Neues aus dem Fernsehrat (58)DGB-Studie zur (fehlenden) Transparenz öffentlich-rechtlicher Rundfunkaufsicht

Eine aktuelle Studie im Auftrag des DGB sieht Verbesserungsbedarf bei der Transparenz der Rundfunkaufsicht. Aus Perspektive eines ZDF-Fernsehrats sind diese Ergebnisse nicht nur sehr gut nachzuvollziehen, sie sind auch ein Auftrag an die Aufsichtsgremien, sich hier viel stärker zu emanzipieren.

Seifenblase mit Reflexionen
Transparenz macht nicht nur Seifenblasen schön. CC-BY-SA 4.0 Manfred Werner (Tsui)

Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.

Gleich im allerersten Beitrag dieser Reihe ging es um das Thema fehlender Transparenz im Fernsehrat, die mit Hürfen für eine effektive Vertretungs- und Aufsichtsarbeit verbunden ist: Die meisten jener Vorlagen, die in öffentlicher Sitzung behandelt werden, bleiben in der Regel auch nach der Sitzung noch unter Verschluss. Wie sollen da selbst jene einer Sitzung folgen können, die sich auf den Weg nach Mainz oder zu einem der anderen Tagungsorte gemacht haben?

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund hat sich Medienwissenschaftler Dominik Speck (siehe auch Folge 36) in einer Kurz-Studie dem Thema Transparenz(-defizit) in systematisch-vergleichender Manier gewidmet. Im Ergebnis seiner Analyse, die im Volltext als PDF verfügbar ist, attestiert Speck durch die Bank Nachholbedarf „im Sinne einer nachhaltigen Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Aktivitäten im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem“ (S. 31f.). Konkret listet Speck eine Reihe von sehr konkreten Handlungsempfehlungen auf, die ich vollinhaltlich teile und im folgenden kurz zusammenfasse sowie hinsichtlich des Status quo im ZDF ergänze:

  • Starke föderale Unterschiede im Bereich gesetzlicher Transparenzvorgaben sollten von den Gremien thematisiert werden. Ich würde ergänzen, dass es aus Perspektive des ZDF wichtig wäre, rechtlich klarzustellen, dass gesetzliche Transparenzvorgaben – ganz im Geiste des diesbezüglichen Urteils des Bundesverfassungsgerichts – nur ein Mindestmaß vorgeben, das im Rahmen von Geschäftsordnungen durch die Gremien selbst weiter ausgedehnt werden kann.
  • Verbesserung der Transparenz über Programmbeschwerden und Beschwerdemanagement, zum Beispiel als Jahresstatistiken quantitativ wie qualitativ zum öffentlichen Abruf. Beim ZDF würde es hier unter anderem helfen, wenn die ohnehin erstellten Wortprotokolle der öffentlichen Sitzungen auch im Anschluss digital zugänglich gemacht würden – so ließen sich Debatten über einzelne Programmbeschwerden besser nachvollziehen.
  • Die Sitzungen zumindest aller Rundfunkräte sollten öffentlich stattfinden, nicht-öffentliche Teile auf das sich aus den schutzwürdigen Interessen Dritter ergebende Mindestmaß begrenzt bleiben. Das ist im ZDF-Fernsehrat der Fall, allerdings nur in Form von „Präsenzöffentlichkeit“. Hier wäre meiner Meinung nach allerdings längst auch ein Livestream der Sitzung angemessen. Because it’s 2020.
  • Veröffentlichung der kompletten Protokolle, zumindest der öffentlichen Teile der Sitzung. Wie oben bereits erwähnt, ist es für mich komplett unverständlich, warum beim ZDF-Fernsehrat ein ohnehin vorliegendes Wortprotokoll einer per Gesetz ohnehin öffentlichen Sitzung nicht auch ins Netz gestellt wird. Das grenzt an Schikane.
  • Alle Beschlussvorlagen, Berichte und sonstigen vorgelegten Dokumente für öffentliche Teile der Sitzungen sollten zumindest im Nachhinein online zugänglich gemacht werden. Diesen Punkt kann ich gar nicht genug unterstreichen. Er scheint mir auch im ZDF das größte Potential für verbesserte Gremientransparenz mit sich zu bringen. Ich habe deshalb auch einen entsprechenden Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Fernsehrats eingebracht. Allerdings vertreten im ZDF manche die Rechtsansicht, dass eine solche Regelung nicht im Rahmen der Geschäftsordnung des Fernsehrats möglich wäre. (Mehr zu diesem Thema dann in einer der nächsten Folgen dieser Reihe, wenn diesbezügliche Diskussionen weiter fortgeschritten sind.)
  • Die Arbeit der Verwaltungsräte und der Ausschüsse sollte noch weitgehender öffentlich dargelegt werden. Hier nennt Speck explizit das ZDF als Vorbild, „das im Vergleich aller Anstalten am detailliertesten über die Arbeit des Verwaltungsrates und über Sitzungen der Ausschüsse beider Gremien informiert“ (S. 33).
  • Alle Gremienmitglieder sollten umfassend auf den Internetauftritten vorgestellt werden. Auch hier dient Speck wieder das ZDF als Vorbild.
  • Die Transparenz über die Beteiligungsunternehmen der Öffentlich-Rechtlichen sollte verbessert werden. Auch diesem Punkt kann ich mir nur anschließen, das ZDF kann hier leider nicht als Vorbild dienen. Obwohl Unternehmen wie ZDF Enterprises oder ZDF Digital zunehmend wichtiger für die Angebote öffentlich-rechtlicher Anstalten werden, spielen sie im Alltag der Rundfunkaufsicht kaum eine Rolle. Damit zusammen hängt auch mangelnde Transparenz bei Tarifstrukturen, die nicht alle Beteiligungen in gleicher Weise erfasst.
  • Die Gremien sollten ihre Öffentlichkeitsarbeit unabhängiger von der Senderkommunikation gestalten. Das ZDF war hier in der Vergangenheit eher kein Vorreiter, auch ich würde mir hier mehr „Senderferne“ wünschen.
  • Mehr Beteiligung des Publikums im Rahmen von (Online-)Konsultationsprozessen. Derzeit ist durchaus in einigen Bereichen (z.B. beim Telemedienauftrag) ein Konsultationsprozess vorgesehen, der sich allerdings primär an organisierte Interessensgruppen richtet. Hier noch stärker auch Angebote für individuelle Beitragszahlende zu machen, könnte neue Einsichten eröffnen.
  • Transparenzfenster mit Informationen über die Anstalten ins Programm integrieren.

Zusammengefasst liefert Speck mit seiner Analyse für den DGB eine Liste, die es eigentlich nur abzuarbeiten gelten würde. Wesentlich für die Erfolgsaussichten ist, dass die Mitglieder der Aufsichtsgremien selbst hier klar Position beziehen und mehr Transparenz leben – zum Beispiel durch transparentere Gestaltung der Geschäftsordnung. Hier gibt es auch beim ZDF noch großen Nachholbedarf.

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