Studie analysiert die Funktionsweise des Spionagesystems ISIS, das EADS für die Bundeswehr baut

Abgeschnorcheltes Gebiet im Falle eines Einsatzes über Nordhessen/ Thüringen

In Vorbereitung auf den Untersuchungsausschuss zum „Euro Hawk“ hat die Linksfraktion ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Funktionalitäten des Spionagesystems „ISIS“ beleuchtet. Die Abkürzung steht für „Integrated SIGINT-System“ und bezeichnet die fliegende Überwachungstechnik im Verbund mit einer Bodenstation. Die Plattform besteht aus den einem sogenannten COMINT (zum Identifizieren empfangbarer Sender) sowie ELINT (um die Datenquellen anzupeilen und zu verorten). Die Bundeswehr führt bis September in einem Gebiet nahe München Testflüge durch, um die Funktionalität des Gesamtsystems zu analysieren.

Auf netzpolitik.org wurde bereits berichtet, auf welche Weise das „ISIS“ Daten abschnorchelt: Ein Manager hatte an der TU Dresden weitere Details ausgeplaudert. Er bewirbt das ““ISIS“” als “sehr komplexe Software”, um Aufklärungsdaten zu generieren. Sie gehe sogar über Funktionalitäten der AWACS-Flugzeuge hinaus, die von der NATO eingesetzt werden. Das “Missionsthema” des „ISIS“ bezeichnet der Manager als “Information, Spionage, Überwachung, Identifizierung”. Demnach könne das System sogar elektromagnetische Strahlung von startenden Fahrezeugen oder Mikrowellen empfangen. Weil dabei jedoch immense Daten anfallen, die in Echtzeit nicht zu Boden übermittelt werden können, erfolgt bereits an Bord eine Verarbeitung.

Kritisch wird die Angelegenheit auch deshalb, weil das „ISIS“ nicht nur im militärischen Bereich angewendet werden könnte. Das ist nicht weit her geholt: EADS und Northrop Grumman, die Hersteller des „Euro Hawk“, haben das Flugzeug bei der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX vorgestellt. Eingeladen waren etliche Firmen, um die Eignung ihrer Drohnen zur Migrationsbekämpfung zu analysieren. Auch ein Cassidian-Manager sieht mehrere Anwendungsgebiete für den Bereich der „Homeland Security“, darunter bei polizeilichen Großlagen. Dies meint beispielsweise Gipfelproteste oder Sportereignisse.

Die Bundesregierung sieht in ihrem Einsatzkonzept sogenannte „ressortübergreifende“ Einsäze vor. Die nun vorgelegte Studie geht deshalb insbesondere auf mögliche Einsätze des „ISIS“ im Innern ein. Dies beträfe beispielsweise das Abhören von Mobilfunk:

Das „ISIS“-System im Euro Hawk kann bei 15 Kilometer Flughöhe in einem Umkreis von bis zu ca. 400 Kilometern alle Funksignale auffangen, anpeilen, aufzeichnen und zur Bodenstation übertragen, die stark genug sind, um von den Empfängern aufgenommen zu werden. Dazu gehören auch Mobilfunksignale, insbesondere die der Sendemasten, welche mittels Richtantennen von „ISIS“ selektiv empfangen werden können.

Laut der Studie ist es möglich, Aussendungen aus 400 bis 500 Kilometern Entfernung zu empfangen. Erklärt wird dies am Beispiel einer Gegend wie Kassel, Gotha, Fulda oder Suhl. Kreist das „ISIS“ dort (im Flugzeug oder einer Drohne), könnte das gesamte deutsche Staatsgebiet erfasst werden. Für Geheimdienste und Militärs wäre dies vorallem daher interessant, dass das zu überwachende Gebiet nicht überflogen werden muss, also seitens der Bundeswehr nicht in gegnerisches Hoheitsgebiet eingedrungen würde. Die Überwachung kann nach Bedarf angepasst werden, bestimmte Zeiten konfiguriert oder aus den verarbeiteten Daten die Sprecher identifiziert werden. Das „ISIS“ kann überdies mehrere tausend Funkgeräte im Erfassungsbereich der Drohne lokalisieren und überwachen.

