SOPA: Wer sagt was?

Nachdem es Ende letzten Jahres trotz anfänglich breiter Zustimmung unter den Mitgliedern des House Judiciary Committees überraschender Weise nicht gelungen war, den umstrittenen Stop Online Piracy Act (SOPA) zur Abstimmung zu bringen, läuft der Positionierungskampf auf Hochtouren. Wie man an der Berichterstattung erkennen kann, spielen Argumente dabei keine allzu große Rolle. Wichtig ist nur, wer pro und wer contra ist. Dem einzigen inhaltlichen Argument der SOPA-Befürworter – die angebliche Job-Vernichtung, wie sie in verwandten Debatten ausserhalb der USA auch gern von Industrievertretern wie Dieter Gorny proklamiert wird – hat sich nochmals die Electronic Frontier Foundation angenommen: Während die Gesetzgebung den Wachstumsmotor Internetwirtschaft schädigen wird, hat sich der Anteil am Bruttoinlandsprodukt von Film- und Musikindustrie in den letzten Jahren trotz Filesharing nicht verändert:

[…] the movie and music companies contribute the same amount to the economy that they did before file sharing was mainstream—in both 2011 and 1995 their contribution to total GDP was 0.4%. Even better news for them: the Bureau of Labor Statistics gives a wholly positive outlook on future job prospects in the movie industry. This is evidenced by the fact that Warner Brothers just posted a record profit for the third quarter and why Viacom just gave their CEO a $50 million raise.


Wie The Atlantic nochmals nachzeichnet, hat der Versuch, technologische Entwicklungen zu behindern, in der Film- und Musikindustrie Tradition: Vom Radio in den 20er Jahren über das Kabelfernsehen in den 50ern, den Videorekorder, den DVD-Brenner und TiVo bis zum Internet lag die Industrie immer falsch, unterlag in der Debatte und profitierte anschließend von den Innovationen.

Der Gesetzgebungsprozess liefert außerdem ein schönes Beispiel für das veränderte mediale Kräfteverhältnis in einer zunehmend vernetzten Welt: Während die großen Fernseh-Networks, die entweder selbst oder über ihre Mutterkonzerne auf der Liste der SOPA-Befürworter auftauchen, in den USA das Thema weitgehend unter den Tisch fallen lassen, hat sich im Internet ein Proteststurm entwickelt, den selbst die Entscheidungsträger nur schwerlich ignorieren können werden. Die Macht der Netz-Konsumenten hat zunächst hauptsächlich die Firma GoDaddy getroffen, die ihre Unterstützung zurückgezogen hat. Die Computerspiele-Firmen EA, Nintendo und Sony Computer Entertainment, über deren angeblichen Unterstützungs-Rückzug groß berichtet wurde, waren von vornherein schlau genug gewesen, zwar als Mitglieder der Entertainment Software Association Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen, aber ihre Namen selbst nicht auf der SOPA-Unterstützerliste auftauchen zu lassen.

Im Komitee ist es dagegen nicht in erster Linie der derzeitige Bürger-Protest, der den Befürwortern Sorgen bereiten muss: Ein Tech-Blog- und Twitter-Sturm geht vorüber und spielt sich in einem ziemlich gechlossenen System ab. Wenn allerdings Google, Facebook und Amazon ihre marktdominierenden Stellungen ausnutzen und ihre Webseiten tatsächlich zu Protest-Pamphleten umfunktioneren, würden sie als größte Meinungs-Multiplikatoren des Erdballs fungieren.

Wer schonmal abschätzen will, wie die Abstimmung ausgehen wird, hat es jetzt einfach: Nachdem man bisher mühsam selbst nach den finanziellen Hintergründen einer erfolgreichen Kandidatur für das Repräsentantenhaus suchen musste (zum Vergleich: Lamar SmithDarrell Issa), gibt es nun eine App, die das für den Bürger besorgt – und verspricht, ihn bei der nächsten Wahl nochmal an das Abstimmungsverhalten zu erinnern: sopatrack.com fasst das Spendenaufkommen von SOPA-Unterstützern und -Ablehnern zusammen und wird bei der Abstimmung das Wahlverhalten notieren.

Bis es zur Abstimmung kommt, vertreibt sich SOPA-Initiator Lamar Smith die Zeit übrigens damit, gegen Regierungspläne zu opponieren, die Vorsehen, dass Einwanderer nicht abgeschoben werden müssen bevor über ihre Anträge entschieden wird, wie es bisher der Fall ist. Wenigstens ist er in seiner Ablehnung rechtsstaatlicher Prinzipien konsequent.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

3 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.