Anti-„Piraterie“-Vertrag jetzt Staatsgeheimnis

Ein umstrittener Vertragsentwurf ist in den USA gerade zu einer Art Staatsgeheimnis erklärt worden.

Seit Oktober 2007 verhandeln die EU, die USA, die Schweiz und Japan zusammen mit diversen anderen Ländern am „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ (ACTA), einem Abkommen, das allem Anschein nach einen Generalangriff auf all die vielen die Dinge ergeben soll, die unter dem Sammelbegriff „Piraterie“ laufen.

(Als ich klein war, waren Piraten noch mörderische Typen mit Messern zwischen den Zähnen. Erinnert sich noch jemand?)

Die Entwürfe zu diesem Vertrag werden strikt unter Verschluß gehalten. Wie strikt genau, das hat jetzt die US-Organisation Knowledge Ecology International (KEI) erfahren.

Die hatte eine Anfrage unter dem Freedom of Information Act gestellt und um Herausgabe der Vertragsentwürfe gebeten. Das Ergebnis (pdf):

Please be advised that the documents you seek are being withheld in full pursuant to 5.U.S.C. §552(b)(1), which pertains to information that is properly classified in the interest of national security pursuant to Executive Order 12958.

Die Vertragsentwürfe sind also geheim, weil sie die nationale Sicherheit der USA betreffen. Allerdings teilt die US-Regierung solche brisanten Informationen in der Regel nicht mit knapp zwei Dutzend Ländern – genau das ist aber bei ACTA der Fall.

Auch das Europäische Parlament hat die EU-Kommission zur Herausgabe der Vertragsentwürfe aufgefordert, und dort ebenfalls auf Granit gebissen.

KEI-Direktor Jamie Love fasst das Ganze in einem Artikel zusammen. Heise berichtet auf Deutsch.

Das Ziel der Geheimnistuerei ist es, sich lästige Kritiker vom Hals zu halten, die die Verhandlungen unnötig komplizieren könnten. Da die WIPO durch die Development Agenda-Debatte langsam zu Verstand zu kommen scheint, treiben die Industrieländer und -lobbies ihre Interessen eben anderswo voran. Der englische Begriff für diese unschöne Taktik lautet übrigens „forum shifting“.

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10 Ergänzungen

  1. Hm und das Obwohl Obama mehr Transparenz versprochen hatte. Aber da sieht man mal wieder was man von den Versprechen von Politikern halten kann, meiner Ansicht nach gar nichts.

  2. Immerhin hat Obama im Eiltempo schon mehr Wahlversprechen umgesetzt oder auf den Weg gebracht, als so manch gewaehlter Politiker in seiner ganzen Laufbahn. Ich weiss auch noch nicht so recht, was ich davon halten soll, kann mir aber gut vorstellen, dass Obama persoenlich nicht an jeder Entscheidung direkt beteiligt ist. Wozu braeuchte er sonst seinen ganzen Mitarbeiterstab? Die einzelnen Ressorts haben jeweils ihren Verantwortlichen und nur die ganz grossen Topics schaffen es bis zum Big-Boss. Kann gut sein, dass diese faschistoide ACTA-Verschwoerung noch so ein grosses Topic wird und sich dann auch Obama persoenlich damit befasst. Im Moment duerfte allerdings die implodierende US-Wirtschaft wesentlich hoeher auf der Agenda stehen.

  3. Auch das Europäische Parlament hat die EU-Kommission zur Herausgabe der Vertragsentwürfe aufgefordert, und dort ebenfalls auf Granit gebissen.

    Das finde ich ne Sauerei. Wieso darf die Komission dem Parlament irgendwelche Dokumente vorenthalten? Ist ja fast so, als würde die Regierung versuchen Gesetze ohne Bundestag/-rat durchzupressen…

  4. Es ist und bleibt doch ewig so:
    Amerika und „Staatsgeheimnis“ das liegt einfach zu nah zusammen. Die wollen Demokratie in die Welt raustragen und was machen die? Korrupt, unehrlich… naja… es war so, es ist so und es wird auch weiterhin so bleiben!

  5. „Als ich klein war, waren Piraten noch mörderische Typen mit Messern zwischen den Zähnen.“

    Dachte ich auch immer, und dann berichtete die Tagesschau neulich über den Gefangenentransport der Marine an Kenia. Die sahen eher aus wie Lagerarbeiter. Keine Messer, keine Glasaugen, noch nicht mal ’ne Augenklappe. Die ham den Mythos einfach versaut…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.