Ein eigenes Kapitel der Studie widmet sich einer etwaigen Verwendung des „ISIS“ bei Gipfelprotesten, angenommen wird ein Szenario wie beim G8-Gipfel in Heiligendamm:

Bei Protestcamps, Besetzungen u. ä. [werden] üblicherweise in größeren Umfang lizenzfreie Handfunkgeräte (sog. ISM-Band), Wi-Fi-Knoten, Schnurlostelefone (meist nach dem DECT-Standard) und in geringerem Umfang auch Satellitentelefone und -datenmodems eingesetzt. Üblicherweise werden diese Funksysteme von Gruppen oder Menschen mit hohem Organisationsgrad verwendet, die sich nicht auf das Funktionieren der überlasteten oder örtlich nicht verfügbaren Mobilfunknetze verlassen wollen. Der Inhalt dieser Funkverbindungen ist demzufolge aus Sicht eines Abhörers oft „hochwertig“, weil er Zugang zu strategischen Informationen verspricht. Für die Lokalisierung, Identifizierung und Aufzeichnung/Übertragung aller dieser Funksysteme ist „ISIS“ hervorragend geeignet.

Gegenwärtig ist unklar, auf welche Weise die Bundeswehr das „ISIS“, das trotz des Scheiterns des „Euro Hawk“ zur Spionage genutzt werden soll, in die Luft befördert wird. Anscheinend läuft eine Analyse zur Eignung von zwei bemannten Flugzeugen, die seitens des Verteidigungsministeriums geleast werden könnten. Die Kosten werden hierfür auf rund 175 Millionen Euro geschätzt.

Die Bundeswehr hatte zur gleichen Problematik eine Studie „Alternativen zum ‚Euro Hawk'“ beim Rüstungsdienstleister IABG in Auftrag gegeben, die 37 bemannte und unbemannte Flugzeuge untersuchte. Hieraus wurden 11 Plattformen identifiziert, die prinzipiell in Frage kämen. Aus diesen wiederum hat die IABG drei FLugzeuge vorgestellt, die sich nach ihrer Vorstellung am besten eignen: Der „Airbus 319“, die israelische Drohne „Heron TP“ sowie das noch zu entwickelnde „Future European MALE“ (FEMALE).

Bereits der Umstand, dass der jetzt in Airbus umgetaufte Konzern EADS an allen drei Projekten beteiligt ist, läßt an der Unvoreingenommenheit der Studie zweifeln. Im Untersuchungsausschuss kam nun heraus, dass Cassidian, die Rüstungssparte von EADS, die entsprechende Passage über sein „FEMALE“, ein hundertprozentiges Projekt des Konzerns, sogar selbst schreiben durfte. Das dürfte der engen Freundschaft der beiden Firmen geschuldet sein, die in zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu Drohnen zusammenarbeiten. Pech gehabt hat deshalb der Hersteller Gulfstream, dessen bemanntes Flugzeug G550 nur knapp auf Platz vier landete, ergo in der Studie nicht weiter erwähnt wird.

Die in der IABG-Studie vorgeschlagene „Heron TP“ könnte allerdings das gesamte „ISIS“ nicht transportieren. Das wird auch von der IABG nicht angezweifelt. Stattdessen schlägt die Firma vor, das „ISIS“ in das ELINT und COMINT zu zerlegen, und je nach gewünschter Mission einzeln in die Luft zu schicken. Eine andere Möglichkeit wäre, zwei „Heron“ gleichzeitig kreisen zu lassen.

Die „FEMALE“ von EADS hat übrigens das gleiche Problem. Zwar wäre die Drohne mit einem geplanten Abfluggewicht von über 11 Tonnen durchaus in der Lage, die Technik zu transportieren. Nach gegenwärtigem Stand wäre aber der Datenlink zu gering, um alle Informationen des Datenstaubsaugers „ISIS“ zu Boden zu übermitteln.

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Eine Ergänzung

  1. Kleine Anmerkung zu dem verwendeten Bild: Dieser Kreis stellt den Horizont dar, wenn man aus 60.000ft nach unten schaut. So eine Information ist aber nutzlos. Zwar kennzeichnet sie (annähernd) die maximale Empfangsreichweite sie quasioptisch ausbreitender EM-Wellen, berücksichtigt aber nicht, das es auch sowas wie Dämpfung gibt.
    Ja man könnte aus einem Orbit in 60.000ft über Waldhessen alle Strahler erfassen, die so stark senden, dass sie >500km Reichweite haben. Nein, kein ISM-/DECT-/WiFi-/GSM-/CB-Gerät hat dazu ausreichend Abstrahlleistung. Von eher horizontalen Abstrahlcharakteristiken von Antennen ganz zu schweigen.

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