Ergebnisse und Bewertung des IT-Gipfels

Die Bundesregierung hat die Ergebnisse des heutigen IT-Gipfels und seiner Arbeitsgruppen online gestellt. Durchaus interessant zu lesen, gibt es doch einen Einblick in das, was sich Ministerien und Großkonzerne für unsere digitale Zukunft überlegt haben. Die Arbeitsgruppe „Service- und verbraucherfreundliche IT“ etwa preist weiterhin DRM an, führt aber dann zum Thema „Hausvernetzung“ den Nachweis, dass auch Staatssekretäre und Vorstandsmitglieder komplexe boolesche Operationen verstehen können:

Eindeutige Rückmeldungen immer auf zwei Wahrnehmungskanälen geben: Licht und Ton oder Schalterstellung und Licht oder Schalterstellung und Ton.

Dpa hat die 12 Punkte der „Potsdamer Initiative“ zusammengefasst, und bei Heise gibt es eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse.

Die Nachberichterstattung der Medien ist auch schon überwiegend fertig. Die Süddeutsche schreibt in ihrem Kommentar:

Kennen die Experten von Potsdam Begriffe wie Web 2.0? Eine indirekte Antwort auf solche Fragen, hat Wirtschaftsminister Michael Glos gegeben: Er beklagte, wie wenig Fernsehgeräte in Deutschland gebaut werden. Das, Herr Glos, ist die Industrie von gestern.

Die taz macht sich über die 1,2 Milliarden Euro Förderung lustig: „Nun klotzt die Podkanzlerin!“

Die Kanzlerin hat von ihrer Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) schon so manche Hightech-Milliarde doppelt versprechen lassen; meist Mittel, die aus entlegeneren Winkeln des Bundeshaushalts zusammenaddiert werden. Aber egal, bombastisch sind die Pläne allemal, welche die Kanzlerin zusammen mit der digitalen Wirtschaft ausheckte. Zum Beispiel soll einem europäischen Konkurrenten zum US-amerikanischen Suchmaschinenmarktführer Google auf die Beine geholfen werden. Das gefällt den Kritikern der allumfassenden US-Hegemonie selbstverständlich. Aber geht so Förderung von IT-Innovationen? Sind die digitalen Heroen nicht die Garagenbastler, die 25-jährigen Informatikstudenten, die halb aus Langeweile Musik oder Videos im Internet empfang- und tauschbar machen? Und sich dann ihre Idee für fettes Geld abkaufen lassen?

Der Spiegel hat sich mal genauer angesehen, wo der der beklagte Fachkräftemangel herkommt: „Deutsches IT-Gejammer 2.0“.

Ach ja, Merkel wollte ja auch mit Studenten diskutieren. Die taz meldet dazu:

Die anwesenden InformatikstudentInnen wollten natürlich diskutieren. Mit Transparenten bewaffnet, protestierten sie gestern gegen den IT-Gipfel am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut. Sie wollten wissen, wie man das „Ausspionieren“ der Bürger verhindern und kostenlose Software voranbringen könne. „Das ist doch alles Inszenierung“, schimpfte ein Fachschaftsvertreter über den Gipfel, den die Bundeskanzlerin einberufen hatte.

Die Financial Times Deutschland beschließt ihren Kommentar folgendermaßen:

Der Gipfel gehört den Ehrgeizigen, den Himmelsstürmern. Nicht dem Kaffeekränzchen des Establishments.

Ich selber bin heute Abend für das Netzwerk Freier Radios zum IT-Gipfel interviewt worden (Das wird erst morgen früh ausgestrahlt, daher ist immer von dem „Gipfel gestern“ die Rede.). Download als mp3.

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6 Ergänzungen

  1. >Sie wollten wissen, wie man das “Ausspionieren” der Bürger verhindern und kostenlose Software voranbringen könne.

    Dieses Zitat aus der taz finde ich interessant, haben die Studenten wirklich für „kostenlose Software“ protestiert oder war es vielleicht doch Freie Software und die Damen und Herren von der taz haben da was nicht richtig verstanden?

    War da vielleicht jemand vor Ort und kann meine Vermutung bestätigen bzw. dementieren?

  2. Ja, du vermutest richtig. Gut möglich, dass nebenbei auch Software erwähnt wurde. Wenn, dann war aber ganz sicher von freier Software die Rede. Uns ging es vor allem um die Exklusivität des Treffens, die wir gegenüber dem taz-Reporter ausführlich kritisiert haben.
    siehe auch:

  3. Ein zentraler Punkt der IT Initiative ist die Klage, dass es in Deutschland zu wenig IT Fackkräfte gibt. In 2006 haben viele Firmen tatsächlich gemeldet, dass sie Schwierigkeiten haben, geeignete Fachkräfte zu bekommen. Interessanterweise haben die gleichen IT Firmen in 2004 keine und in 2005 wenig Probleme gehabt, geeignete Fachkräfte zu finden – wohl weil sie gar keine gesucht haben. Es ist auch nicht verwunderlich, dass junge Menschen nicht unbedingt in die IT Industrie strömen, wenn die Gehälter in der IT Branche heute etwa 20% niedriger sind als etwa im Maschinenbau (und diese Branche brummt!)Wahrscheinlich sind die Anforderungen der Betriebe, die Schwierigkeiten bei den Einstellungen haben, zu hoch und die Bereitschaft ordentliche Gehälter zu zahlen zu niedrig.

    Unkonventionelle Methoden, wie die meines sparsamen Unternehmerfreundes aus dem Schwäbischen, führen bei der Personalbeschaffung auch nicht immer zum Ziel. Auf den Rat, doch das Gehalt für einen gesuchten Spezialisten für Kontrollsoftware doch einfach zu erhöhen, schlug er vor: „Ich hääte da noch ein hübsches Töchterle“ .

    Wir tun gut daran das Geschrei der ITK Industrie zu ignorieren und junge Menschen mit wirklichem Interesse an dem Beruf zu ermuntern, sich gut auszubilden. In keinem Industriesegment ist die Chance mit eigenen Ideen Erfolg zu haben heute höher als in der IT Industrie.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.