanada will das mit einer Befragung klären. Foto: CC0 via pixabay/FrankWinkler

Kanada plant eine Ausweitung der Überwachung im Internet. Das geht aus einem Grünbuch der Regierung mit dem Titel „Unsere Sicherheit, unsere Rechte“ hervor. Geplant sind der Zugriff auf Stammdaten, zum Beispiel E-Mail-Adresse, Nutzernamen etc., durch Polizei und Geheimdienste ohne richterliche Anordnung und der Zwang für Kommunikationsanbieter, Nachrichten abzuhören und Verbindungsdaten zu speichern. Außerdem soll die Möglichkeit bestehen, per gerichtlicher Anordnung Privatpersonen oder Organisationen zur Entschlüsselung ihrer Daten zu zwingen.

Diese Forderungen stehen in einem Grünbuch, weshalb sie nur einen Diskussionsstand wiedergeben. Ob sie also genau so umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. „Public Safety Canada“, vergleichbar mit dem amerikanischen Heimatschutz, führt eine Online-Befragung durch, um die Meinung der Bevölkerung zu den Forderungen einzuholen. Neben Fragen zu den geplanten Maßnahmen, wird auch nach persönlichen Einstellungen zu unter anderem Privatsphäre gefragt. An der Befragung kann man noch bis zum 15. Dezember teilnehmen – auch als Nicht-Kanadier.

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Eine Ergänzung

  1. „Auch als Nicht-Kanadier“. Gesagt, getan. Immerhin kenne ich ein paar Kanadier, und auch hier bekommen wir von außer Rand und Band geratenen Sicherheitsfanatikern die gleiche Leier der notdürftig als Geschenk getarnten Allmachtsphantasien vorgespielt, während die Bevölkerung es nachblökt. Hier meine Antworten.

    Die erste Frage trieft schon derartig von dem Narrativ, „national security“ und natürlich auch das Awe Enforcement (TM) seien durch neue Technologie gefährdet, dass ich sie un-fragen und durch eine sinnvolle Frage ersetzen musste:

    Q: How can the Government address challenges to law enforcement and national security investigations posed by the evolving technological landscape in a manner that is consistent with Canadian values, including respect for privacy, provision of security and the protection of economic interests?

    A: Wrong question. Let me propose a meaningful question instead: „How can the Government address challenges to liberty and informational self-determination posed by the evolving technological landscape in a manner that is consistent with humanist values, including respect for privacy …“

    Dann ging es um Bestandsdatenauskunft, mit absurden Vergleichen und suggestiv-führenden Hypnosefragen, die einem das schmackhaft machen wollen:

    Q: Do you consider your basic identifying information identified through BSI (such as name, home address, phone number and email address) to be as private as the contents of your emails? your personal diary? your financial records? your medical records? Why or why not?

    Diesen Versuch, durch hinkende Vergleiche Akzeptanz für eine erleichterte IP-Adressenzuordnungsabfrage etc. herzustellen fand ich so daneben, dass ich nur antworten konnte, dass die Vergleiche auf vielen Ebenen falsch sind.

    Der nähchste Block dreht sich um den dornigen Begriff der „Expectation of Privacy“, den zumindest das US-FBI ja schon zu einer wahrhaft Orwellschen tautologischen Begründungsrechtfertigung verdreht hat: „wer weiß, dass die Überwachung potentiell total ist, hat keine Expectation of Privacy und *darf* daher totalüberwacht werden“

    Also:

    A: My expectation of privacy is already being violated badly daily in both the digital world and the physical world. My answer depends on what one understands by „expectation“. Realistically, I can expect to be spied and preyed upon by criminals, data farmers, out-of-control predatory secret services as well as overstepping law enforcement. Of course it is different, because the manifold violations of privacy evolve every day. On the other hand, where the digital and the physical world meld, I can expect the least protection to determine the resulting breach, so it is the same. In an ideal world however, I expect to be left in peace, thank you very much.

    Dann um die Schaffung einer Abhörschnittstelle, die den Providern aufgebürdet werden soll.

    Im vorletzten Frageblock feuert die kryptofaschistische Regierung Trudeau (hinter dem positiven projizierten Selbstbild einer vermeintlichen offenen, linksliberalen Regierung lauern Abgründe, da hat Fefe ganz recht) … mal eben so die Eröffnungssalve für die Cryptowars in ihrem Land ab. Und zwar, wie in jedem Frageblock, suggestiv mit der Lüge des „Going Dark“ (in anderen Worten) und der Lüge der „National Security“ begründungs-rechtfertigt.

    Q: If the Government were to consider options to address the challenges encryption poses in law enforcement and national security investigations, in what circumstances, if any, should investigators have the ability to compel individuals or companies to assist with decryption?

    Ja nee, die „Challenges“, ist klar. Nicht die Challenges einer von allen Seiten raubtier-totalüberwachten Welt für die Würde des Menschen, sondern die Challenges, wenn Sergeant Peeping Tom von den RCMP nicht mein Tagebuch und die SMS an meine Oma lesen kann.

    Also:

    A: None.
    Are you seriously suggesting that individuals should be forced to self-incriminate?
    Are you seriously suggesting that individuals have no right to a private extended memory?
    The practical problems are insurmountable. First and foremost, it is impossible to prove that a seemingly encrypted file is indeed an encrypted file rather than an encryption header followed by some noise. Key disclosure legislation puts the burden of proof on the accused. All this has been discussed. What is asked is immoral and impossible. Let’s be rational. Let’s bury the hatchet. Let’s end the crypto wars already.

    Und dann nochmal der Dauerbrenner, Golden Keys:

    Q: How can law enforcement and national security agencies reduce the effectiveness of encryption for individuals and organizations involved in crime or threats to the security of Canada, yet not limit the beneficial uses of encryption by those not involved in illegal activities?

    A: The issue has been discussed at length, mainly at the instigation of clueless, not always well-meaning laypersons. All cryptologists agree that encryption cannot be selectively weakened so that the „good guys“ can decrypt any message. Backdoored security is not security. Backdoored security is, in every single instance, a disaster waiting to happen. I won’t repeat all the expert arguments because the whole superfluous debate is obviously not fact-driven. Please read the excellent articles by Bruce Schneier and put this discussion at rest once and for all.

    Dann Vorratsdatenspeicherung.

    Ich sag nur:

    A: Data retention and a free society are mutually exclusive. Keeping telecommunications data of all people means that the state is no longer treating people as free individuals, but collectively as an enemy. It is a dangerous idea with totalitarian overtones no matter what the rationale and cannot be countenanced even if some benefits could be demonstrated.

    Volle Kanne Faschismus in Sicherheitssoße. Vernagelt, merkbefreit, phantasielos (ausschließlich die Klassiker des modernen TKÜ-Staats!), entweder unendlich dreist verlogen oder tatsächlich im Glauben, etwas Sinnvolles zu tun. Benehmen sich wie T-Rex im Porzellanladen und scheinen überhaupt nicht zu merken, was für dunkle Zeiten sie einleiten. Unsere „Regierung“ benimmt sich in Punkto Datensparsamkeit gerade ähnlich.

    Stoßgebet: Können wir bitte irgendwie in 1995 nochmal anfangen und alles richtig machen?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.