Zur schwierigen und wichtigen Position von Blogs in Russland

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Das Berkman Center for Internet and Society hat gestern eine Studie zur Rolle von Blogs in der russischen Medienlandschaft veröffentlicht. Die Untersuchung kommt passend zu einem Zeitpunkt, an dem das russische Parlament beschlossen hat, Blog mit mehr als 3000 Besucher am Tag einer Meldepflicht bei der Presseaufsicht zu unterziehen um damit das Meinungsbild im Internet effektiver kontrollieren zu können.

Anhand von Blogbeiträgen, Fernsehberichten und Regierungswebseiten untersuchten die Forscher, ob Blogs in Russland eine echte Alternative zu den Mainstreammedien bilden und so zu einer kontroversen Meinungsbildung beitragen können. Sie kommen dabei zu dem Ergebnis, dass dem so ist und sich Blogs im Gegensatz zu TV- und anderen etablierten Medienformaten die größte Unabhängigkeit von Regierungsinformationen bewahren.

Untersucht wurden unter anderem vier konkrete Fälle der Berichterstattung – über den Arabischen Frühling, die Person Putins, sowie Nachrichten über das jährlich stattfindende Seliger-Jugendforum und Gegenprotest-Events dazu. Es wird deutlich, dass Blogs sowohl über größere Zeiträume Bericht erstatten, nachdem Themen bereits aus dem Fokus der Hauptmedien verschwunden sind, als auch andere Themenschwerpunkte setzen. So fallen in den etablierten Medienberichte über die Unruhen in Ägypten 2011 öfter Begriffe wie „Aufstände“ oder „terroristische Anschläge“, in Blogs findet man dafür gehäuft den Ausdruck „Revolutionen“. In einem Vergleich mit der US-amerikanischen Medienlandschaft ist die Themensetzung wesentlich homogener.

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Die Untersuchung unterstreicht, wie wichtig unabhängige Berichterstattung ist, um eine Alternative zur kontrollierten Regierungsmeinung bereit zu halten. Umso mehr erscheinen die aktuellen Bestrebungen sämtliche kritischen Stimmen durch Regulierung zu unterdrücken, wie ein Schlag ins Gesicht der Meinungsfreiheit. Russland befindet sich in einer Rangliste der Pressefreiheit bereits auf Platz 148 von 179, denn bereits zuvor wurden in großem Maße Inhalte wie Extremismus, Pornographie, Online-Glücksspiel und vieles mehr zensiert. Unter dieser Gesetzgebung wurden in diesem März mehrere regierungskritische Webseiten und Plattformen unter dem Extremismusvorwurf gesperrt. Doch Putin verteidigte auf einem Medienforum in St. Petersburg seinen Vorstoß, indem er Blogs mit etablierten Medien verglich:

Diese Blogs sollten ähnlichen Beschränkungen unterliegen wie sonstige Massenmedien, weil ihre Autoren über das Internet Zehntausende beeinflussen.

Tatsächlich betrifft die Regelung nicht nur klassische Blogs, sondern alle Medien. Twitternutzer mit einer großen Followerschaft oder populäre Nutzer sozialer Netzwerke unterliegen ebenso der Verpflichtung, mit Klarnamen und E-Mailadresse zur Verfügung der russischen Behörden zu halten, ansonsten drohen empfindliche Strafen bis zu etwa 10.000 Euro.

Aber das dürfte nicht der letzte Vorstoß hin zu einer nationalen Abkapselung eines russischen Intranets sein. Auf der gleichen Veranstaltung bezeichnete er das Internet als „CIA-Spezialprojekt“, das als Militärprogramm gestartet sei, was immer noch spürbar sei, und rief dazu auf, sich gegen deren Interessen  zu verteidigen. In diesem nationaltümelnden Tenor kritisierte er auch die führende russische Suchmaschine Yandex dafür, dass sie „unter ausländischem Einfluss“ stünden und einen Teilsitz in den Niederlanden unterhalten – und das „nicht nur wegen der Besteuerung, sondern auch aus anderen Überlegungen“. Der Chef des russischen Facebook-Äquivalents VKontakte war bereits einige Tage vorher abgetreten (worden), da er vom russischen Inlandsgeheimdienst in Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Ukraine unter Druck gesetzt worden sei.

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch kritisieren diese jüngsten Entwicklungen scharf. Ein Sprecher der Organisation bringt den Kern der Zensurmaßnahmen dabei treffend auf den Punkt:

Dies ist ein weiterer Meilenstein in der unaufhaltsamen Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Russland […] Das tatsächliche Ziel ist es, jede Art von Kritik an der Regierung zu verhindern.

Der russische  Investigativjournalist und kritische Geheimdienstexperte Andrei Soldatov bezeichnet das aktuelle Handeln Russlands als widersprüchlich, da es durch die Herausbildung eines Intranets der russischen Wirtschaft schade. Nach der Yandex-Kritik sank beispielsweise der Börsenkurs der Suchmaschine rapide und erwirkte einen Verlust von über einer Milliarde US-Dollar. Aber Verschwörungstheorien um die Vorherrschaft amerikanischer Geheimdienste im Internet gedeihen gut in einer Führungsriege, die von Ex-KGB-Mitgliedern wie Putin selbst geprägt ist. Und so stellt sich Russlands Handeln nicht nur als ein Handeln gegen die Meinungsfreiheit dar, sondern auch als eine antiamerikanische Kampagne. Die jüngste, kontrovers rezipierte TV-Fragestunde von Putin mit Snowden, in der Putin sich als Verteidiger der Internetfreiheit und Gegner von Massenüberwachung zu profilieren versuchte, passt dabei perfekt ins Bild.

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