Bundesverfassungsgericht: Das Internet vergisst nicht

Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat heute in Karlsruhe einen Vortrag auf einer Festveranstaltung zum 25. Jahrestages des Volkszählungsurteils gehalten. Darin warnt er „vor einer prvaten Überwachungsgesellschaft internationalen Ausmaßes“. Sueddeutsche.de dokumentiert den Redetext: „Das Internet vergisst nicht“.

Durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und seine „neue Tochter“, das „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“, sieht Papier im „Überwachungsstaat orwell’scher Prägung“ eher eine „fernliegende Möglichkeit. Dies begründet er damit, dass unser Gemeinwesen über rechtstaatliche und demokratische Kontrollmechanismen verfügen würde, und sich damit von totalitären Überwachungsstaaten unterschiedet, wie man sie aus der jüngeren Geschichte kennen würde.

Er sorgt sich mehr, dass wir uns freiwillig in eine „private Überwachungsgesellschaft internationalen Ausmaßes“ verwandeln, durch die Verbreitung von andauernden technologischen Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologien, sowie die internationale Vernetzung der Informationswege.

Wir können über das Internet Briefe schreiben, die in Sekundenschnelle ankommen, Bücher und Bahntickets kaufen sowie unsere Bankgeschäfte erledigen. Wir freuen uns darüber, wenn wir beim Einkauf Bonuspunkte bekommen, für die wir später ein „Geschenk“ erhalten oder geben im Internet ohne größeres Nachdenken auf verschiedensten Seiten unsere intimsten Gedanken, Gefühle oder Bilder einem uns unbekannten Publikum preis. In Zukunft könnte – wofür es sicherlich gute Gründe gibt – auch noch unsere Krankenakte digital gespeichert und versendet werden.

Würden alle diese irgendwo auf der Welt über uns gespeicherten Informationen zusammengeführt, ließe sich sehr leicht ein „Persönlichkeitsprofil“ von jedem von uns erstellen. Dadurch würde der im „Volkszählungsurteil“ für unzulässig befundene „Super-Gau des Datenschutzes“ Wirklichkeit werden, allerdings herbeigeführt durch die Hände Privater.

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